„Was ist dein Ratschlag für neue Eltern von Kindern mit besonderen Bedürfnissen?“
Als Mutter eines erwachsenen Kindes mit mehreren Behinderungen werde ich das oft gefragt. Meistens handelt es sich um Eltern oder Betreuer, die mit einer neuen Diagnose zu kämpfen haben, oder um mitfühlende Freund:innen (auch „Ersthelfer“ genannt), die ihre Liebsten unterstützen wollen. Unabhängig davon, wie selten eine Diagnose oder wie einzigartig die Familiendynamik ist, gibt es sechs Zutaten, die das Geheimnis erfolgreicher Familien mit besonderen Bedürfnissen sind:
1. Du darfst trauern!
Wenn bei einem Kind eine Behinderung diagnostiziert wird, müssen sich Eltern auch mit ihrer eigenen (nicht diagnostizierten) geistigen Behinderung auseinandersetzen. In Wahrheit ist unser Kind genauso wunderbar und furchterregend, wie es vor der Diagnose war. Was wir beklagen, ist der Verlust von Erwartungen – der Tod unserer unausgesprochenen Träume. Wir können und sollten uns selbst die Erlaubnis geben, darum zu trauern.
Authentische Trauer kann geistliche Heilung bewirken. Triff dich mit sicheren Menschen, die bereit sind, für dich eine emotionale Kotztüte zu halten, ohne zu urteilen, Plattitüden oder Vorschriften zu machen. Eine gründliche Reinigung des kranken Herzens ist die Voraussetzung für Heilung.
2. Nimm Hilfe an oder bitte darum!
Der lebenslange Druck, den die Erziehung eines Kindes mit besonderen Bedürfnissen mit sich bringt, lässt nur wenig Raum für Mutti-Martyrium. Es geht um mehr als um uns. Wir werden Hilfe brauchen. Die Menschen wollen helfen, aber sie wissen oft nicht, wie. Es ist nicht so, dass sie sich nicht kümmern. Wahrscheinlich ist es ihnen so wichtig, dass sie vor lauter Angst, etwas falsch zu machen, gelähmt sind. Verwechsle Zurückhaltung nicht mit Widerwillen. Vielleicht müssen wir klarer sagen, was wir brauchen. Hilf ihnen, dir zu helfen. Gib ihnen die Chance, ihre Mitgefühlsmuskeln spielen zu lassen.
3. Du machst genug!
Die elterliche Schulddrüse schlummert, bis sie bei der Geburt oder Adoption aktiviert wird, wobei sie bei Müttern besonders stark ausgeprägt ist. Die Drüse läuft auf Hochtouren, sobald wir eine Diagnose erhalten und hört erst mit dem Tod auf. Bis dahin wird sich nichts, was wir tun, jemals genug anfühlen. Aber lass dir eins sagen: Du machst genug, du machst das großartig!
4. Freue dich über die Menschen in deinem Leben!
Es werden erstaunlich grausame und verurteilende Menschen und erstaunlich großzügige, mitfühlende und hilfsbereite Menschen in unser Leben treten. Beide werden uns den Atem rauben und uns zum Weinen bringen. Keiner von beiden wird kommen, wenn wir es erwarten (wir erwarten das eine, bekommen aber das andere). Manche Menschen kommen als Segen, andere als Lektion, vergeben zu lernen. Sei in jeder Situation dankbar, denn alles kann uns weiterbringen.
Freund:innen sind die Familie, die wir wählen. Die Gemeinschaft ist optimal, wenn sie sowohl aus anderen Familien mit besonderen Bedürfnissen besteht, die es „verstehen“ (ihre Hilfe kann begrenzt sein, weil sie mit den gleichen Herausforderungen zu tun haben), als auch aus Menschen, die es nicht verstehen, die aber mehr Möglichkeiten haben, zu helfen. Sie brauchen uns genauso sehr wie wir sie (siehe #2).
5. Nimm dir Zeit für dich!
Die Erziehung von Zauberern in einer Muggelwelt ist anstrengend. Beherzige die Weisheit der Flugbegleiter:innen: „Setze zuerst deine Maske auf.“ Eine ausgebrannte Betreuerin oder ein ausgebrannter Betreuer ist für niemanden von Nutzen – sogar gefährlich. Zähme die Widerspenstige der Mitleidsmüdigkeit mit einer Atempause. Parke die Schulddrüse vorübergehend für lebensfördernde Momente der Heiterkeit. Wir vermissen selten die Zeit oder das Geld, das wir ausgegeben haben, aber wir bedauern verpasste Gelegenheiten. Spaß ist eine unterschätzte Therapie. Wir brauchen ihn genauso sehr wie unsere Kinder, denn eines der größten Geschenke, die wir ihnen machen können, ist ein erfrischtes, fröhliches und hoffnungsvolles Ich.
6. Halte deine Erwartungen an andere Menschen realistisch!
Wenn sie nicht wir sind, können sie es nicht verstehen. Ja, wir sind die Experten der Welt für unser Kind. Aber das ungeschriebene, ungekürzte Wikipedia in unserem Kopf (all diese Regeln, Rhythmen und Routinen!) ist zu lang, als dass es jemand lesen könnte, und Gedankenlesen ist eine verlorene Kunst. Das Geheimnis der Zufriedenheit? Geringere Erwartungen. Erwarte wenig und nimm jeden Bonus dankbar an, den du bekommst.
Wäre unser einzigartiges Kind wie jedes andere gewesen, hätten wir vielleicht nie erfahren, wie tief wir lieben, wie bitterlich wir weinen und wie heftig wir kämpfen können. Während wir uns bemühen, das Potenzial unserer Kinder zu maximieren, maximieren sie unser eigenes. Wir haben vielleicht nicht das Kind bekommen, das wir erwartet haben. Aber sie machen uns zu Champions und Cheerleadern, von denen wir nie dachten, dass wir sie sein könnten.
Bildquelle: https://unsplash.com/photos/GM5Yn5XRVqA