Manchmal enttäuschen uns unsere Kinder. Sie machen Fehler, benehmen sich schlecht oder entsprechen nicht unseren Ansprüchen. Wie gehst du mit diesen Enttäuschungen um?
Vielleicht sagst du deinen Kindern ganz offen, wie du dich fühlst. „Ich bin enttäuscht von dir.“
Doch Experimente zeigen, dass dies nicht die beste Herangehensweise ist.
Das Problem ist, dass Kritik als ein Verurteilen der eigenen Defizite aufgefasst werden kann. Wenn Kinder Aussagen wie „Du bist so faul“ oder „Ich bin enttäuscht von dir“ hören, können sie sich das zu Herzen nehmen. Sie schließen daraus, dass sie von Natur aus schlecht sind und fühlen sich machtlos, etwas zu ändern. Sie machen keine Anstrengungen, um aus ihren Fehlverhalten zu lernen oder sich zu bessern.
Es ist hilfreicher, sich auf das Verhalten des Kindes zu beziehen – „du benimmst dich faul“ statt „du bist faul“.
Kinder ermutigen verringert Fehlverhalten
Der beste Weg, um Ergebnisse zu erzielen? Das Verhalten zu verbessern? Die Kinder dazu zu ermutigen, sich zu verbessern?
Jahrzehntelange Studien weisen in dieselbe Richtung. Kinder werden sich eher verbessern, wenn wir das, was sie richtig gemacht haben, belohnen, anstatt das, was sie falsch gemacht haben, zu bestrafen.
Studien haben gezeigt, dass die richtige Art des Lobs, für die Bemühungen, Herangehensweisen oder guten Handlungen eines Kindes, dieses dazu anspornen kann weiterzumachen.
Diese Art von Lob wird als „Entwicklungslob“ bezeichnet und steht in Zusammenhang mit dem schulischen Erfolg von Kindern. In einer aktuellen Studie fanden Forscher/innen heraus, dass Kleinkinder, die viel ermutigendes Lob erhielten, als Viertklässler mit höherer Wahrscheinlichkeit gute Leistungen in Mathematik erzielten.
Doch was tun, wenn dein Kind Fehlverhalten zeigt?
Beschäme dein Kind nicht, wenn du es mit einem Fehler konfrontieren musst. Ermutige dein Kind stattdessen, einen Weg zu finden, das Problem zu lösen. Ermuntere dein Kind dazu, sich Lösungen auszudenken.
Der Beweis dafür stammt aus einem faszinierenden Experiment, das mit Kindergartenkindern durchgeführt wurde.
„Fällt dir eine bessere Lösung ein?“
Wie wir nachfolgend sehen werden, könnten dies die entscheidenden Worte sein.
Was passiert, wenn wir kleine Kinder zurechtweisen?
Melissa Kamins und Carol Dweck (1999) wollten das herausfinden und zeigten 67 Kindergartenkindern einige Rollenspiele. Jedes Szenario war eine Geschichte über Fehlschläge und das Feedback einer Lehrkraft, wobei der Zuhörer oder die Zuhörerin die Hauptrolle spielte.
Hier ist ein Beispiel.
Du spielst mit Legos. Die Lehrerin, Frau König, kommt zu dir und fragt: “ Magst du mir ein schönes Haus aus diesen Legosteinen bauen?“
Du sagst: „Gerne, Frau König.“ Also arbeitest du wirklich fleißig und versuchst, ein schönes Haus für die Lehrerin zu bauen. Du fügst die Legosteine zu vier Wänden zusammen und baust dann ein Dach drauf.
Als du das Haus betrachtest, denkst du dir: „Oh, ich habe vergessen, Fenster einzubauen“, aber du möchtest es Frau König schenken, also sagst du: „Frau Lehrerin, ich habe ein Haus für Sie gebaut!“ Die Lehrerin sieht sich dein Haus an und sagt: „Das Haus hat keine Fenster.“
Das Stück endete auf eine von vier Arten.
