Früher wiesen westliche „Stillexperten und -expertinnen“ Eltern oft an, ihre Babys in regelmäßigen Abständen von 3 oder 4 Stunden zu stillen. Heute stehen die offiziellen medizinischen Empfehlungen zugunsten der Entscheidungsfreiheit der Babys. Warum dieser Wandel?
Es gibt eine Reihe von Gründen, doch die einfachste Antwort ist diese: Lassen wir Babys den Zeitpunkt und die Dauer des Stillens bestimmen, bekommen sie mit größerer Wahrscheinlichkeit die Nährstoffe, welche sie brauchen: Nicht zu wenig, und nicht zu viel.
Das beginnt schon während sie noch Neugeborene sind. Stillt man Neugeborene nicht häufig genug, besteht ein höheres Risiko für Austrocknung und Mangelernährung. Die AAP (American Academy of Pediatrics) rät Eltern daher, Babys mindestens alle zwei bis drei Stunden zu stillen – immer dann, wenn sie Anzeichen von Hunger zeigen.
In den folgenden Monaten können Babys längere Pausen zwischen den Mahlzeiten machen. Aber das Stillen nach Verlangen ist nach wie vor der beste Weg.
- Es hilft gestillten Babys, sich an die Schwankungen in der Milchqualität anzupassen.
- Bei Babys, die mit dem Fläschchen gefüttert werden, kann es helfen, eine Überfütterung zu vermeiden.
- Außerdem kann es jedem Baby dabei helfen, während eines Wachstumsschubs genug zu sich zu nehmen.
Alle Babys haben einen unterschiedlichen Energiebedarf. Das Stillen auf Verlangen macht es den Babys einfacher, ihre Nahrungsaufnahme je nach Bedarf zu erhöhen oder zu reduzieren.
Deshalb ist das Stillen auf Verlangen vermutlich mit einem gesünderen Wachstum von Babys verbunden.
Doch das ist noch nicht alles. Studien deuten darauf hin, dass das Stillen auf Verlangen noch weitere Vorteile für Babys mit sich bringt. Es könnte die emotionale Entwicklung des Babys beeinflussen. Es könnte bessere kognitive Leistungen unterstützen.
Es scheint also, dass der beste Zeitplan für das Füttern von Babys der ist, den sie selbst bestimmen.
Doch welche Beweise gibt es? Sehen wir es uns doch einmal genauer an.
Der Zeitplan des Stillens aus Sicht der Evolution
Alle Jungen von Säugetieren ernähren sich zu Beginn ihres Lebens von Milch. Aber sie stillen nicht alle auf dieselbe Weise. Bei einigen Arten „parken“ oder „verstecken“ die Mütter ihre Jungen in Nestern und lassen sie dort.
Diese Strategie ermöglicht es der Mutter, auf Nahrungssuche zu gehen, ohne dass ein Baby dabei sein muss. Aber das funktioniert nur, wenn es eine Möglichkeit gibt, die Babys vor dem Verhungern zu schützen, während sie so lange voneinander getrennt sind. Wie schaffen sie das?
Die Lösung ist zweigeteilt.
1. Die Mütter produzieren fett- und eiweißreiche Milch, die wir als Supernahrung bezeichnen könnten.
2. Babys haben die Fähigkeit, sehr schnell und effektiv zu trinken, sobald sie an der Reihe sind.
So können sie Nahrung in sehr konzentrierter Form „tanken“ – genug, um viele Stunden durchzuhalten.
Säugetiere, die diese Strategie verfolgen, nennt man „spaced feeders“, und ihre Milch ist ausgesprochen nährstoffreich.
Ein gutes Beispiel für ein solches Säugetier ist das Kaninchen, das Milch mit 18,3 % Fett und 13,9 % Eiweiß produziert.
