Der autoritative Erziehungsstil ist ein Erziehungsstil, der Herzlichkeit, Einfühlungsvermögen und das Setzen von Grenzen verbindet. Eltern setzen positive Anreize und Argumente ein, um ihre Kinder zu beeinflussen. Sie vermeiden es, auf Drohungen oder Bestrafungen zu setzen.
Dieser Ansatz ist in gut gebildeten Familien der Mittelschicht verbreitet und wird weltweit mit besseren Entwicklungen der Kinder in Verbindung gebracht.
Kinder, die von autoritativen Eltern erzogen werden, sind eher in der Lage, unabhängig, selbständig, gesellschaftlich akzeptiert, akademisch erfolgreich und gut erzogen zu sein. Zudem leiden sie seltener an Depressionen und Ängsten und neigen weniger zu unsozialem Verhalten wie Kriminalität und Drogenkonsum.
Studien legen nahe, dass schon ein autoritativer Elternteil einen großen Unterschied macht.
Doch was genau zeichnet den autoritativen Erziehungsstil aus? Wie unterscheidet er sich von autoritären Erziehungsstilen? Wie stellen Experten und Expertinnen fest, ob man autoritativ erzieht oder einen anderen Stil praktiziert? Und warum genau glauben Forscher/innen, dass autoritativer Erziehungsstil zum Erfolg führt?
Hier ein Überblick.
Der autoritative Erziehungsstil: Die ursprüngliche Definition
Der autoritative Erziehungsstil wurde erstmals von Diane Baumrind definiert, die ein neues System zur Klassifizierung von Erziehungsstilen vorschlug. Sie wollte sich auf die Art und Weise konzentrieren, wie Eltern versuchen, ihre Kinder zu kontrollieren.
Sie erkannte drei wesentliche Ansätze bezüglich der Erziehung:
- Permissive Eltern zögern, Regeln und Normen aufzustellen, und überlassen es lieber ihren Kindern, sich selbst zu regulieren.
- Autoritäre Eltern verlangen von ihren Kindern eine Art blinden Gehorsam.
- Autoritative Eltern verfolgen einen anderen, gemäßigteren Ansatz, bei dem es darum geht, hohe Ansprüche zu stellen, fürsorglich zu sein und auf die Kinder einzugehen und sie als unabhängige, intelligente Individuen zu betrachten. Der autoritative Elternteil erwartet Reife und Kooperation und bietet den Kindern viel emotionale Unterstützung.
Was ist also der Hauptunterschied zwischen autoritativer Erziehung und permissiver Erziehung?
Grenzen setzen.
Wie permissive Eltern sind auch autoritative Eltern ansprechbar, fürsorglich und engagiert. Aber im Gegensatz zu permissiven Eltern lassen autoritative Eltern ihre Kinder nicht mit schlechtem Verhalten davonkommen. Autoritative Eltern haben klare Erwartungen an ihre Kinder und fordern ein verantwortungsvolles Verhalten.
Wie unterscheiden sich autoritative Erziehung und autoritäre Erziehung?
Dabei dreht es sich vor allem um die Ausübung von Autorität. Ein autoritärer Elternteil verhält sich in etwa so wie ein Drill-Sergeant. Tu es jetzt, sonst… ! Der Drill-Sergeant will sich mit Drohungen und Nötigung durchsetzen.
Autoritative Eltern hingegen versuchen, ihre Kinder zur Zusammenarbeit anzuregen, indem sie ihnen ein gutes Miteinander vermitteln und ihnen die Gründe gewisser Regeln erklären.
Autoritative Eltern geben ihren Kindern viel Zuneigung. Sie vermeiden scharfe oder willkürliche Bestrafungen. Sie stellen ihre Kinder seltener bloß oder versuchen, sie zu kontrollieren, indem sie ihnen Zuwendung verweigern.
Wenn ihre Kinder Fehler machen oder sich daneben benehmen, sprechen sie mit ihnen darüber. Sie hören sich die Sorgen ihrer Kinder an und berücksichtigen diese. Sie helfen den Kindern herauszufinden, was schief lief, und erklären ihnen die Konsequenzen von gutem und schlechtem Verhalten.
Obwohl die Bezeichnungen sehr ähnlich klingen, gibt es einen gravierenden Unterschied zwischen autoritativer und autoritärer Erziehung.
Autoritative Eltern versuchen nicht nur, die Einhaltung von Regeln zu erzwingen. Sie erkennen und fördern die Autonomie des Kindes. Sie wollen, dass Kinder Selbstdisziplin, Reife und Respekt für andere entwickeln. Und sie nähern sich diesen Zielen, indem sie konkrete Ratschläge und emotionale Unterstützung anbieten.
