Eine Mutter wandte sich an eine Expertin, die ihr dabei helfen sollte, ihrer Tochter Englisch beizubringen – und die kulturellen Erwartungen zu erfüllen, die mit der zweisprachigen Erziehung einhergehen.
Ich weiß nicht mehr genau, wann ich anfing, darüber nachzudenken, was für ein Elternteil ich sein wollte. Ich bin mir sicher, dass wir alle Listen im Kopf haben, auf denen Dinge stehen wie die Essgewohnheiten, die wir unseren Kindern vermitteln wollen, die Art der Erziehung, die wir ihnen bieten wollen, und die Art der Aktivitäten, an denen sie teilnehmen sollen. Nun, auf meiner Liste stand auch ein sehr konkretes Ziel: mein Kind zweisprachig zu erziehen. Ein sehr wichtiges Ziel für eine junge Mutter, die es selbst schwer hatte, Englisch zu lernen.
Aber die Aufgabe, meiner Tochter beizubringen, sowohl Deutsch als auch Englisch fließend zu sprechen, erwies sich für mich als sehr schwierig. Und als es immer offensichtlicher wurde, dass ich dabei versagte, überkam mich Scham. Es war schwieriger als gedacht, meine Kind zweisprachig zu erziehen. Und ich war mir nicht sicher, wie ich das ändern sollte. Also habe ich einen Experten um Hilfe gebeten. Hier ist, was ich gelernt habe. Vielleicht helfen dir meine Tipps auch dabei, dein eigenes Kind zweisprachig zu erziehen.
Zweisprachige Erziehung muss geplant werden
„Wenn die Eltern selbst mehrere Sprachen sprechen oder in zweisprachigen Gemeinden leben, wird angenommen, dass es selbstverständlich und einfach ist, Kinder zweisprachig zu erziehen.“ So Diandra Morse, klinische Sozialarbeiterin und Gründerin von Bilingual Playdate. „Meiner Erfahrung nach ist das größte Hindernis für Eltern, die ihrem Kind mehr als eine Sprache beibringen wollen, die vorgefasste Meinung der Eltern. Sie haben eine Vorstellung davon wie das Lernen ablaufen sollte oder was es braucht, damit ihr Kind eine zusätzliche Sprache lernt.“
Das bringt uns zurück zu der Liste, von der ich gesprochen habe. Die Liste mit meinen Erziehungsabsichten, die unter der Überschrift „zweisprachig erziehen“ mehrere Aufzählungspunkte enthielt. Darunter z. B. das Abspielen von Sprachlernvideos als Ergänzung zu meinem Unterricht. Oder auch die Anmeldung zum Englischunterricht am Wochenende und andere hochgesteckte Ziele.
Als ich diese Liste mit Morse teilte, brachte sie die Idee perfekt auf den Punkt. „Es gibt eine Menge Arbeit und Investitionen – geistig, zeitlich, sozial, emotional und finanziell -, die den Eltern vielleicht nicht so klar oder real vorkommen. Einiges realisieren sie erst, wenn sie mit der zweisprachigen Erziehung begonnen haben“, erklärt sie. „An diesem Punkt kämpfen die Eltern damit, wie bewusst und planvoll sie die Zweisprachigkeit ihres Kindes zusätzlich zu all ihren elterlichen Verpflichtungen aufrechterhalten können.
Genau so hat es sich für mich angefühlt. Es war nicht einfach, mein Kind zweisprachig zu erziehen. Als sie noch ein Baby war, habe ich mit ihr zusammen englische Kinderserien angeschaut. Ich dachte, dass sie den Unterricht so verinnerlicht, wie Kinder den Schulunterricht. Danach haben wir uns anderen Dingen gewidmet und ich habe es nicht zu Ende gebracht.
Deine Lehre ist nicht vergleichbar mit Schulunterricht
Wir sind keine Pädagogen. Wenn wir über den Schulunterricht nachdenken, erkennen wir manchmal nicht, wie viel Planung in dem steckt, was unseren Kindern beigebracht wird. Die Schüler/innen werden nicht mit Inhalten konfrontiert, ohne die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen.
Und wenn ein Thema unterrichtet wurde, folgt in der Schule die nächste Lektion, die auf dem zuvor Gelernten aufbaut. Aber so habe ich mir das nicht vorgestellt. Mit meinem Kind zusammenzusitzen und diese Videos anzuschauen, in der Hoffnung, dass sie es aufsaugt, war ein schwacher Plan.