Im Gegensatz dazu nehmen andere Säugetiere ihre Jungen mit auf die Nahrungssuche. Wie genau sie das tun, ist von Gattung zu Gattung unterschiedlich. Manche, wie die Affen, tragen ihre Jungen. Bei anderen, wie den Kühen, folgen die Jungen ihnen zu Fuß.
Auf jeden Fall bleiben die Jungen in ihrer Nähe, und mit der Nähe kommen auch häufige Mahlzeiten. Die Jungen neigen dazu, das Stillen einzuleiten und in einem gemächlichen Tempo zu saugen. Sie müssen keine Supernahrung tanken, und deshalb stellen ihre Mütter auch keine her. Die Milch hat weniger Kalorien und ist verdünnt.
Ein gutes Beispiel dafür ist die Kuh, deren Milch normalerweise 3,7 % Fett und 3,4 % Eiweiß enthält.
Wie sieht es beim Menschen aus?
In einigen modernen, industriellen Gesellschaften verhalten sich Menschen wie „Spaced Feeders“. Babys werden in Krippen oder Wiegen gelegt und in Abständen von 3-4 Stunden gestillt.
Doch sind wir für diese Strategie ausgelegt? Zeigt die Biologie des Menschen beim Stillen die Anzeichen für das Stillen im Intervall?
Die Antwort lautet nein, denn
- die Muttermilch enthält relativ wenig Fett (3,8 %) und Eiweiß (1 %), und
- menschliche Babys trinken in einem langsamen Tempo, wie es für kontinuierliche Ernährung typisch ist.
Die grundlegende Physiologie des Menschen zeigt uns also den Weg. Wir erzeugen keine Supernahrung, und unseren Babys fehlt die Fähigkeit, sehr schnell zu trinken. Das deckt sich auch mit dem Verhalten anderer ferner Vorfahren. Bei genetisch verwandten Spezies – wie Bonobos, Schimpansen und Gorillas – ist kontinuierliches Stillen die Strategie der Wahl.
Diese Strategie wird auch bei Menschen beobachtet, die in traditionellen Gesellschaften leben.
In Jäger- und Sammler-Gesellschaften stillen Mütter ihre Babys auf Verlangen. Sie werden auch sehr häufig gestillt – etwa 2-4 Mal pro Stunde.
In anderen traditionellen Gesellschaften halten die Eltern dieses extreme Tempo nicht ein, aber das Stillen wird trotzdem von den Babys gesteuert.
Bei einer Untersuchung von nicht-industriellen Völkern (darunter nomadische Hirtenvölker und sesshafte Agrarvölker) stellten Anthropologen fest, dass das „Füttern auf Verlangen“ die Regel ist. In jeder Gesellschaft, für die Informationen über den Zeitplan der Säuglingsfütterung verfügbar waren (25 von 25), stillten die Menschen ihre Babys auf Verlangen.
Das ist also unsere grundlegende Physiologie und unser evolutionäres Erbe. Aber wie wichtig ist das? Ist das etwas, das wir überwinden können?
Wäre es nicht möglich, Babys mit einem strikten Stillplan genauso glücklich und gesund zu halten? Vielleicht müssen wir nur das Timing der Fütterung anpassen.
Das klingt einfach, doch es gibt einige Hindernisse:
Babys haben unterschiedliche Bedürfnisse – von Baby zu Baby und Tag zu Tag
Jedes Baby hat andere Bedürfnisse, und auch bei ein und demselben Baby schwankt der Energiebedarf im Laufe der Zeit.
Was passiert, wenn dein Baby den Drang verspürt, sich mehr zu bewegen, und mehr Nahrung braucht, um seine Aktivitäten zu unterstützen?
Was ist, wenn dein Baby mehr Trinken muss, weil ihm heiß ist oder weil es sich einen Virus eingefangen hat?
Und wenn dein Baby mitten in einem Wachstumsschub steckt?
Du musst nicht nur einen Zeitplan erstellen, der auf die aktuellen Bedürfnisse deines Babys abgestimmt ist. Du brauchst auch einen Zeitplan, der sich immer wieder an die zukünftigen Bedürfnisse deines Babys anpasst.