Zusammengefasst haben es einige Forscher/innen so beschrieben: Autoritative Eltern sind sehr anspruchsvoll (wie autoritäre Eltern), aber gehen auch sehr auf die Bedürfnisse ihrer Kinder ein.
Das ist die klassische Definition des autoritativen Erziehungsstils, und anhand dieser Definition haben Forscher/innen autoritative Eltern weltweit identifiziert.
Doch nicht alle autoritativen Eltern gestalten ihre Familie auf dieselbe Weise. Es gibt erhebliche Unterschiede, insbesondere wenn es darum geht, wie viel Mitspracherecht die Kinder bei familiären Entscheidungen haben.
Wie wendet man autoritative Erziehung an?
Definitionen zu verstehen ist eine Sache, sie in die Praxis umzusetzen eine andere. Woran erkennt man also, ob man sich wie ein autoritativer Elternteil verhält?
Wenn Forscher/innen den Erziehungsstil einer Person ermitteln wollen, verwenden sie oft einen Fragebogen. Sie zeigen Eltern zum Beispiel eine Reihe von Aussagen und bitten sie, ihre Zustimmung auf einer Skala von 1 = „trifft fast nie zu“ bis 4 = „trifft fast immer zu“.
Häufige Aussagen Autoritativer Eltern:
- Ich beachte die Wünsche und Gefühle meines Kindes, bevor ich es um etwas bitte
- Ich ermutige mein Kind, über seine Gefühle zu sprechen
- Ich versuche zu helfen, wenn mein Kind verängstigt oder aufgebracht ist
- Ich begründe die Anforderungen, die ich an mein Kind stelle
- Ich respektiere die Meinung meines Kindes und ermutige es, sie zu äußern – auch wenn sie sich von meiner eigenen unterscheidet.
Verhalten von Eltern mit weniger autoritativen Erziehungsstil:
- Im Haushalt darf mein Kind seine Aufgaben unerledigt lassen
- Ich besteche mein Kind, damit es das tut, was ich will
- Ich raste vor Wut gegenüber meinem Kind aus
- Ich bestrafe mein Kind, indem ich ihm keine Zuneigung gebe.
Dies ist also ein guter Wegweiser, an dem man sich orientieren kann. Doch autoritative Eltern sind auch gute Psycholog/innen und Problemlöser/innen. Wie sprechen sie mit ihren Kindern? Welche Strategien wenden sie an, um mit ihren Kindern zu sprechen? Wie gehen sie mit den emotionalen Problemen ihrer Kinder um?
Es gilt allerdings zu beachte, dass es nicht den einen, universell akzeptierten Maßstab.
Die genannten Erklärungen könnten zum Beispiel den Eindruck erwecken, dass du deine Familie wie eine kleine Demokratie behandeln musst, um autoritativ zu sein. Doch das ist nicht der Fall.
Eventuell denkst du auch, dass autoritative Erziehung sehr strikt klingt. Du denkst vielleicht, dass die Aussage, dass Kinder nicht „mit unerledigten Hausarbeiten davonkommen“, ein Beweis dafür ist, dass autoritative Eltern jeden Verstoß ihrer Kinder ahnden sollten.
Doch auch das ist nicht zwangsläufig richtig.
Wie wir nachfolgend sehen werden, lässt die klassische Definition von autoritativer Erziehung in diesen Bereichen einiges an Spielraum. Und verschiedene Forscher/innen haben unterschiedliche Kriterien verwendet, um zu definieren, was autoritativ ist.
Spanische Forscher/innen haben zum Beispiel herausgefunden, dass Jugendliche aus permissiven Familien genauso gut erzogen und erfolgreich in der Schule sind wie Jugendliche aus autoritativen Familien. Diese Ergebnisse stehen im Widerspruch zu Studien, die eine permissive Erziehung mit schlechteren Leistungen der Kinder in Verbindung bringen. Könnten kulturelle Unterschiede die Ursache für die widersprüchlichen Ergebnisse sein? Oder sind einige Studien fehlerhaft?
Beides scheint möglich. Doch wahrscheinlich spiegeln die Abweichungen Unterschiede in der Formulierung der Fragebögen wider, durch die man den Erziehungsstil der Eltern ermittelte.
