Wie lernen Kinder das Geheimnis guter Kommunikation? Das ist gar nicht so einfach, denn die Welt ist voll von Missverständnissen und missverständlichen Botschaften. Viel zu oft tauschen Menschen einfach nur Informationen aus, ohne einander wirklich zuzuhören.
In den vergangenen Jahren haben Forscher/innen begonnen, im Gehirn nach Antworten zu suchen. Sie haben bestätigt, dass gute Kommunikatoren nicht nur Worte austauschen, sondern auch die Gehirnaktivität des jeweils anderen widerspiegeln. Für Babys spielen dabei auch non-verbale Informationen eine wichtige Rolle: Unser Augenkontakt könnte ein Signal sein, das Babys zum Lernen anregt.
Hier die Details – was Forscher/innen über das Zuhören, die abgestimmten Gehirnaktivitäten und das Sprechen mit Babys herausgefunden haben.
Mit moderner Technik ins Gehirn blicken
Wir können den Kopf eines Menschen nicht öffnen und seine Gedanken beobachten. Aber die Technologie zum Scannen des Gehirns erlaubt es uns, hilfreiche Schlüsse zu ziehen.
Wir wissen zum Beispiel, dass benachbarte Neuronen gemeinsam feuern, wenn sie an einer gemeinsamen Aufgabe arbeiten und dass diese gemeinsamen Zündungen Gehirnwellen erzeugen. Wenn du eine Kappe mit Elektroden trägst, können Forscherinnen und Forscher diese Gehirnströme in einem EEG (Elektroenzephalogramm) aufzeichnen. Je nachdem, was dein Gehirn gerade macht, entstehen unterschiedliche EEG-Muster.
Alternativ können wir auch eine andere Methode anwenden, die fMRI (funktionelle Magnetresonanztomographie). Sie ermöglicht es uns, Muster der Gehirnaktivität zu erkennen, indem wir den Blutstrom im Gehirn verfolgen.
Für welche Methode wir uns auch entscheiden, das Spannende daran ist, dass wir damit die Kommunikation zwischen verschiedenen Gehirnen untersuchen können.
Wenn ich dir zum Beispiel eine Geschichte erzähle und du aufmerksam zuhörst, spiegeln sich deine Gehirnaktivitäten in meinen wieder. Normalerweise geschieht das nach einer kurzen Verzögerung (weil du erst einmal hören und verarbeiten musst, was ich sage). Doch manchmal geht die Widerspiegelung auch in die andere Richtung. Du zeigst ein ausgeprägtes Gehirnmuster, bevor ich es tue – so als wärst du so sehr auf meine Geschichte eingestimmt, dass du vorhersagen kannst, welche Worte ich als nächstes aussprechen werde.
Wie können wir sicher sein, dass diese Angleichung das Ergebnis von Kommunikation ist? Es scheint, dass diese Übereinstimmung nur bei erfolgreicher Kommunikation auftritt.
Nach einer Märchenstunde führten Greg Stephens und seine Kollegen Befragungen mit den Zuhörern durch, um ihr Verständnis zu testen. Diejenigen, die gut zuhörten, waren die Personen, die während der Erzählung eine übereinstimmende Gehirnaktivität hatten.
Diejenigen, die nicht gut zuhörten, waren diejenigen, deren fMRI-Aktivitäten nicht mit denen des Geschichtenerzählers übereinstimmten.
Und diese vorausschauenden Gehirnströme? Je mehr davon ein Zuhörer erlebte, desto besser schnitt er im Verständnistest ab.
Die Gehirnforschung bietet uns also einen spannenden neuen Ansatz für die Untersuchung von Kommunikation. Wenn wir uns gegenseitig Botschaften senden, aktivieren Sender und Empfänger ihre Gehirne auf ähnliche Weise. Einige dieser Strukturen, die zum Verschlüsseln einer Botschaft erforderlich sind, werden auch zum Entschlüsseln der Nachricht verwendet. Je mehr wir uns aufeinander einstimmen, desto ähnlicher wird unsere Gehirnaktivität.