Das ist ziemlich schwierig, wenn du nicht auf dein Baby achtest und ihm Mahlzeiten anbietest, wenn du Anzeichen von Hunger bemerkst. Tust du das, dann hältst du dich nicht an einen strikten Zeitplan für das Stillen deines Babys. Definitionsgemäß stillst du auf Verlangen.
Außerdem ist der Bedarf des Babys an Nahrung und Flüssigkeit nur ein Teil der Gleichung – die Bedarfsseite. Es gibt auch noch die Versorgungsseite der Gleichung. Wenn dein Baby Säuglingsmilch trinkt, ist es leicht herauszufinden, wie viele Nährstoffe dein Baby erhält. Du kannst das Etikett lesen und weißt, dass dein Baby von einer Stillmahlzeit zur nächsten die gleiche Rezeptur erhält.
Doch bei Muttermilch ist das nicht so. Muttermilch ist bei jeder Frau in etwa gleich zusammengesetzt, aber es gibt erhebliche Unterschiede. Muttermilch ist nicht nur von Person zu Person unterschiedlich. Sie variiert auch an verschiedenen Zeitpunkten, obwohl ein und dieselben Frau sie produziert.
Unterschiede im Kaloriengehalt bei Muttermilch
Als Shelly Hester und ihre Kolleginnen und Kollegen 22 veröffentlichte Studien über den Energiegehalt von Muttermilch analysierten, konnten die Forscherinnen und Forscher den Kaloriengehalt pro Portion ermitteln: Etwa 65 Kalorien pro 100 Milliliter (mL) Muttermilch.
Aber Moment mal. Diese Schätzung ist der Durchschnitt für Milch, die zwischen 2 und 6 Wochen nach der Geburt produziert wurde.
Milch, davor hat einen wesentlich geringeren Kaloriengehalt. Kolostrum, die Milch, die Mütter in den ersten Tagen nach der Geburt produzieren, hat nur etwa 53 Kalorien pro 100 Milliliter. Zwischen dem 6. und 14. Tag nach der Geburt steigt die Kaloriendichte leicht an und liegt bei durchschnittlich 58 Kalorien pro 100 ml.
Und die Milch, die später – etwa 6 Wochen nach der Geburt – produziert wird, nimmt mit der Zeit an Kaloriengehalt zu. Das liegt daran, dass der Fettgehalt der Muttermilch tendenziell zunimmt, je länger eine Frau stillt.
Als Forscher/innen stillende Mütter über einen längeren Zeitraum verfolgten, stellten sie fest, dass der Fettgehalt der Muttermilch nach 6 Monaten höher ist als nach 3 Monaten.
Das sind schon eine Menge Unterschiede, aber wir kratzen erst an der Oberfläche, denn die verschiedene Mütter unterscheiden sich erheblich im Energiegehalt ihrer Milch. Studien zeigen, dass der Fettgehalt der Milch sehr unterschiedlich sein kann – von 2 Gramm pro 100 ml bis zu 5 Gramm pro 100 ml.
Weitere Studien haben einige der Ursachen für diese Schwankungen ermittelt: Ernährung, Body-Mass-Index, Alter der Mutter, sozialer Status und sogar das Rauchen stehen mit Unterschieden im Fettgehalt der Muttermilch in Verbindung.
Es sollte uns also nicht überraschen, dass es keine „Einheitsgröße“ gibt, die für alle Babys gleich gut geeignet ist. Babys haben unterschiedliche Bedürfnisse, und verschiedene gestillte Babys können sehr unterschiedliche Arten von Muttermilch bekommen. Manche bekommen eine überdurchschnittlich reichhaltige Milch. Andere bekommen Milch, die viel fettärmer ist.
