Kinder profitieren davon, wenn wir ihnen die Fähigkeit zum kritischen Denken nahebringen.
Wie macht man das am besten?
Studien legen nahe, dass gezielter Unterricht in Logik und logischem Denken so effektiv ist, dass er sogar den IQ eines Kindes verbessern kann.
Doch nur wenige Kinder werden überhaupt mit solchen Lektionen konfrontiert, selbst in der Oberstufe.
Ja, Schüler/innen lernen logische Prinzipien in Mathematik oder naturwissenschaftlichen Fächern kennen. Häufig fordert man sie auf, Argumente in schriftlichen Aufsätzen zu formulieren. Und ja, diese Erfahrungen können hilfreich sein.
Studien zeigen, dass Schüler/innen ein Thema eher verstehen, wenn sie gezwungen sind, es einer anderen Person zu erklären. Und die meisten von uns haben bemerkt, dass der Akt des Schreibens unsere Gedanken konkretisieren kann.
Schreiben kann uns auf Lücken in unserem Verständnis aufmerksam machen. Es kann uns zwingen, Mängel in unseren Erklärungen zu erkennen. Fehlende Informationen. Logikfehler. Im Prinzip kann das Schreiben Schüler/innen dazu ermutigen, ihre Argumente besser zu formulieren und ein Thema tiefergehend zu verstehen.
Aber es ist nicht klar, wie viele Kinder ihre Fähigkeiten zum kritischen Denken durch das Schreiben erweitern. Ausgehend von den Studien, die ich gesehen habe, glaube ich aber nicht, dass das Schreiben allein sehr effektiv ist.
Vielleicht liegt das daran, dass den Schüler/innen die Perspektive fehlt, ihre eigene Arbeit zu beurteilen.
Wenn du Schüler/innen bittest, einen Sachverhalt zu erklären, können sie vielleicht ein paar Gründe nennen, die ihre Argumente stützen. Aber sie denken selten über Gegenargumente, widerlegende Beweise oder die Vorteile anderer Meinungen nach.
Das sind die Punkte, die die Forscherinnen Deanna Khun und Amanda Powell ansprechen. Sie glauben, dass Schüler/innen jemanden brauchen, mit dem sie argumentieren können. Sie brauchen einen intelligenten Kritiker. Jemanden, der die Rolle des Gegenspielers einnimmt.
Und genau da kommt die Debatte ins Spiel. Nicht die albernen, schlampigen, emotionalen Wortwechsel, die im Fernsehen und im Internet als Debatten durchgehen. Sondern echte Debatten: eine disziplinierte, logische, reaktionsschnelle und beweisgestützte Diskussion mit einer anderen Person.
Sollten wir Kinder in der Kunst des Debattierens trainieren? Wie Kuhn und Powell feststellen, zwingt die Debatte Kinder dazu, zwei Perspektiven zu berücksichtigen, nicht nur ihre eigene. Sie ermutigt Kinder dazu, Widersprüche gegen ihre Argumente zu erkennen. Auf Gegenargumente zu antworten. Sie wägen die Beweise beider Sichtweisen ab.
Deshalb haben die Forscher einen dreijährigen Debattenlehrplan entwickelt und an einer Gruppe amerikanischer Schüler aus der Mittelstufe aus den unteren Einkommensschichten getestet.
Und so sah dies aus.
Die Kinder begannen in der 6. Klasse mit dem Programm. 48 Kinder wurden in einen Philosophiekurs eingeteilt, in dem das Debattieren im Vordergrund stand. Eine Kontrollgruppe von 28 Kindern wurde zu einem ähnlichen Kurs eingeteilt, in dem Diskussionen und das Schreiben von Aufsätzen unter der Leitung von Lehrern stattfanden. Das Debattieren wurde dagegen nicht mit dem Training geübt.
Am Anfang der Studie wurden die Kinder auf ihre Fähigkeit getestet, über ein umstrittenes Thema zu diskutieren. Dann begannen die Kurse: Zwei fünfzig Minuten lange Unterrichtsstunden pro Woche.
Was haben die Kinder im Unterricht gemacht?
Die Kinder im Debattierkurs hatten die Unterrichtsstunden bezüglich vier umstrittener Themen. Jedes Thema nahm etwa 13 Wochen in Anspruch.
Die Lehrer/innen stellten zu Beginn jeder 13-wöchigen Unterrichtseinheit eine Streitfrage vor – z. B. Sterbehilfe – und baten die Kinder, sich auf eine Seite zu stellen. Dann arbeiteten die Teams in Gruppen, um sich auf eine Debatte vorzubereiten.
Die Teammitglieder verbrachten mehrere Sitzungen damit, eine Argumentation für ihre Position zu erarbeiten. Sie dachten sich Gründe aus und werteten sie aus. Sie versuchten zu erahnen, was die Opposition argumentieren würde, und bereiteten Gegenargumente und Widerlegungen vor. Dann probten sie mit anderen Teammitgliedern am Computer mit Hilfe einer Software für Instant Messaging Scheindebatten.
Warum am Computer? Die Forscher wussten, dass Jugendliche mit Instant Messaging vertraut sind, und die getippten Dialoge gaben den Forscher/innen schriftliche Aufzeichnungen über die Argumentation der Schüler/innen. Kuhn und Powell dachten außerdem, dass ein schriftlicher Dialog die Jugendlichen zum Nachdenken anregen würde.
