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Wann Babys laufen lernen – Erkenntnisse aus der Forschung

by Lara

Wenn Babys lernen, selbstständig aufzustehen, fangen sie meist innerhalb von 2-3 Monaten an zu laufen. Es gibt aber auch andere Zeichen und keine einheitliche Entwicklungskurve, der alle Babys folgen. Tatsächlich ist der Beginn des Laufens sehr unterschiedlich: Manche Babys laufen vor dem 9. Monat, andere warten bis zum 18.

In den Vereinigten Staaten liegt das Durchschnittsalter für das selbstständige Laufen heute bei etwa 12 Monaten. Forscherinnen und Forscher berichten von ähnlichen Zeitpunkten für Babys in einer Reihe von anderen Ländern, darunter Argentinien, Ghana, Indien, Norwegen, Oman, Südafrika und die Türkei. Im Durchschnitt machen Babys in diesen Ländern ihre ersten Schritte ohne fremde Hilfe mit etwa 12-13 Monaten.

Es gibt aber auch Länder, in denen die meisten Babys schon Monate früher oder erst viele Monate später zu laufen beginnen. Und selbst innerhalb eines Landes kann die Spanne sehr groß sein. In einer Studie, die die Fortschritte von 220 Kindern in der Schweiz verfolgte, begannen einige Babys bereits mit 8,5 Monaten selbstständig zu laufen. Andere Babys konnten erst mit fast 20 Monaten laufen. Doch alle diese Kinder entwickelten sich vollkommen gesund und problemlos. Der Beginn des selbstständigen Laufens hatte keinen Einfluss auf die spätere motorische Entwicklung und die kognitiven Fähigkeiten der Kinder.

Das ist natürlich nicht immer der Fall. Manchmal werden Verzögerungen beim Beginn des Gehens durch medizinische Erkrankungen oder Entwicklungsstörungen verursacht. Aber die meisten Kinder, die später anfangen zu laufen, haben diese Probleme nicht.

Was ist also normal? Was sollten wir erwarten? Woran können wir erkennen, ob ein Baby bereit ist mit dem Laufen anzufangen und warum fangen manche Babys früher an als andere? Hier ist eine kurze Übersicht, beginnend mit den motorischen Fähigkeiten, die Babys beherrschen müssen, bevor sie selbstständig laufen können.

Meilensteine auf dem Weg zum Laufen lernen

Bevor sie laufen können, müssen Babys die nötige Muskelkraft und Koordinationsfähigkeit entwickeln, um aus eigener Kraft eine aufrechte Haltung zu halten. Außerdem müssen sie in der Lage sein, den Großteil ihres Gewichts – zumindest vorübergehend – auf einem Fuß zu tragen. Wenn Babys diese Entwicklungsschritte erreichen, kommen sie dem selbstständigen Laufen immer näher:

1. Meilenstein: Sich in eine stehende Position hochziehen

Normalerweise entwickeln Babys diese Fähigkeit etwa 4 Monate vor ihren ersten selbstständigen Schritten. Bei den ersten Versuchen kann ein Baby nur wenige Sekunden stehen bleiben und du wirst feststellen, dass die Beine des Babys steif und gerade sind. Aber wenn das Baby mehr Kraft hat, wird es in der Lage sein, bequem zu stehen – mit leicht gebeugten Knien – während es sich festhält.

2. Meilenstein: Laufen mit Unterstützung

In diesem Stadium haben Babys die Kraft, ihr Gewicht von einem Bein auf das andere zu verlagern. Wenn du ein Baby an den Händen hältst, kann es vorwärts gehen. Wenn sich ein Baby an einem Möbelstück (wie einer Couch oder einem Sofa) festhält, kann es sich seitwärts bewegen. Doch wann kann ein Baby mit diesen Fähigkeiten anfangen, selbstständig zu laufen?

Studien deuten darauf hin, dass das selbstständige Laufen etwa 3 Monate später beginnt, aber es gibt keine strikte Reihenfolge, der alle Babys folgen. Manche Babys fangen relativ früh an, mit Hilfe ihrer Eltern zu laufen – noch bevor sie krabbeln gelernt haben. Für diese Babys könnte die nächste Stufe das selbstständige Gehen sein. Aber Babys können sich auch auf das Krabbeln konzentrieren.