Da Babys nur so viel trinken können, bis sie satt sind, hat der Fettgehalt der Milch einen erheblichen Einfluss auf die Kalorienmenge, die sie bei jeder Stillmahlzeit erhalten. Manche Babys müssen häufiger trinken als andere, einfach weil ihre Milch weniger Kalorien pro Portion enthält.
Genauso wichtig ist, dass die Qualität der Milch einer Mutter von Tag zu Tag und sogar von Stunde zu Stunde schwanken kann. Es ist also möglich, dass ein Baby, das an einem Tag sehr gut gestillt werden kann, an einem anderen Tag unzufrieden ist.
Zu guter Letzt sei noch erwähnt, dass sich die Milchqualität im Laufe des Stillens verändert.
Zu Beginn des Stillens, wenn die Brust voll ist, ist die austretende Milch relativ verdünnt und enthält wenig Fett. Im weiteren Verlauf der Stillzeit wird die Brust weicher und leerer und die Zusammensetzung der Milch ändert sich. Die Vormilch weicht einer konzentrierteren, fettreicheren Nachmilch – von der selben Brust produziert doch später im Verlauf des Stillens freigesetzt. Die Vormilch sieht wässrig und bläulich aus. Beendet ein Erwachsener das Stillen zu früh oder zwingt er sein Baby, die Brust zu früh zu wechseln, fehlt dem Baby die Nachmilch. Dadurch wird das Baby von einer kalorienarmen Mahlzeit satt und muss häufiger trinken, um die nötige Energie zu erhalten.
Außerdem besteht ein höheres Risiko für Beschwerden, die mit dem Konsum von minderwertiger Milch zusammenhängen. Der Stillexperte Michael Woolridge (MD und PhD) hat darauf hingewiesen, dass fettarme Milch bei Babys zu Koliken, Erbrechen, Durchfall und Blähungen führen kann.
Was ist mit Säuglingen, die Säuglingsmilch trinken? Sollten wir sie nicht einschränken, damit sie nicht überernährt werden?
Du hast vielleicht schon von Studien gehört, die einen Zusammenhang zwischen Säuglingsmilch und dem schnellen Wachstum und erhöhten Risiko für Fettleibigkeit bei Kindern herstellen. Viele Studien bestätigen diese Zusammenhänge und geben Anlass zur Sorge. Warum neigen Babys, die mit Säuglingsmilch gefüttert werden, eher zu Übergewicht?
Eine Antwort ist, dass die Säuglingsmilch für manche Babys zu energiereich ist. Es scheint aber auch, dass die Art der Ernährung – das Trinken aus der Flasche – eine wichtige Rolle spielt.
In einer Studie mit 1250 amerikanischen Babys fanden Forscher und Forscherinnen heraus, dass die Ernährung mit dem Fläschchen in der frühen Kindheit mit der Neigung verbunden war, alles zu essen, was angeboten wurde, unabhängig davon, ob die Babys Säuglingsmilch oder Muttermilch erhielten.
Je häufiger Babys in den ersten 6 Monaten aus der Flasche tranken, desto wahrscheinlicher war es, dass sie später viel essen würden. Als Kleinkinder leerten sie mit größerer Wahrscheinlichkeit jede Flasche oder jeden Becher, der ihnen gegeben wurde, vollständig.
Eine kleine Studie aus dem Vereinigten Königreich liefert ähnliche Ergebnisse.
Wir wissen aber, dass Babys Milch schneller aus der Flasche trinken können als von der Brust.
Möglicherweise führt das schnelle Tempo dazu, dass die Babys während des Trinkens mehr zu sich nehmen, so dass sie sich daran gewöhnen, größere Mahlzeiten zu sich zu nehmen.
Egal, was der Grund dafür ist, es stellt sich die Frage: Sollte man deshalb nicht einen Zeitplan für das Stillen von Babys aufstellen? Sind Babys, die mit der Flasche gefüttert werden, nicht besser dran, wenn wir den Zeitpunkt ihrer Mahlzeiten einschränken?
Die Beweislage spricht dagegen.