Meine gedankliche Liste mit großartigen Ideen, die aus ebenso großartigen Absichten entstanden war, bedeutet nichts. Denn ich war nicht auf den Zeitmanagementteil der Investition vorbereitet, auf den sich Morse bezog. Bei all den Taktiken, die ich aufgelistet hatte, habe ich mir nie die Zeit genommen, meine Tochter für einen Englischkurs anzumelden.
Es ist eines der schlüpfrigsten Konzepte, das die Menschheit kennt: Zeit. Es schien nie genug davon zu geben und im Handumdrehen hatte ich sie verloren. Wie Morse schon sagte, hatte ich keine Ahnung, wie zielstrebig ich sein musste, wenn ich mein Kind zweisprachig erziehen wollte.
Lass dich nicht durch Erwartungen unter Druck setzen
Eines der schwierigsten Dinge, mit denen ich umgehen musste, war das Ausmaß an Elternschelte, das ich erlebte. Ich weiß nicht mehr, wie oft ich – meist von einem englischen Muttersprachler – gefragt wurde, ob meine Tochter beide Sprachen spricht. Nur um dann zu schimpfen oder enttäuscht dreinzuschauen, wenn ich zugab, dass sie es nicht tut.
Morse, dessen Organisation Eltern dabei unterstützt, die unsichtbaren Herausforderungen der zweisprachigen Erziehung ihrer Kinder zu meistern, fügt hinzu: „Aus meinen Gesprächen mit Eltern geht hervor, dass Schuld und Scham ständig präsent sind.“
Diese Gefühle sind besonders präsent, wenn sie mit der amerikanischen Gesellschaft in Kontakt kommen, die ständig die Botschaft sendet: „Das ist Amerika, dein Kind sollte Englisch sprechen.
Es kann auch stressig sein, wenn unsere eigenen Familienmitglieder Erwartungen an die Zweisprachigkeit der jüngeren Generation stellen. Ich erinnere mich, als meine Tochter etwa 3 oder 4 Jahre alt war und ich sie zum ersten Mal zu einem Onkel von mir mitnahm. Ich war stolz auf meine Haltung und mein Lächeln, als ich ihre kleine Hand in meiner hielt und sie ihm vorstellte.
Aber nicht einmal ein paar Minuten nach der Begrüßung kam die Frage, die ich schon befürchtet hatte: „Spricht sie Englisch?“ Meine Brust entspannte sich und meine Ohren wurden warm, als ich beichtete, dass sie es nicht kann. Mit verschränkten Armen und in scharfem Ton sagte mir mein Onkel, dass ich meine Tochter im Stich lassen würde, wenn ich sie nicht ernsthaft zweisprachig erziehe.
Niemand, vor allem keine frischen Eltern, will hören, dass sie ihr Kind möglicherweise im Stich lassen. Diese Interaktion durchschlug meinen Stolz und ließ mich daran zweifeln, wo meine Prioritäten lagen.
Morse sagt, es ist leicht, sich unter der Last solcher Erwartungen geschlagen zu fühlen. Aber wir müssen lernen, vernünftige Erwartungen an uns selbst zu stellen. „Wir müssen normalisieren, wie schwer es ist, zweisprachige Kinder in einer überwiegend einsprachigen Gesellschaft und einem einsprachigen Bildungssystem aufzuziehen“, sagt sie. „Wir müssen Familien mit Fachleuten zusammenbringen, die sich auf den Erhalt der Sprache in der Familie und die Zweisprachigkeit von Kindern spezialisiert haben, um ihnen bewährte Verfahren und forschungsbasierte Informationen an die Hand zu geben, damit sie fundierte Entscheidungen treffen können.“
Morse gibt ein paar Tipps, die Familien helfen können, sich in diesem schwierigen mehrsprachigen Terrain zurechtzufinden:
- Lege klare sprachliche Ziele für deine Familie fest. Je klarer deine Ziele sind, desto wahrscheinlicher ist es, dass deine Familie in der Lage ist, einer Routine zu folgen und sie einzuhalten.
- Hüte dich vor Ratschlägen wie „Zweisprachigkeit führt zu Sprachverzögerungen“. Das ist nicht nur ein Irrglaube, sondern vermittelt auch eine negative Einstellung zum Sprechen mehrerer Sprachen.