3. Meilenstein: Allein stehen (zumindest kurzzeitig!)

Wie lange, nachdem sie gelernt haben, selbstständig zu stehen, beginnen Babys zu laufen? Internationale Studien deuten darauf hin, dass die meisten Babys innerhalb von 2-3 Monaten nach dem Stehenlernen zu laufen beginnen. Aber es ist nicht die absolute Zeitspanne, die so wichtig ist. Es ist die schiere Zeit der Übung und der Anstrengung.

Wenn Babys lernen, selbstständig zu laufen, fallen sie hin. Und zwar oft. Einigen Babys scheint das nicht viel auszumachen. Sie stürzen sich mit Begeisterung in das Projekt und lernen ziemlich schnell laufen – manchmal schon ein paar Tage, nachdem sie stehen gelernt haben. Und wie sieht es mit dem Krabbeln aus? Müssen Babys erst krabbeln, bevor sie laufen? Ganz und gar nicht, es gibt sogar Babys, die nie krabbeln.

Mit Unterstützung laufen

Laut internationaler Forschung haben etwa 50 % aller Babys im Alter von 9,5 Monaten begonnen, mit Unterstützung zu laufen. Aber die jeweiligen Normen können variieren.

In Kulturen, in denen Eltern ihren Babys aktiv das Laufen beibringen, können Säuglinge bereits mit 7-8 Monaten mit dem unterstützten Laufen beginnen. Länder, in denen die Eltern das Laufen nicht so stark fördern, zeigen, dass sie durchschnittlich später anfangen zu laufen – mit etwa 10,5 Monaten. In Kulturen, in denen Babys hauptsächlich in Tragehilfen, Tragetüchern, Wiegen und anderen Vorrichtungen gesichert werden, fangen sie erst viel später an zu laufen.

Selbstständig laufen

Wie bereits in der Einleitung erwähnt, gibt es hier eine große Spannbreite. Manche Babys fangen an zu laufen, bevor sie 9 Monate alt sind. Bei anderen dauert es 18 Monate oder länger. Warum gibt es so große Unterschiede und welche Faktoren bestimmen, ob ein Kind früher oder später laufen lernt?

Die Zweibeinigkeit des Menschen ist schwer zu erlernen. Babys haben mit vielen Hindernissen zu kämpfen, auch mit ihrem eigenen Körper. Ein Baby mit dünnen Beinen – und einem höheren Muskel-Fett-Verhältnis – hat es zum Beispiel leichter, gegen die Schwerkraft anzukämpfen, und kann früher mit dem Laufen beginnen als ein dickeres, weniger muskulöses Kind. Der Zeitpunkt des Laufens hängt auch von den Gelegenheiten zur Bewegung und Praxis ab.

Normalerweise erreichen Babys, die mehr Bewegung bekommen – also Zeit außerhalb des Tragetuchs, der Wiege oder des Kinderbettchens -, die motorischen Meilensteine früher im Leben. Genauer gesagt, lernen Babys früher laufen, wenn sie viel Übung im „unterstützten Gehen“ haben – also Schritte vorwärts machen, während jemand ihre Hände hält.

Auch die Motivation spielt wahrscheinlich eine Rolle. Forscherinnen und Forscher haben zum Beispiel herausgefunden, dass Babys das Laufen eher lernen, wenn sie Interesse an weit entfernten Objekten wie Spielzeug zeigen.

Auch etwas so Alltägliches wie Kleidung kann einen Unterschied machen. Die Forschung bestätigt, dass es für Babys schwieriger ist zu laufen, wenn sie Windeln tragen. Die Windel ist im Weg und zwingt sie dazu, mit weit gespreizten Beinen zu watscheln, so dass sie leichter das Gleichgewicht verlieren und hinfallen können.

Die Summe dieser Faktoren erklärt, warum Babys so unterschiedlich sind. Sie erklären auch einige der dramatischen Unterschiede, die wir in verschiedenen Kulturen beobachten.

Welchen Einfluss hat die Erziehung?

Nehmen wir die kenianischen Kipsigis, ein Volk, das Landwirtschaft betreibt und Rinder hütet. In dieser Kultur fördern die Eltern aktiv die Entwicklung der für das Laufen notwendigen motorischen Fähigkeiten ihrer Kleinkinder. Das beginnt mit dem so genannten Schrittreflex: Wenn du ein Neugeborenes aufrecht hältst und seine Füße den Boden berühren, scheint es, als würde es abwechselnd Schritte machen. Als ob das Baby bereit wäre zu laufen!

