Wissenschaft der Gesten: Wir lernen schneller, wenn wir Handbewegungen machen

Bewegst du deine Hände, wenn du sprichst? Die meisten Menschen tun das. Diese Gesten sind für uns ganz natürlich und passieren oft unbewusst. Wir sprechen und unsere Hände machen mit.

Zweifelsohne ist ein Großteil dieses Verhaltens erlernt. Wenn ein Kind in Italien aufwächst, lernt es andere Gesten als in Japan, Nigeria oder Kanada. Es lernt auch andere soziale Normen, bezüglich der Erwünschtheit von Gesten. Im Alter von zwei Jahren machen italienische Kinder etwa doppelt so viele Gesten wie englischsprachige kanadische Kinder.

Doch kulturelle Unterschiede ändern nichts an der Tatsache, dass Gesten ein normales Verhalten sind. Wie Sprache, Musik oder Tanz gehört die Gestik zu unserem biologischen Erbe. Kinder, die von Geburt an blind sind, benutzen Gesten, wenn sie sprechen, sogar wenn sie mit anderen Blinden sprechen. Feldstudien bei Menschenaffen legen nahe, dass unsere Vorfahren schon lange vor der Entwicklung der Sprache ihre Hände zur Kommunikation nutzten.

Doch warum tun wir das noch heutzutage? Ist es bloßes Herumfuchteln mit den Händen? Ist es ein nutzloses Überbleibsel der Evolution, das heutzutage keinen Zweck mehr hat?

Untersuchungen legen das Gegenteil nahe.

Wie sich herausstellt, haben unsere einfachen Handbewegungen einen erheblichen Einfluss darauf, wie wir lernen, denken und Probleme lösen.

  • Babys, die viele kommunikative Gesten sehen, scheinen schneller sprechen zu lernen und sich einen größeren Wortschatz anzueignen. Es ist hilfreich, einen Elternteil zu haben, der gut gestikulieren kann.
  • Auch kleine Kinder scheinen von Gesten zu profitieren. Kleinkinder, die mit dem Finger auf etwas zeigen, entlocken Erwachsenen eher nützliche Informationen („Oh! Das ist ein Hund!“), was erklären könnte, warum diese Kinder mit der Zeit einen größeren Wortschatz entwickeln.
  • Und bereits in der Grundschule und auf der Uni hat sich gezeigt, dass Gesten Lernenden helfen – von der Beherrschung neuer mathematischer Konzepte über den Erwerb neuer Vokabeln bis hin zum Verständnis räumlicher Zusammenhänge.

Angesichts all dieser Beweise sollten wir Gesten fördern, zumindest solche, die die Kommunikation und die intellektuelle Leistung steigern. Gesten sind keineswegs veraltet oder überflüssig, sondern spielen eine wichtige Rolle in unserer kognitiven Entwicklung.

Babys profitieren von Gesten

Es ist klar, dass Gesten Erwachsenen helfen können, die Bedeutung von neuen Wörtern zu verstehen. Das ist der Grund, warum Pantomime so effektiv ist, und das ist auch die Grundlage des klassischen Gesellschaftsspiels Scharade.

Doch haben Gesten auch einen wesentlichen Einfluss auf den Spracherwerb von Kindern?

Es gibt deutliche Beweise dafür.

1. Wir wissen, dass kleine Kinder Gesten erkennen können

Experimente zeigen, dass 2-Jährige auf die Gesten von Erwachsenen achten und sie nutzen, um herauszufinden, wozu die Erwachsenen sie auffordern.

Und gehörlose Babys, die in einer Umgebung mit Gebärdensprache aufwachsen, entwickeln ihre Sprachkenntnisse ähnlich schnell wie hörende Kinder, die Sprechen lernen.

Von klein auf lernen Kinder also unsere Gesten und verstehen diese als Kommunikationselemente.

2. Wir wissen, dass Kinder mit der Zeit lernen können, Gesten zu nutzen, um die Bedeutung eines neuen Wortes schnell herauszufinden.