- Lehne Ratschläge ab, die besagen, dass es nur einen Weg gibt, Kinder zweisprachig zu erziehen. Oder dass „Ein Elternteil – eine Sprache“ (One Parent One Language, OPOL) die beste Strategie ist. Das ist ein Ansatz, bei dem sich jeder Elternteil verpflichtet, nur eine der beiden Sprachen mit dem Kind zu sprechen. Auch wenn diese Strategie erfolgreich sein kann, gilt sie nicht als die effektivste, auch wenn sie häufig angewendet wird.
Obwohl viele Eltern den Rat von Logopäd/innen oder dem Kinderarzt/ der Kinderärztin ihres Kindes suchen, empfehle ich ihnen, sich auch von Fachleuten für Spracherhaltung unterstützen zu lassen. Expert/innen auf dem Gebiet der Soziolinguistik und bilingualen Spracherwerbs können eine Hilfe sein dabei, dein Kidn zweisprachig zu erziehen. Kinderärzt/innen und Logopäd/innen sind zwar vertrauenswürdige Spezialisten, aber sie sind vielleicht nicht die beste Quelle für die Art von maßgeschneiderter Beratung, die Eltern brauchen, die ihre Kinder zweisprachig erziehen wollen.
Lass deine Kinder führen
Wohin hat mich das Elternschämen, das ich sowohl von meiner Familie als auch von Fremden erhalten habe, geführt? Ich gebe es zu: Ich habe das Handtuch geworfen und mein Scheitern akzeptiert. Ich verstand die Vorteile, die es mit sich bringt, mehr als eine Sprache zu sprechen, vor allem, wenn Englisch eine davon ist. Es hat eine unglaublich wichtige Rolle in meiner schulischen und beruflichen Laufbahn gespielt. Ich hasste mich dafür, dass ich wusste, dass ich meinem Kind nicht dieselben Möglichkeiten bieten würde – denn das ist doch unsere Aufgabe, oder? Unseren Kindern mehr Möglichkeiten zu geben, als wir sie hatten.
Aber ich fühlte mich wie eine Versagerin. Als meine Tochter noch ein Baby war, wusste ich nichts von professionellen Diensten wie Morse’s. Deshalb fühlte ich mich sehr niedergeschlagen. Weil ich etwas nicht geschafft hatte, was so viele Menschen von mir erwartet hatten, dass es mir leicht fallen würde.
Was ich nicht bedacht hatte, war, dass die meisten Eltern, denen es leichter fiel, ihren Kindern Englisch beizubringen, englische Muttersprachler waren. Ihre erste und häufigste Sprache war Englisch. Das war bei mir nicht der Fall. Denn ich bin in Deutschland geboren und aufgewachsen und habe Eltern, die sowohl Deutsch als auch Englisch sprechen.
Ich hätte von der Unterstützung durch Organisationen wie „Bilingual Playdate“ profitiert, die sich für Anliegen wie meine einsetzen. Wenn Gespräche über die Herausforderung, unseren Kindern mehr als eine Sprache beizubringen, alltäglicher wären, dann wäre das, was dieses Jahr passiert ist, für mich keine solche Überraschung gewesen. Es stellte sich heraus, dass mein Kind die ganze Zeit gut aufgepasst hatte und mehr Englisch verstand, als ich gedacht hatte.
In diesem Jahr wurde mir klar, dass ich tatsächlich einige gute Entscheidungen in Bezug auf die Sprache getroffen hatte. Vielleicht hat das etwas mit einem Ratschlag zu tun, den Morse für Eltern in diesem Kampf hat. „Verbindung ist das Herz der Zweisprachigkeit“.
Meine Tochter ist jetzt in der Mittelschule und hat Englisch als Fremdsprache gewählt. Also dachte ich: „Vielleicht lernt sie ja ein oder zwei Dinge“. Aber zu meiner Erleichterung und Freude macht meine Tochter ihre Sache außerordentlich gut. Sie hat sich sogar eine Sprach-App auf ihr Handy heruntergeladen. Ich habe sie heimlich beobachtet wie sie die Lektionen mit Bravour gemeistert hat, die ich ihr beigebracht habe.
Bildquelle: https://unsplash.com/photos/yvWdikF2MyE