Alfonso Osario und seine Kolleg/innen überprüften diese Annahme vor kurzem und fanden Anhaltspunkte dafür. Als spanische Jugendliche mit dem gleichen Fragebogen wie in den USA bewertet wurden, wurde ein autoritativer Erziehungsstil mit den besten Ergebnissen für die Kinder in Verbindung gebracht.
Verschiedene Formen autoritativer Erziehung
Als Forscher/innen Eltern in vier verschiedenen Ländern – China, den USA, Russland und Australien – befragten, fanden sie zum Beispiel ein interessantes Muster.
In den USA und Australien legten autoritative Eltern mit hoher Wahrscheinlichkeit Wert auf bestimmte demokratische Vorgehensweisen, z. B. die Berücksichtigung der Vorlieben des Kindes beim Planen von Familienangelegenheiten oder die Ermutigung an das Kind, seine eigene Meinung zu äußern.
In China und Russland dagegen berücksichtigten autoritative Eltern die Vorlieben ihrer Kinder bei diesem Planen nicht. Und die meisten autoritativen Eltern aus China ermutigten ihre Kinder nicht, ihre eigene Meinung zu äußern – jedenfalls nicht, wenn diese Meinung im Widerspruch zu den Vorstellungen der Eltern stand.
Was also hatten autoritative Eltern in allen vier Ländern gemeinsam?
Einer der größten Gemeinsamkeiten war die Disziplin.
Autoritative Eltern legten durchweg Wert darauf, mit ihren Kindern zu reden. Wenn ihre Kinder sich schlecht benahmen, sprachen sie mit ihnen und erklärten ihnen die Gründe für die Regeln. Schauen wir uns das mal genauer an.
Wie disziplinieren autoritative Eltern ihre Kinder?
Das nennt man „induktive Disziplin“, und nachweislich trägt sie dazu bei, dass Kinder einfühlsamer, hilfsbereiter, pflichtbewusster und freundlicher werden.
Sie trägt auch dazu bei, dass Kinder keine Probleme mit aggressivem oder trotzigem Verhalten entwickeln.
Und induktive Disziplin fördert möglicherweise die Entwicklung der moralischen Fähigkeiten.
Doch was ist das eigentlich? Bei der induktiven Disziplin geht es darum, deinem Kind beizubringen, auf konstruktive und nicht selbstsüchtige Weise darüber nachzudenken, wie sein Verhalten andere beeinflusst.
Anstatt zu versuchen, gutes Verhalten durch Drohungen und Strafen zu erzwingen, gibst du den Kindern die nötigen Werkzeuge an die Hand, um sich selbst zu regulieren:
Verhalten durch Vernunft formen.
Für ein sehr junges Kind kann das bedeuten, dass du ihm einfach erklärst, warum es etwas nicht anfassen darf. Das ist nicht für dich geeignet! Es ist zu heiß! Das könnte dich verbrennen! Aber bei älteren Kindern bedeutet es, mit ihnen über die Gründe unserer Richtlinien und Regeln zu sprechen.
Emotions-Coaching.
Was soll dein Kind tun, wenn es wütend wird? Oder traurig? Oder verängstigt? Induktive Disziplin steht und fällt mit der Fähigkeit deines Kindes, mit starken Emotionen umzugehen. Ein Teil der induktiven Disziplin besteht also darin, ein guter „Emotions-Coach“ zu sein.
Empathie und Rücksichtnahme auf andere betonen.
Induktive Erziehung konzentriert sich auf die Konsequenzen, die das Verhalten deines Kindes für andere hat. Was passiert, wenn du deinen Bruder schubst? Wie fühlt er sich dann?
Das Ziel der induktiven Disziplin ist es, die Motivation des Kindes zu fördern, zu kooperieren und sich wohlwollend zu verhalten.
Studien belegen, dass schon sehr junge Kinder Empathie empfinden und helfen wollen. Wir können Kindern also dabei helfen, ihr moralisches Verständnis zu stärken, indem wir mit ihnen darüber sprechen, welche Auswirkungen ihr Verhalten auf andere hat.
Warum entwickeln sich Kinder mit autoritativen Eltern so vorteilhaft?
Jeder Aspekt des autoritativen Erziehungsstils scheint seine eigenen Vorzüge zu haben.
Wie bereits erwähnt, wird induktive Disziplin – das Begründen von Regeln – mit fortgeschrittenen Fähigkeiten des moralischen Denkens verbunden.
Darüber hinaus legen Studien die folgenden Punkte nahe:
1. Eine warmherzige, einfühlsame Erziehung fördert sichere Bindungsbeziehungen und schützt Kinder davor, internalisierende Störungen zu entwickeln.