- In der Kontrollbedingung gab es keine weitere Aktion. Die Lehrkraft hat das Fehlen der Fenster bemerkt und keine weitere Aussage gemacht.
- In der Bedingung „Personenbezogene Kritik“ endete die Geschichte mit der Missbilligung der Lehrkraft. Sie äußerte mehrere Kritikpunkte und schloss mit den Worten „Ich bin enttäuscht von dir“.
- Bei der Kritik an der Leistung konzentrierte sich die Lehrerin auf die Leistung und nicht auf das Kind. „Das ist nicht die richtige Arbeitsweise.“
- Bei der Kritik am Prozess stellte die Lehrkraft lediglich den Fehler fest („Die Klötze sind alle schief und in einem großen Durcheinander“) und forderte das Kind dann auf, über Alternativen nachzudenken: „Vielleicht fällt dir eine Möglichkeit ein, wie du es besser machen kannst.“
Nach der Geschichte stellten die Interviewer den Kindern eine Reihe von Fragen, z. B.:
- Wie hast du dich während der Geschichte gefühlt?
- Fühltest du dich durch die Geschichte wie ein gutes Mädchen oder wie ein schlechtes Mädchen?
- Hast du dich durch die Geschichte klug oder dumm gefühlt?
Die Kinder wurden auch auf ihr Durchhaltevermögen geprüft. Die Interviewer baten die Kinder, sich eine eigene Fortsetzung des Szenarios auszudenken. Was könnte das Kind in der Geschichte als nächstes tun?
Die Kinder wurden auch gefragt: „Möchtest du das Lego-Haus noch einmal bauen oder lieber etwas anderes machen?
Die Reaktion der Kinder auf verschiedene Arten von Feedback
Die Ergebnisse waren ziemlich eindeutig.
Kinder, die Kritik an ihrer Person erhielten („Ich bin enttäuscht von dir“), waren eher der Meinung, dass sie die im Szenario dargestellte Fähigkeit nicht gut beherrschten.
Sie fühlten sich schlechter und gaben häufiger auf, ohne das Problem zu lösen.
Bessere Ansätze?
Sowohl Feedback zum Ergebnis („Das ist nicht der richtige Weg“) als auch Feedback zum Prozess („Vielleicht fällt dir ein besserer Weg ein“) waren mit mehr Durchhaltevermögen verbunden.
Und die Kinder, die Feedback zum Prozess erhalten hatten, schätzten ihre Fähigkeiten am optimistischsten ein. Im Vergleich zu den Kindern in der Gruppe, die Kritik an der Person erhielten, fühlten sie sich seltener ungeschickt.
Was können wir daraus für unsere Erziehung lernen?
Bei diesen Experimenten ging es natürlich um die Anstrengungen der Kinder in der Architektur, nicht um Verhaltensschwierigkeiten. Können wir das Prinzip des Feedbacks von Prozessen auf die Arten von schlechtem Benehmen anwenden, mit denen Eltern normalerweise zu kämpfen haben?
Ich denke schon, aber wir müssen folgendes im Hinterkopf behalten. Kinder geraten oft wegen Dingen in Schwierigkeiten, die sie noch nicht ganz verstehen. Sie greifen zu Aggression, um einen Konflikt zu lösen. Oder missachten Regeln, die wir für sie aufgestellt haben. Oder verhalten sich anderweitig störend.
Es reicht nicht aus, sie nach einer „anderen Lösung“ zu fragen. Wir müssen ihnen helfen, herauszufinden, welche Lösungsmöglichkeiten es gibt.
So ist es zum Beispiel wichtig, mit kleinen Kindern darüber zu sprechen, wie sie durch ihr Verhalten andere Menschen beeinflussen. Kleine Kinder entwickeln noch ihre Fähigkeit, Perspektiven einzunehmen. Sie können nicht immer vorhersehen, wie andere Menschen reagieren, und sie wissen nicht immer, wie sie andere Menschen aufmuntern können.
Wir können Kinder dabei unterstützen, die verschiedenen Wege zu erkennen, indem wir sie bezüglich Gefühlen coachen.