Das Baby ist natürlich noch nicht wirklich bereit zu laufen. Die Muskeln, die Koordination und die Körperproportionen des Babys sind noch nicht ausreichend entwickelt, um erfolgreich zu laufen, wenn es noch sehr jung ist. Wenn wir diese Schrittreaktion aber einfach ignorieren, wird das Verhalten irgendwann nachlassen. In westlichen Ländern zum Beispiel verschwindet die Schrittreaktion normalerweise, wenn die Babys 8 Wochen alt sind.

Aber die Kipsigis ignorieren den Schrittreflex nicht. Stattdessen machen sie daraus ein Spiel. Indem die Mütter ihre Babys an den Achseln halten und auf dem Schoß wippen, stimulieren sie den Schrittreflex.

Dieses Spiel beginnt, wenn die Babys etwa einen Monat alt sind, und wird täglich geübt. Im Alter von 7-8 Monaten sind die Babys stark genug, um (mit Unterstützung) auf dem Boden zu laufen. Niemals verlieren Babys die Schrittreaktion. Stattdessen entwickeln sie fortlaufend und allmählich eine immer stärkere Schrittfolge.

Als Wissenschaftler/innen einen ähnlichen Ansatz an Babys in den Vereinigten Staaten testeten, stellten sie dasselbe fest: Babys verlieren die Schrittreaktion nicht im Laufe der Zeit, zumindest nicht, wenn sie dazu ermutigt wurden, sie zu üben. Und bei beiden Gruppen – den Kipsigis und den Amerikanern – beobachteten die Forschenden einen Zusammenhang zwischen der Übung und dem Zeitpunkt des Gehens. Babys, die das Laufen mit Unterstützung geübt haben, neigen dazu, schon früher selbstständig zu laufen.

So können Eltern die Entwicklung des Gehens durch Bewegung und Spiel anregen. Selbst die „Bäuchleinzeit“ wurde mit der Entwicklung des Laufens in Verbindung gebracht. Umso mehr Zeit Babys auf dem Bauch verbringen, desto früher erreichen sie die motorischen Meilensteine des unterstützten und unabhängigen Laufens.

Das Gegenteil ist jedoch auch der Fall: Werden Babys stärker in ihrer Bewegung behindert, indem sie gehalten, eingewickelt, in einen Stuhl geschnallt oder anderweitig fixiert werden, beginnen sie später zu laufen.

Ein extremes Beispiel sind die Ache in Paraguay, ein Volk, das bis ins späte 20. Jahrhundert als Jäger/innen und Sammler/innen lebte. Als die Ache noch auf die alte, traditionelle Weise lebten, trugen sie ihre Babys fast ständig. Ihre Umgebung – der Amazonas-Regenwald – war ihnen zu gefährlich, um ihre Säuglinge abzusetzen. Deshalb bekamen die Ache-Babys keine Gelegenheit, das Laufen zu üben und so lernten die Kinder erst im Alter von etwa 24 Monaten laufen.

Ich bezeichne dies als einen Extremfall, aber „extrem“ ist ein relativer Begriff: Es hängt davon ab, mit welchem Land du es vergleichst. Nicht nur die Ache sind Jäger/innen und Sammlerinnen, die es vermeiden, ihre Babys auf den Boden zu setzen. Auch in anderen Völkern gibt es Bräuche, die die Bewegung von Säuglingen einschränken. In ganz Mittelasien werden Säuglinge zum Beispiel stundenlang in einer traditionellen Wiege namens „gahvora“ gehalten. In anderen Zeiten und an anderen Orten war es vielleicht ganz normal, dass Babys die Art von Erfahrungen verpassten, die zum frühen Laufen führen. Dies sollte uns dazu veranlassen, unsere Vorstellungen von einer „normalen“ Entwicklung zu überdenken.

Es hat keinen Sinn, über „normales“ Timing in einem Vakuum zu sprechen, als ob regionale Unterschiede in der Umwelt keine Rolle spielen würden.

Die Funktion von Lauflernspielzeug

Ein anderer Name für „Lauflernspielzeug“ ist „Bewegungsspielzeug“ – Spielzeug, das dazu bestimmt ist, geschoben, gezogen oder gerollt zu werden. Was geschieht, wenn du einem Baby solche Spielzeuge zur Verfügung stellst – wie z. B. ein „Popper“-Schiebespielzeug, das Plastikkugeln aufspringen lässt, wenn du es über den Boden rollst? Es ist unklar, ob dies ein Baby, das noch nicht laufen kann dazu motiviert, seine ersten Schritte zu machen. Aber Schiebe- und Ziehspielzeuge können Laufanfänger dazu ermutigen, länger zu laufen.