Whitney Goodrich und Carla Kam haben dies in einem Experiment mit Kindergartenkindern bestätigt. Die Forscher erfanden vier Verben und präsentierten den Kindern dann Puppenspiele, die die Bedeutung dieser Wörter veranschaulichten.

In einer Show wurde zum Beispiel ein Stockspielzeug gezeigt, das eine Puppe einen verschlungenen Pfad entlangzieht. In einer anderen wurde die Puppe auf einer Drehscheibe herumgedreht.

Die Versuchsleiterin stellte bei jeder Puppenshow das abgebildete Wort vor, indem sie es in das Gespräch einfügte, z.B.,

„Sam (die Puppe) mag es sehr, zu blippen. Kannst du mir sagen, welches Spielzeug Sam zum Blippen bringt?“

Natürlich hatten die Kinder noch nie etwas von „blippen“ gehört, aber sie konnten es erraten. Und ihre Vermutungen hingen davon ab, welche Gesten die Versuchsleiterin beim Sprechen machte. Wenn sie mit dem Finger einen imaginären, kurvigen Pfad nachgezeichnet hatte, wählten die Kinder mit größerer Wahrscheinlichkeit den Stock.

3. Noch bevor Kinder dieses schnelle Denken zeigen, scheinen sie von langsameren Lernprozessen zu profitieren.

In einem Experiment mit 18- bis 24-monatigen Kindern übten die Forscher mit Babys die Bedeutung des Wortes „unter“, indem sie die Babys baten, einen Gegenstand „unter“ einen anderen zu legen. Kannst du den Teddybären unter den Tisch legen?

Einige Babys bekamen zusätzlich eine erklärende Geste zur Hilfe. Die Erwachsene legte beim Sprechen auffällig eine ihrer Hände unter die andere.

Andere Babys bekamen keine Geste zu sehen, sondern nur ein Foto. Als die Erwachsene die Babys aufforderte, die Aufgabe auszuführen, zeigte sie ihnen auch ein Foto, auf dem das gewünschte Ergebnis zu sehen war (z. B. der Bär, der unterm Tisch war).

Bei den Tests, die unmittelbar auf das Training folgten, stellten die Forscher keine Unterschiede zwischen den Gruppen fest. Als die Forscher die Babys zwei bis drei Tage später erneut testeten, waren die Babys die die Gesten sahen schneller als die Gruppe mit den Fotos. Sie zeigten ein besseres und flexibleres Verständnis des Wortes „unter“.

4. Babys entwickeln einen größeren Wortschatz, wenn sie mit Menschen kommunizieren, die gestikulieren.

Kinder lernen offenbar schneller Sprache, wenn sie Eltern haben, die in der Lage sind, die Bedeutung eines Wortes durch nonverbale Signale zu vermitteln. In einer Studie mit 50 Kleinkindern fanden die Forscher heraus, dass dies auch dann der Fall ist, wenn man den anfänglichen Wortschatz des Kindes berücksichtigt.

5. Babys, die viel gestikulieren, entwickeln in der Regel bessere Fähigkeiten.

Kommuniziert dein Baby viel mit seinen Händen? Wenn ja, ist es wahrscheinlicher, dass es seinen ersten Satz mit mehreren Wörtern früher äußert.

Gestikulierende Babys verfügen auch über einen größeren Wortschatz, was auf ihre Fähigkeit zurückgeht, ihre Bezugspersonen in ein Gespräch zu verwickeln.

Wie bereits erwähnt, erhalten Babys, die häufig mit dem Finger zeigen, eher ein rasches Feedback. Sie sehen etwas, das sie interessiert – zeigen darauf – und ihre Bezugspersonen antworten mit dem passenden Begriff.

Experimente zeigen, dass Babys schneller lernen, wenn wir auf diese Weise auf ihr Zeigen reagieren.

All das klingt ziemlich ermutigend – wenn du und dein Baby eingefleischte Gestiker seid. Aber was ist, wenn ihr das nicht seid? Kannst du dein Verhalten ändern?