Und was ist mit Scham? Ist das wirklich immer eine schlechte Idee?
Wie wir gesehen haben, ging es in den Experimenten von Kamins und Dweck nicht um Kinder, die respektlos, egoistisch oder bewusst zerstörerisch sind. Könnten in solchen Fällen die Worte „Ich bin enttäuscht von dir“ eine positive Wirkung haben? Würden sich die Kinder dann nicht schämen und motiviert werden, sich besser zu verhalten?
Die Beweise sprechen dagegen.
Wir fühlen uns sehr bedroht, wenn wir gedemütigt werden. Das kann dazu führen, dass wir wütend und nachtragend werden oder versuchen, die Verantwortung für unser Handeln zu bestreiten.
Und wie wir bei dem Experiment mit Kindergartenkindern gesehen haben, kann Scham dazu führen, dass Kinder sich unfähig fühlen, etwas zu ändern. Ich bin einfach ein schlechter Mensch. Dagegen kann ich nichts tun.
Hinzu kommen die Probleme, die durch die öffentliche Beschämung von Kindern entstehen. Es ist eine Sache, einem Kind diskret mitzuteilen, dass du mit seinem Verhalten unzufrieden bist. Ihre Unzulänglichkeiten der ganzen Welt mitzuteilen, ist eine andere.
Studien mit jungen Grundschülern haben ergeben, dass Kinder Gleichaltrige häufiger ablehnen, wenn sie den Eindruck haben, dass diese in schlechteren Schüler-Lehrer-Beziehungen stehen.
Wenn Schüler/innen als inkompetent oder schlecht erzogen abgestempelt werden, erhalten sie weniger Akzeptanz von den anderen Kindern in der Klasse.
Das ist selbstverständlich schlecht, und zwar nicht nur, weil sich die Kinder dadurch ausgeschlossen fühlen. Kinder, die sich von Gleichaltrigen abgelehnt fühlen, sind weniger motiviert in der Schule, was wiederum zu einer Abwärtsspirale aus schlechten Leistungen, zunehmenden Verhaltensproblemen und noch mehr sozialer Ablehnung führen kann.
Bedeutet das, dass wir nicht mit Kindern über die Konsequenzen ihres schlechten Verhaltens sprechen sollten?
Nein, natürlich nicht. Psychologen unterscheiden zwischen Schamgefühlen und Gewissensbissen. Gewissensbisse bringen uns dazu, uns auf die Menschen zu konzentrieren, denen wir geschadet haben. Sie ermutigen uns, Dinge wieder gut zu machen. Alles in Ordnung zu bringen. Im Grunde genommen ist es ein konstruktives soziales Gefühl. Es ist unser schlechtes Gewissen, das uns ermutigt, uns zu bessern.
Sollten wir also erklären, dass ihre Missetaten inakzeptabel sind? Ja. Sollten wir die Kinder auffordern, auf die Gefühle ihrer Opfer Rücksicht zu nehmen? Ja. Einfühlungsvermögen ist ein wichtiger Bestandteil der moralischen Entwicklung. Aber wir können diese Dinge tun, ohne dass sich die Kinder hoffnungslos oder gedemütigt fühlen.
Kritik ist nicht der einzige Weg, Kindern das Gefühl zu geben, dass sie ihren Fehlern hilflos ausgeliefert sind.
Eine andere Möglichkeit ist, Kinder mit der falschen Art von Lob zu überhäufen. Die Forschung zeigt, dass allgemeines Lob („Du bist so klug!“) Kinder zu der Überzeugung bringen kann, dass Intelligenz eine angeborene, unveränderliche Eigenschaft ist und dass die Leistung von Umständen abhängt, auf die man keinen Einfluss hat. Wenn diese Kinder dann scheitern, geben sie schnell auf. Kinder können auch die Lust verlieren, wenn sie das Gefühl haben, dass das Lob unaufrichtig oder unverdient ist.
Bildquelle: https://www.freepik.com/free-photo/mother-scolding-her-daughter-living-room_1008967.htm