Aber wie sieht es bei Babys aus? Wie ist ihre Gehirnaktivität? Haben auch sie die Fähigkeit des Spiegelns?
Das ist eine besonders interessante Frage, weil Babys gerade erst anfangen, Sprachen zu lernen. Wir können also nicht erwarten, dass sie viele unserer Wörter verstehen. Wir können ihr Sprachverständnis nicht testen, indem wir sie bitten, uns zu sagen, was wir gesagt haben. Aber wir wissen, dass sie lernen, zu kommunizieren – sie lernen, auf die Dinge zu achten, die wir anschauen, sie lernen, sich mit uns durch Blickkontakt in Kontakt zu setzen, sie lernen, unsere emotionalen Beweggründe zu deuten, sie lernen, das Wesentliche unserer Botschaften zu verstehen.
Gespräche mit Babys: Spiegeln sie unsere Hirnströme wider?
Victoria Leong und ihre Kolleginnen und Kollegen von der University of Cambridge wollten das Phänomen des Spiegelns bei Säuglingen verstehen und haben deshalb babytaugliche Experimente mit EEGs entwickelt.
Im ersten Experiment zeigte das Team von Leong 17 Babys (etwa 8 Monate alt) drei unterschiedliche Videos. Jedes zeigte dieselbe Frau, die ein Kinderlied sang, doch die Körpersprache der Frau unterschied sich von einem Versuch zum nächsten:
- In dem ersten Video stand die Frau direkt vor der Kamera und schaute den Betrachter an.
- In einem weiteren Video war der Kopf der Frau zur Seite gedreht, doch ihre Augen blickten den Betrachter weiterhin direkt an.
- Im dritten Video war ihr Kopf zur Seite gedreht und ihr Blick abgewandt.
Während der Aufzeichnung zeichneten die Forscher die Gehirnströme der Frau mit der EEG-Technik auf. Anschließend zeichneten sie während sie die Videos abspielten die EEGs der Babys auf, während diese zuguckten.
Welche Ergebnisse gab es?
Wenn die Frau Blickkontakt herstellte, spiegelte die Hirnaktivität der Babys jeweils die der Frau wider. Aber wenn die Frau den Blick abwandte, stimmten die Gehirnwellen nicht überein.
Die Babys beobachteten die Frau gleich viel, egal ob sie Blickkontakt herstellte oder wegschaute. Die Widerspiegelung war also nicht nur das Ergebnis von Zuwendung. Der Blickkontakt schien ein entscheidendes Signal zu sein, das den Babys half, sich auf die Frau einzustellen und ihre Gehirnströme zu synchronisieren.
Konnten die Babys die Hirnströme der Frau vorhersehen? Es gab keine Anzeichen dafür. Die Spiegelung verlief nur in eine Richtung – die deutlichen Gehirnströme der Frau gingen denen der Babys voraus. Möglicherweise brauchen die Kinder mehr Übung beim Zuhören dieser Kinderreime oder müssen mit der Person, die sie singt, vertrauter sein.
Doch die Gehirnwellen der Säuglinge stimmten eindeutig mit denen der Frau überein. Deshalb waren die Forscher neugierig, was bei einer direkten Unterhaltung passieren würde. Wie würde sich die Hirnaktivität der Frau verändern, wenn sie den Säugling sehen und hören könnte?
Um dies zu beantworten, führte Leungs Team ein zweites Experiment durch, das dem ersten ähnlich war, nur dass diesmal die Frau und das Baby persönlich, von Angesicht zu Angesicht, interagierten.
Dabei verfolgten die Babys nicht nur die Gehirnwellen der Frau, sondern die Frau spiegelte manchmal auch die Gehirnwellen der Babys wider. Und auch hier war der entscheidende Faktor der direkte Blickkontakt. Erwachsene und Babys mussten Augenkontakt herstellen, damit die Gehirnwellen übereinstimmten.
Erwachsene und Babys nutzen also den direkten Blick als Signal für die Synchronisierung der Gehirnaktivität und dieser direkte Blickkontakt ist offensichtlich für Babys wichtig, um zu lernen.