Jedes Schuljahr endete mit einem Showdown zwischen den Teams. Zwei Sprecher/innen führten die Debatte, einer aus jedem Team, und sie sprachen sich mit ihren Teamkolleg/innen ab, wenn sie Hilfe brauchten. Wie die Übungsläufe fand auch die echte Debatte am Computer statt.
Was lernten die Kinder?
Am Ende jedes Schuljahres wurden die Kinder auf ihre Fähigkeiten im logischen Denken getestet. Ihre Ergebnisse wurden mit denen der Kontrollgruppe verglichen – Kinder, die das ganze Jahr über ähnliche kontroverse Themen diskutiert und geschrieben hatten, aber keine Debatten führten.
Wie fiel das Ergebnis aus?
Als sie aufgefordert wurden, Aufsätze über eine neue Kontroverse zu schreiben, zeigten die Kinder mit Erfahrung im Debattieren mehr Raffinesse.
Die Schüler/innen mit diesem Training legten mehr Argumente aus verschiedenen Blickwinkeln vor, d.h. Argumente, die Behauptungen entgegengesetzter Standpunkte erwähnten.
Zum Ende des dritten Jahres gingen die Schüler/innen der Debattiergruppe sogar noch weiter: Sie reichten Aufsätze ein, in denen sie die Vor- und Nachteile der einzelnen Standpunkte erörterten.
Kuhn und Powell nennen dies eine integrierende Perspektive, die bei den Schüler/innen der Kontrollgruppe deutlich seltener vorkam.
Die Kinder, die debattierten, zeichneten sich auch in anderer Hinsicht aus. Sie schienen leichter herauszufinden, welche neuen Informationen zur Klärung der Kontroverse beitragen würden.
Die Forscher forderten die Kinder auf, sich Gedanken darüber zu machen, welche Beweise sie brauchen:
„Gibt es Fragen, auf die du gerne eine Antwort hättest, um deine Argumente zu untermauern?“
Den Kindern mit dem Training fielen mehr solcher Fragen ein. Außerdem waren ihre Fragen relevanter, um sich ein allgemeines Urteil über das Thema zu bilden.
Richtiges Debattieren
Das von Kuhn und Powell entwickelte Debattierprogramm scheint erfolgreich zu sein. Aber es ist keine einfache Sache. Und um es richtig zu machen, müssen die Details stimmen. Zum Beispiel:
1. Die Kinder begannen das Programm ohne Verständnis für Beweise. Es musste ihnen beigebracht werden.
Am Ende des ersten Jahres begannen die Lehrer/innen, den Schüler/innen Fragen zu stellen, die für die Debatte relevant waren. Fragen wie „Wie human werden die Tiere in Laboren behandelt?“ oder „Hat die Tierforschung zu irgendwelchen medizinischen Verbesserungen geführt?“ In den folgenden Jahren wurden die Schüler/innen dazu ermutigt, ihre eigenen Fragen zu entwickeln und zu recherchieren. Allmählich begannen die Kinder zu erkennen, wie wichtig es ist, solche Fragen zu beantworten. Doch es brauchte Zeit und Übung.
2. Die Schüler/innen bekamen von den Lehrkräften klare Rückmeldungen über die Stärken und Schwächen ihrer Argumente.
In der letzten Session jedes Semesters besprachen die Lehrer/innen die Debatten und erstellten ein Diagramm, in dem sie zusammenfassten, was an der Präsentation der einzelnen Teams gut oder schlecht war. Die Teams bekamen Punkte für gute Argumente und Abzüge für schlechte Argumente – wie unberechtigte Vermutungen und inkorrekte Antworten. Die Punkte wurden zusammengezählt und der Sieger/innen wurde bestimmt.
Lohnt sich diese Investition?
Haben Kuhn und Powell das ideale Konzept entwickelt? Möglicherweise nicht. Dies ist lediglich die erste Studie dieser Art, die veröffentlicht wurde. Weitere Studien sollten dabei helfen herauszufinden, welche Aspekte des Programms am effektivsten waren. Aber Kuhn und Powell haben einen wichtigen ersten Schritt getan.
In der Zwischenzeit liefern sie ein überzeugendes Argument für das Unterrichten von Debatten.
Informelle Diskussionen im Klassenzimmer scheinen kein besonders effektiver Weg zu sein, um kritisches Denken zu fördern. Ich vermute sogar, dass der Unterricht in Debatten dazu beitragen könnte, die Leistungsunterschiede zwischen Schülern mit niedrigem und hohem sozialem Status zu verringern.
In vielen Familien aus der Mittelschicht versuchen die Eltern, das Verhalten ihrer Kinder zu beeinflussen, indem sie mit ihnen diskutieren. Sie ermutigen zum Geben und Nehmen. Sie erklären die Beweggründe für Regeln und fordern die Kinder auf, zu verhandeln – vorausgesetzt, sie können überzeugende, gut begründete Argumente liefern. Ich erinnere mich an die Bemerkung eines Anthropologen, dass die amerikanische Elite ihre Kinder mit diesem Training dazu bringt, wie Anwälte zu reden.
Vermutlich würden Kinder professioneller Philosophen von Debattierstunden profitieren. Aber Kinder aus sozial schwächeren Schichten, in denen Verhandlungen und Debatten oft nicht erwünscht sind, könnten noch viel stärker davon profitieren.
Deshalb bin ich der Meinung, dass die Aufnahme des Debattierens in den Lehrplan eine gute Investition für die gesamte Gesellschaft ist. Vielleicht legen wir damit den Grundstein für eine aufgeklärtere Kultur mit besser informierten Wählern, rationaleren Gerichten und Bürgern, die die Wissenschaft mehr zu schätzen wissen.
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