Bei einer Studie mit 40 laufenden Babys (Durchschnittsalter: 15 Monate) ließen Justine Hoch und ihre Kolleg/innen die Hälfte von ihnen in einem Raum mit einer Betreuungsperson und verschiedenen Bewegungsspielzeugen spielen. Die andere Hälfte verbrachte Zeit mit einer Betreuungsperson, aber ohne Spielzeug. Die Forscher/innen zeichneten die Bewegungen der Säuglinge auf und stellten fest, dass die Babys in beiden Gruppen gleich viel herumliefen. Die Babys, die mit Bewegungsspielzeug versorgt wurden, liefen jedoch länger – sie machten mehr Schritte, bevor sie zum Stillstand kamen. Außerdem erkundeten sie eher jeden Teil des Spielzimmers und entfernten sich weiter von ihren Betreuungspersonen (Hoch et al. 2019).

Lauflernhilfen

Eine Lauflernhilfe ist ein starres Gestell auf Rädern, in dessen Mitte ein Sitz befestigt ist. Wenn ein Säugling in den Sitz gesetzt wird, erreichen seine Zehen den Boden und das Baby kann sich selbstständig bewegen, in dem es sich in verschiedene Richtungen abstößt.

Es könnte sich wie eine Erleichterung beim Laufenlernen anhören, aber das ist es nicht. Im Gegenteil: Wenn Kleinkinder Lauflernhilfen benutzen, nehmen sie häufig abnormale Körperhaltungen und Laufmuster an. Sie können sich zum Beispiel nach hinten lehnen, auf den Zehenspitzen gehen oder die Bewegung ihres Kopfes nicht kontrollieren. Dadurch üben sie nicht die Bewegungen, die sie zum Laufen lernen brauchen.

Zudem ist der Trend in den Studien entweder neutral oder negativ. Einige Studien haben festgestellt, dass Lauflernhilfen keine Vorteile für die motorischen Fähigkeiten bringen. In anderen Studien wurden deutliche Nachteile festgestellt – dass Säuglinge, die Lauflernhilfen benutzen, motorische Meilensteine wie Krabbeln, Stehen und eigenständiges Gehen langsamer erreichen.

Das größte Problem ist jedoch die Sicherheit. Lauflernhilfen werden mit einer hohen Verletzungsgefahr in Verbindung gebracht. Oft werden Unfälle dadurch verursacht, dass Babys in einer Lauflernhilfe die Treppe hinunterfallen, doch es gibt auch noch andere Gefahren. Babys sind schon aus ihren Lauflernhilfen gefallen. Sie verletzen sich, wenn sie nach schweren, scharfen oder heißen Gegenständen greifen. Diese Verletzungen können schwerwiegend sein – Gehirnerschütterungen, Schnittwunden, Knochenbrüche. Einige Kleinkinder sind sogar daran gestorben.

Aufgrund dieser Gefahren – und des fehlenden Entwicklungsnutzens – hat die Amerikanische Akademie für Kinderheilkunde (American Academy of Pediatrics, APP) empfohlen, die Herstellung und den Verkauf von Lauflernhilfen zu verbieten, in Kanada sind Lauflernhilfen seit 2004 verboten.

Ab wann kann man von einer Entwicklungsverzögerung ausgehen?

Verbände wie die Amerikanische Akademie für Kinderheilkunde empfehlen, mit deinem Arzt zu sprechen, wenn dein Baby im Alter von 18 Monaten noch nicht laufen kann. Das ist ein guter Rat. In manchen Fällen ist das verzögerte Laufen ein Anzeichen für ein physisches Problem, so dass es gut ist, dies frühzeitig zu untersuchen und Maßnahmen zu ergreifen. Bei einer Untersuchung von mehr als 400 Kindern, die zu spät laufen, war fast ein Drittel der Fälle auf eine klinische oder neurologische Grunderkrankung zurückzuführen.

Aber vergiss nicht: Die meisten Babys, die mit 18 Monaten noch nicht laufen können, haben keine Entwicklungsstörungen. Zumindest nicht, wenn sie ansonsten gesund sind.

Bildquelle: https://unsplash.com/photos/uaQpinemVoo

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