Eine aktuelle Studie macht diesbezüglich Hoffnung. Forscher besuchten fünfzehn Babys (im Alter zwischen 16 und 20 Monaten) über einen Zeitraum von sechs Wochen zu Hause. Bei jedem Besuch saßen die Babys mit einem erwachsenen Versuchsleiter zusammen und sahen sich ein paar Bilderbücher an.

Der Versuchsleiter sprach mit dem Baby über die Gegenstände, die in den Büchern abgebildet waren. „Schau dir das Kleid an. Das ist ein Kleid.“ Aber nicht jedes Baby erlebte die gleiche Situation.

  • Einige Babys sahen zu, wie der Versuchsleiter auf die Gegenstände zeigte, über die er sprach.
  • Einige Babys sahen zu, wie der Erwachsene auf etwas zeigte, und wurden dann dazu gebracht, selbst darauf zu zeigen oder die genannten Gegenstände zu berühren.
  • Einige Babys wurden nach dem Zufallsprinzip einer Kontrollgruppe zugewiesen. Hier zeigte niemand – alle Informationen wurden verbal weitergegeben.

Zwei Wochen nach der letzten Session stellten die Forscher fest, dass die Babys, die zum Gestikulieren ermutigt wurden, nun zu Hause mehr gestikulierten.

Hat sich diese Zunahme in einem besseren Spracherwerb niedergeschlagen? Das ist schwer zu sagen, weil der Zeitrahmen dieser Studie verhältnismäßig kurz und die Stichprobengröße so klein war. Die Babys, die während des Unterrichts gestikulierten, hatten in der Tat den größten Zuwachs ihres Wortschatzes, doch der Effekt war nicht groß genug, um statistisch relevant zu sein. Eventuell werden zukünftige Studien – größere Studien über einen längeren Zeitraum – diese Ergebnisse replizieren.

In der Zwischenzeit sollten Eltern versuchen, ihre Babys mit bedeutungsvollen Gesten anzusprechen und sie ermutigen, in gleicher Weise zu reagieren. Ein Lächeln, ein Lob und Aufmerksamkeit helfen dabei, die Kommunikationsversuche deines Babys zu verbessern.

Gesten helfen uns bei räumlichen Denkprozessen

Wenn du dir einen neuen Weg einprägen willst, kannst du ihn dir zum Beispiel einfach bildlich vorstellen. Die Vorstellung des Weges allein ist allerdings nicht so effektiv wie die Kombination von mentalen Bildern und Handbewegungen.

Als Forscher diese beiden Formen des Einübens miteinander verglichen, stellten sie fest, dass Menschen, die zum Gestikulieren ermutigt wurden, präziser lernten als Menschen, die dies nicht taten. Diejenigen, die gestikulierten, erinnerten sich sogar mit höherer Präzision an neue Routen als diejenigen, die diese auf Papier zeichneten, vielleicht, weil das Zeichnen Ablenkungen in den Prozess hineinbringt.

Es scheint also, dass Gesten uns helfen können, uns durch den Raum zu bewegen. Helfen sie uns auch, die Bewegung von Objekten zu veranschaulichen?

Die Fähigkeit, ein Objekt gedanklich zu drehen, ist ein wesentlicher Teil des räumlichen Vorstellungsvermögens, und es gibt Hinweise darauf, dass Gesten hierbei helfen können.

In einer Studie mit 5-Jährigen waren die Kinder mit den besten geistigen Rotationsfähigkeiten auch diejenigen, die beim Lösen von Problemen intuitiv Handbewegungen machten.

Ein Experiment unterstützt die Idee, dass Gesten zu besseren Leistungen beitragen.

Mingyuan Chu und Sotaro Kita baten Studenten, eine Reihe von visuellen Rotationsaufgaben zu lösen, also die Art von Aufgaben, bei der man dreidimensionale Objekte vor dem “ inneren Auge“ rotiert. Doch zunächst teilten die Forscher alle Studenten nach dem Zufallsprinzip einer von drei Versuchsbedingungen zu.