So zeigen zum Beispiel Forschungsergebnisse, dass Babys auf das innere Verlangen nach Hunger und Sättigung reagieren. Sowohl gestillte als auch mit Säuglingsmilch ernährte Babys passen ihre Nahrungsaufnahme an den Kaloriengehalt der Milch oder der Säuglingsnahrung an, wenn sie nach Bedarf trinken dürfen.
Und als Forscher/innen die Entwicklung von Babys über eine längere Zeit verfolgten, fanden sie nicht heraus, dass Einschränkungen beim Stillen – einschließlich zeitlich festgelegter Stillzeiten – das Risiko, dass ein Kind übergewichtig wird, verringern. Das Gegenteil ist der Fall.
In einer Studie fanden die Forscher/innen heraus, dass das zeitlich festgelegte Stillen ein Risikofaktor für eine schnelle Gewichtszunahme ist. Und generell deuten die Studien darauf hin, dass eine strenge Ernährung eher zu einer hohen Gewichtszunahme führt als ein Stillen auf Verlangen. Diese Beobachtung deckt sich mit Studien an älteren Kindern.
Es scheint, dass aufdringliche, strenge Regeln für das Essen die Entwicklung der Selbstkontrolle beeinträchtigen können. Sie können sogar die Neigung eines Kindes zu emotionaler Überernährung verstärken und zu übermäßiger Gewichtszunahme führen.
Forscher/innen vermuten daher, dass Einschränkungen – wie ein strenger Zeitplan für das Stillen von Babys – kontraproduktiv sind, um Fettleibigkeit zu verhindern.
Kinder könnten lernen, ihr eigenes Hungergefühl zu ignorieren und auf soziale Signale („Es ist Zeit!“) oder Emotionen („Mir wurde etwas verweigert – jetzt ist es an der Zeit, das wiedergutzumachen“) hin zu essen. Wenn wir Babys erlauben, selbstbestimmt zu trinken, können wir ihnen helfen, ein gesünderes Verhältnis zur Ernährung zu entwickeln.
Weitere Überlegungen: Wirkt sich ein Zeitplan für Babys nicht nur auf die Ernährung und die Energieregulierung aus?
Das ist eine interessante Frage.
Von Geburt an sind Babys verzweifelt, wenn ihre Signale von Hunger ignoriert werden. Studien zeigen, dass kurze Stillzeiten Neugeborenen helfen können, sich zu entspannen und Stress abzubauen. Neugeborene weinen weniger und zeigen weniger Anzeichen von Schmerzen, wenn sie kleine Mengen Milch, Säuglingsmilch oder Saccharose erhalten. Das Nuckeln selbst wirkt schmerzlindernd. Das Stillen kann schmerzlindernd und stressreduzierend wirken.
In einer Studie weinten Neugeborene, die sich einer schmerzhaften Blutabnahme unterziehen mussten, viel weniger, wenn sie gestillt wurden. Sie weinten nur 4 % der Gesamtzeit des Eingriffs, während es bei den Babys einer Kontrollgruppe 43 % waren. Babys, die während des Vorgangs gestillt wurden, schnitten auch deutlich seltener Grimassen (8 % gegenüber 50 %), und ihre Herzfrequenz stieg weniger stark an (6 Herzschläge pro Minute im Vergleich zu 29 Herzschlägen).
Möglicherweise sind einige dieser Differenzen auf den zusätzlichen Hautkontakt zurückzuführen, den gestillte Babys hatten. In einer Folgestudie bestätigten die Forscher/innen jedoch, dass Stillen beruhigender ist als Hautkontakt allein. Und die Forscher/innen stellten fest, dass Babys, die im Arm gehalten wurden, ohne gestillt zu werden, eher frustriert waren und wesentlich länger brauchten, sich zu beruhigen.
Was geschieht also mit einem Baby, das feststellt, dass seine Signale für rasche Beruhigung routinemäßig missachtet werden?