2. Kinder autoritativer Eltern neigen seltener zu Drogen- und Alkoholmissbrauch, Straffälligkeit oder anderen unsozialen Verhaltensweisen als Kinder autoritärer Eltern.
3. Mit Kindern über Gedanken und Gefühle zu sprechen, kann Bindungsbeziehungen stärken und Kinder zu besseren „Gedankenlesern“ machen.
4. Eltern, die es vermeiden, ihre Kinder für intellektuelle Fehler zu bestrafen (z. B. „Ich bin so enttäuscht von dir“), haben möglicherweise Kinder, die belastbarere Problemlöser/innen sind und besser dazulernen.
5. Die Förderung der Selbstständigkeit der Kinder ist mit mehr Selbstvertrauen, besserer Fähigkeit zur Problemlösung und einer verbesserten emotionalen Gesundheit verbunden.
6. Ein autoritativer Ansatz zur Erziehung kann dazu beitragen, Aggressionen zu verhindern und Probleme mit Gleichaltrigen unter Vorschulkindern zu verringern.
7. Kinder mit warmherzigen, einfühlsamen Eltern sind eher hilfsbereit, freundlich und beliebt.
Der letzte Aspekt wird durch eine Studie aus den Niederlanden veranschaulicht. In dieser Studie wurden Schulkinder zu Hause dabei beobachtet, wie sie mit ihren Eltern eine Reihe von Rätseln lösten. Anschließend haben die Forscher/innen
- dokumentiert, wie oft die Eltern Missbilligung äußerten oder versuchten, die Aufgabe zu übernehmen,
- bewertet, wie oft die Eltern Zuwendung zeigten, Vorschläge machten, Anregungen gaben (“ Was passiert, wenn wir es so versuchen?“) oder reifes Verhalten von ihren Kindern forderten, und
- Lehrkräfte und Gleichaltrige gebeten, die Sozialkompetenz der Kinder zu bewerten.
Die Ergebnisse sind beeindruckend. Kinder von autoritativeren Eltern wurden von ihren Lehrer/innen und Mitschüler/innen eher als sozial – hilfsbereit und freundlich – eingeschätzt. Die Kinder autoritativer Eltern waren auch beliebter.
Es gibt sogar Beweise dafür, dass Kinder aus autoritativen Familien sich mehr auf ihre Eltern einstellen und weniger von Gleichaltrigen beeinflussen lassen.
In einer Studie mit amerikanischen Studierenden wurden diese vor eine Reihe moralischer Konflikte gestellt und gefragt, wie sie diese lösen würden. Studierende aus autoritativen Familien erklärten häufiger als andere, dass ihre Eltern – und nicht ihre Kommilitonen – ihre Entscheidungen beeinflussen würden.
Doch es gibt noch weitere Faktoren.
Es ist anzunehmen, dass die Vorteile einer autoritativen Kindererziehung am größten sind, wenn die gesamte Gesellschaft nach autoritativen Prinzipien organisiert ist. Wenn zum Beispiel das Schulklima autoritativ ist, fällt es Kindern aus autoritativen Familien leichter, sich einzufügen.
Darüber hinaus haben einige Studien ethnische Unterschiede festgestellt: Bei Afroamerikaner/innen und Chines/innen gibt es manchmal nur geringe oder überhaupt keine Unterschiede in den schulischen Leistungen zwischen Kindern aus autoritären und autoritativen Familien.
Dennoch gibt es eine bemerkenswerte Übereinstimmung zwischen den Studien. Von Argentinien bis China, von den Vereinigten Staaten bis Pakistan wird der autoritative Erziehungsstil durchweg mit guten oder besseren Ergebnissen in Verbindung gebracht.
Der Forscher Laurence Steinberg sagt: „Ich kenne keine Studie, die zeigt, dass es Jugendlichen besser geht, wenn sie mit einem anderen Erziehungsstil aufwachsen.“
In einer Analyse von 428 veröffentlichten Studien aus dem Jahr 2017 verglichen Forscher/innen die Ergebnisse von Kindern aus aller Welt.
In allen Teilen der Welt fanden sie heraus, dass der autoritative Erziehungsstil mit mindestens einem Vorteil für die Kinder in Verbindung stand. Im Gegensatz dazu wurde autoritärer Erziehungsstil mit mindestens einem Nachteil für das Kind in Verbindung gebracht. Die Autor/innen folgern, dass der autoritative Erziehungsstil grundsätzlich empfehlenswert ist.
Bildquelle: https://www.freepik.com/free-photo/family-spending-time-together_856019.htm