  • In der ersten Bedingung wurden die Studenten angewiesen, Handbewegungen zu machen, während sie die Aufgaben lösten.
  • In der zweiten Bedingung durften die Studenten ihre Hände benutzen, aber sie bekamen keine besonderen Anweisungen.
  • In der dritten Bedingung wurden die Studenten aufgefordert, sich auf ihre Hände zu setzen.

Diese Anweisungen beeinflussten die Anzahl der Gesten, die die Studenten machten, erheblich. Die Schüler, die zum Gestikulieren aufgefordert wurden, taten dies etwa sechsmal so oft wie die Schüler der zweiten Gruppe. Die Studenten, die sich auf ihre Hände setzten, gestikulierten natürlich überhaupt nicht.

Doch was die Forscher wirklich wissen wollten, war, ob all diese zusätzlichen Gesten einen Unterschied beim Lösen räumlicher Probleme bewirkten, und tatsächlich gab es ihn. Die Schüler, die aktiv zum Gestikulieren angeleitet wurden, machten die wenigsten Fehler.

Gesten schaffen Raum im Arbeitsgedächtnis

Das Arbeitsgedächtnis ist so etwas ähnliches wie der Arbeitsspeicher eines Computers. Es ist die Fähigkeit, sich Informationen über einen sehr kurzen Zeitraum (ein paar Sekunden) zu merken, und ermöglicht es uns, uns auf eine Aufgabe zu konzentrieren.

Unsere Lernfähigkeit wird durch das Arbeitsgedächtnis eingeschränkt. Alles, was die „kognitive Belastung“ deines Arbeitsgedächtnisses reduziert – alles, was es dir erleichtert, mehrere Informationen auf einmal zu verarbeiten – kann deine Denk- und Lernfähigkeit verbessern.

Und überraschenderweise können Gesten das für uns tun.

In einem Experiment stellten Susan Goldin-Meadow und ihre Kollegen eine Gruppe von Kindern und Erwachsenen vor eine konzentrationsfördernde Aufgabe.

Zuerst präsentierten die Forscher den Teilnehmern kurz eine Liste mit Dingen, die sie sich merken sollten. Dann forderten sie die Teilnehmer auf, nebenbei eine weitere Aufgabe zu erledigen: Die Teilnehmer sollten sich ein mathematisches Problem ansehen und die Lösung dann jemandem erklären.

Während dieses Schritts notierten die Forscher, welche Personen bei ihren mathematischen Erklärungen spontan Gesten einsetzten. Schließlich forderten die Forscher die Teilnehmer auf, die Dinge auf der Liste aufzuzählen. An wie viele Dinge konnten sie sich noch erinnern?

Bei Kindern und Erwachsenen war das Ergebnis dasselbe. Diejenigen, die während ihrer mathematischen Erläuterungen mehr gestikulierten, erinnerten sich auch an mehr Dinge.

Die Forscher kamen daher zu dem Schluss, dass das Zusammenspiel von Sprache und Gesten das Arbeitsgedächtnis weniger stark beansprucht als Sprache allein.

Mit anderen Worten: Das Sprechen mit Gesten ist eine Strategie, die die kognitive Belastung minimiert und dem Gedächtnis mehr Raum für andere Aufgaben gibt.

Spätere Forschungen haben diese Erkenntnis untermauert.

Studien deuten darauf hin, dass Gesten Menschen helfen, Aufgaben zu bewältigen, die das verbale Arbeitsgedächtnis beanspruchen, vor allem dann, wenn sie eine geringe Kapazität des Arbeitsgedächtnisses haben.

Auch bei Tests zum visuell-räumlichen Arbeitsgedächtnis wird Gestik mit einer besseren Leistung in Verbindung gebracht.

Wenn Erwachsene Kindern vorschreiben, nicht zu gestikulieren, schneiden sie bei Arbeitsgedächtnisaufgaben deutlich schlechter ab.