Ich habe zwar keine Studien gefunden, die sich direkt mit dieser Frage befassen, aber es gibt Hinweise darauf, dass eine liebevolle Betreuung mit der Entwicklung besserer Stressregulierung einhergeht – selbst bei sehr reizbaren, „gefährdeten“ Babys. Außerdem deuten verschiedene Studien an, dass eine einfühlsame, liebevolle Erziehung zu einer sicheren Verbundenheit und einer besseren Entwicklung des Kindes beiträgt.
Zudem gibt es faszinierende Forschungsergebnisse zur kognitiven Entwicklung.
Im Rahmen der vielleicht größten Studie, die bisher durchgeführt wurde, um die Auswirkungen des Stillens auf das Baby zu untersuchen, beobachteten Maria Iacovou und Almudena Sevilla (2013) die Entwicklung von mehr als 10.000 britischen Kindern – sowohl gestillte als auch mit der Flasche gefütterte – von der Geburt bis zu ihrem 14. Geburtstag.
Es wurden keine Manipulationen vorgenommen. Die Forscher/innen zeichneten lediglich auf, ob die Babys planmäßig oder „nach Bedarf“ gefüttert wurden, und verfolgten dann ihre kognitiven und akademischen Fortschritte. Und das Ergebnis? Sie favorisierten das Füttern „auf Verlangen“.
In jedem Alter schnitten Kinder, die nach einem bestimmten Zeitplan gefüttert wurden, bei standardisierten Tests schlechter ab. Zudem lag ihr IQ im Durchschnitt um 4,5 Punkte niedriger.
Der Zusammenhang ist natürlich kein Beweis für die Ursache, und dies ist nur eine Studie. Sie muss wiederholt werden.
Interessanterweise blieben die Ergebnisse der Studie auch dann noch weitgehend unverändert, wenn die Forscherinnen und Forscher eine Reihe potenzieller Variablen berücksichtigten, z. B. das Bildungsniveau der Eltern, wirtschaftliche Faktoren, den gesundheitlichen Zustand, das Stillen, das Rauchen der Mütter und schlechte Erziehungsmaßnahmen, denen die Kinder ausgesetzt waren.
Es gab keinen ersichtlichen Grund für den Unterschied zwischen den Gruppen. Der Unterschied lag zwischen dem Stillen auf Verlangen und dem Befolgen eines Baby-Fütterungsplans.
Zusammenfassung: Zeitplan fürs Stillen
Genau wie in der Wissenschaft gibt es auch hier noch viel zu lernen. Wir verstehen noch nicht alle Bestandteile der Muttermilch oder warum sich ihre Zusammensetzung mit der Zeit verändert.
Auch die Ursachen für das erhöhte Risiko von Fettleibigkeit bei Säuglingen, die mit Säuglingsmilch oder mit dem Fläschchen gefüttert werden, sind noch nicht vollständig geklärt.
Außerdem ist noch nicht klar, wie sich ein Zeitplan für das Stillen von Babys langfristig auswirken kann. Wir benötigen vor allem mehr Forschung über die möglichen Auswirkungen eines Stillplans auf die Stressregulierung und die kognitive Entwicklung von Babys.
Wir wissen jedoch, dass der Mensch die Eigenschaften von kontinuierlichen Stillern aufweist und dass relativ häufiges Trinken nach Bedarf die historische und evolutionäre Norm für unsere Spezies war.
Es ist auch klar, dass Muttermilch in ihrer Zusammensetzung und Kaloriendichte stark variieren kann, so dass es für Babys von Vorteil ist, wenn sie den Zeitpunkt ihrer Mahlzeiten selbst bestimmen können.
Und alle Babys – egal ob sie Muttermilch oder Säuglingsmilch zu sich nehmen – haben einen wechselnden Bedarf an Flüssigkeit und Energie. Reagieren wir auf ihr Verlangen und ihren Durst, ist es wahrscheinlicher, dass wir diese Bedürfnisse zufriedenstellen können.
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