Augenkontakt ist ein starkes Zeichen dafür, dass wir die Absicht haben, etwas zu kommunizieren. Er kann – metaphorisch gesprochen – die Schleusen öffnen und es uns ermöglichen, die Details zu erfassen, die der Sprecher oder die Sprecherin mitteilen möchte.
Wie funktioniert das?
Wissenschaftler/innen sind noch damit beschäftigt, das zu ergründen. Wie zuvor erwähnt, ist es möglich, dass das Gehirn beim Übermitteln und Erhalten einer Botschaft ähnliche Aufgaben ausführt.
Während du denkst und aussprichst: „Ich habe meinen Zug verpasst“, ruft dein Gehirn eine Reihe von Bedeutungen ab. Wenn ich höre, wie du diese Worte sagst, muss ich die Bedeutungen dieser abrufen, wodurch in meinem eigenen Gehirn ähnliche Aktivitäten ausgelöst werden.
Babys verstehen möglicherweise nicht alle Worte, aber Gesichtsausdruck, Körpersprache und sprachliche Äußerungen helfen dabei, unsere Bedeutungen zu vermitteln. Der Augenkontakt kann das entscheidende Signal sein, das diesen Prozess in Gang setzt. Schau her! Ich habe eine Nachricht für dich. Ich möchte mit dir kommunizieren.
Diese Studie ist im Einklang mit anderen Untersuchungen zur physiologischen Abstimmung.
In Versuchen, die von Ruth Feldman und ihren Kollegen durchgeführt wurden, traten bei Paaren von Mutter und Kind, die mit Blickkontakt kommunizierten, häufige Phasen der Übereinstimmung des Herzschlags auf. Der wichtigste Faktor war für für die Übereinstimmung des Herzschlags, nicht der direkte Augenkontakt, sondern gleichzeitige, fröhliche Laute und non-verbale Signale positiver Gefühle.
In einem Experiment unter der Leitung von Sarah Waters wurde anhand des Herzschlags gezeigt, dass Babys die angespannte Laune ihrer Eltern erfassen können. Die Forscher wiesen einigen Müttern willkürlich eine stressige Aufgabe zu – eine Rede in der Öffentlichkeit – und vereinten sie dann wieder mit ihren Säuglingen. Innerhalb von wenigen Minuten nach der Rückkehr zeigten die Babys die gleichen Reaktionen im Herzschlag wie ihre gestressten Mütter.
All diese Studien zeigen, wie wichtig Augenkontakt, Körpersprache und Gefühle sind. Wie ich bereits zuvor erwähnt habe, helfen diese non-verbalen Signale Babys dabei, die Bedeutung von Wörtern zu verstehen. Außerdem helfen sie Kindern, noch wichtigere Fähigkeiten zu erlernen: Die Fähigkeit, sich auf jemand anderen einzustellen. Sie lernen, die Absichten anderer zu verstehen. Sie entwickeln Einfühlungsvermögen und können einschätzen, was jemand wahrscheinlich als Nächstes tun wird.
Gelingt es den Eltern nicht, rechtzeitig Hinweise zu geben – weil sie zum Beispiel an einer Depression leiden oder unter Angstzuständen -, ist die Abstimmung zwischen Eltern und Kind geringer und die Kinder entwickeln sich schlechter.
Wenn wir ein Kind betreuen, geht es also um mehr als nur um die Erfüllung der körperlichen Bedürfnisse. Wenn wir mit Babys sprechen, lernen sie nicht nur Geräusche kennen. Die Art und Weise, wie wir kommunizieren, ist wichtig. Sie bereitet den Weg für ein besseres Verständnis – für eine echte Verbundenheit mit anderen Menschen.
Das ist ein zusätzlicher Grund, unsere Babys als Gesprächspartner zu behandeln und uns die notwendige Unterstützung zu holen. Wenn es uns selbst gut geht, können wir unseren Babys besser helfen, Kommunikation zu erlernen.
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