Gesten helfen Schulkindern, neue mathematische Lerninhalte zu erfassen und zu behalten

Wenn Gesten dazu beitragen, unser räumliches Vorstellungsvermögen zu verbessern und die kognitive Belastung zu minimieren, könnten sie uns dann auch helfen, mathematische Konzepte zu lernen? Mathematische Aufgaben beanspruchen sowohl die räumliche Intelligenz als auch das Arbeitsgedächtnis, daher wäre es naheliegend dies anzunehmen. Und wieder einmal sind die Beweise dafür überzeugend.

Susan Cook und ihre Kollegen testeten Dritt- und Viertklässler, um zu sehen, ob sie einfache Algebra-Aufgaben wie diese lösen können:

4 + 3 = _ + 6

Keines der Kinder konnte das. Deshalb teilten die Forscher jedes Kind nach dem Zufallsprinzip einer von drei Gruppen zu:

  • In der SPRECH-Gruppe erklärte die Lehrerin dem Kind: „Ich möchte, dass die Summen beider Seiten gleich sind“, und forderte das Kind auf, den Satz zu wiederholen.
  • In der Gruppe GESTEN bewegte die Lehrkraft ihre linke Hand unter die linke Seite der Gleichung und dann ihre rechte Hand unter die rechte Seite der Gleichung. Anschließend bat die Lehrkraft das Kind, diese Handbewegungen zu wiederholen.
  • In der Bedingung GESTEN + SPRECHEN kombinierte die Lehrkraft beide Elemente. Das Kind wurde aufgefordert, sowohl die Worte als auch die Handbewegungen der Lehrerin zu wiederholen.

Nach dem Training bekamen die Kinder eine neue Algebra-Aufgabe, die sie mit der Methode lösen sollten, die ihnen die Lehrkraft gezeigt hatte.

Die Kinder in allen drei Gruppen – SPRECHEN, GESTEN und GESTEN + SPRECHEN – zeigten Fortschritte. Sie waren eher in der Lage, unmittelbar nach der Anleitung eine richtige Lösung zu finden.

Etwas Bemerkenswertes zeigte sich jedoch, als die Kinder vier Wochen später erneut getestet wurden:

Die Kinder, die sich sofort nach dem Gestikulieren – entweder getrennt oder in Kombination mit dem Sprechen – verbessert hatten, konnten diese Verbesserung vier Wochen später eher aufrechterhalten.

Mit anderen Worten: Kinder, die mit Handbewegungen lernten, erinnerten sich besser an die richtige Strategie.

Interessanterweise zeigten diese Kinder auch Anzeichen für eine Übertragung – sie waren in der Lage, ihr neu erworbenes Wissen auf andere Sachverhalte anzuwenden.

Und spätere Studien – mit Hilfe von fMRT-Gehirnscans – zeigten, dass Kinder, die auf diese Weise lernten, beim Lösen weiterer Matheaufgaben eher die motorischen Regionen des Gehirns nutzen.

Möglicherweise ist es also hilfreich, Denkvorgänge mit körperlichen Handlungen zu verbinden. Doch wie sich herausstellt, musst du nicht selbst Gesten erzeugen, um davon zu profitieren.

Auch die bloße Beobachtung von Gesten kann Kindern helfen, Rechenaufgaben zu lösen.

Wir sahen, wie das Beobachten von Gesten Kindern half, neue Vokabeln zu lernen. Könnte es ihnen auch beim Lernen von Mathematik helfen?

Susan Cook und ihre Kolleginnen und Kollegen wollten herausfinden, ob nur die Gesten eines Lehrers oder einer Lehrerin einen Einfluss haben. Deshalb führten sie eine neue Variante des Mathematik-Experiments durch, bei der nur die Lehrkraft zugesehen wurde.

In der unmittelbaren Auswertung schnitten die Kinder, die mit Gesten und Sprache unterrichtet wurden, besser ab als Kinder, die nur verbalen Unterricht erhielten. Der Unterschied vergrößerte sich noch, als die Kinder 24 Stunden später erneut getestet wurden, was darauf hindeutet, dass das bloße Beobachten der Gesten den Kindern half, die Lektion im Langzeitgedächtnis zu speichern.

Cook hat diese Effekte auch mit einer Unterrichtseinheit in Mathematik reproduziert, die von einem computergenerierten, anthropomorphen Avatar durchgeführt wurde, der als Lehrer fungierte. Einem Teil der Kinder wurde nach dem Zufallsprinzip ein Avatar zugewiesen, der sinnvolle Gesten einsetzte. Andere Kinder erhielten genau dieselbe Lektion, nur dass der Avatar nicht gestikulierte.

Die Schüler, die von gestikulierenden Avataren unterrichtet wurden, lernten und lösten die Aufgaben schneller. Wie in der vorherigen Studie waren sie auch eher in der Lage, ihr neues Wissen auf anderen Gebieten anzuwenden.

Wie genau helfen die Gesten eines Lehrers/einer Lehrerin den Kindern beim Lernen von Mathe? Jüngste Experimente unter der Leitung von Elizabeth Wakefield deuten darauf hin, dass es es vor allem um Aufmerksamkeit geht, sowohl visuell als auch akustisch.

Wenn eine Lehrkraft wichtige Teile einer mathematischen Gleichung mit Gesten hervorhebt, schauen die Kinder weniger auf die Lehrkraft, sondern eher auf die angegebenen Zahlen. Außerdem hörten die Kinder der Lehrkraft besser zu.

Was können Gesten noch bewirken?

In jüngster Zeit haben Experimente die Nützlichkeit von Gesten bei der Bildung von Erinnerungen belegt. Sie haben auch gezeigt, dass kleine Kinder mehr Informationen über interessante, autobiografische Ereignisse abrufen, wenn wir ihnen erlauben zu gestikulieren.

Und Experimente zeigten, dass Menschen ein fortlaufendes, logisches Rätsel (den Turm von Hanoi) besser lösen können, wenn sie Gesten benutzen.

Werden zukünftige Forschungsarbeiten weitere Vorteile aufdecken? Das ist sehr wahrscheinlich. Es ist zum Beispiel leicht denkbar, dass Gesten den Schülern helfen, bestimmte Konzepte der Physik zu verstehen. Es wird wohl noch Studien geben, die den Einsatz von sinnvollen Gesten im naturwissenschaftlichen Unterricht erforschen.

Möglicherweise gibt es aber auch einige Überraschungen.

Jüngste Studien haben einige interessante Zusammenhänge bei der Entwicklung der Fähigkeit von Kindern, schlüssige Geschichten zu erzählen, aufgezeigt. Fünfjährige, die Gesten verwenden, um die Perspektive einer Figur darzustellen (z. B. eine Abwärtsbewegung mit den Händen, um zu zeigen, dass ein Charakter hinfällt), entwickeln später tendenziell bessere erzählerische Fähigkeiten.

Im Vergleich zu anderen Kindern ist es in den folgenden Jahren wahrscheinlicher, dass sie Geschichten erzählen, die Ereignisse in chronologischer Reihenfolge nacherzählen, und die Handlungen eines Charakters hinsichtlich seiner Absichten erklären.

Dieser Zusammenhang wurde für das Sprechen nicht gefunden. Das bloße Sprechen über Handlungen aus dem Blickwinkel des Charakters sagte keine künftigen Steigerungen in der erzählerischen Fähigkeiten voraus.

Ist es möglich, dass das körperliche Darstellen von Erlebnissen eines Charakters – sowohl das “ Vorführen“ als auch das “ Erzählen“ – den Kindern hilft, diesen Charakter besser zu verstehen?

Könnte es sein, dass es Kindern hilft, genauer über Ursache und Wirkung nachzudenken und bessere erzählerische Fähigkeiten zu entwickeln? Das ist ein faszinierender Gedanke, den künftige Studien eventuell aufklären werden.

Bildquelle: https://www.freepik.com/free-photo/portrait-excited-smart-little-kid-pointing-finger-up_7336915.htm


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