Die Reaktionen von Babys im Mutterleib auf Musik

by Lara
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Musik im Mutterleib? Es ist mittlerweile ein fast schon kitschiges Klischee der Schwangerschaft – eine werdende Mutter, die ihrem ungeborenen Baby Musik vorspielt.

Doch gibt es das wirklich? Können Föten tatsächlich auf Musik reagieren? Erinnern sie sich später an etwas davon? Die knappe Antwort lautet: Ja.

Im letzten Trimester sind Babys zunehmend in der Lage, eine Reihe von Musiktönen zu hören, und Studien bestätigen, dass Babys im Mutterleib auf die Klänge reagieren, die sie hören. Außerdem: Wenn ein Fötus im letzten Trimester immer wieder dieselbe Melodie „hört“, wird er sie wahrscheinlich auch später als Neugeborenes wieder erkennen.

Machen solche vorgeburtlichen Erlebnisse Kinder schlauer? Sollten sich Eltern bemühen, ihre Babys durch moderne Geräte mit Musik vorzuspielen?

Dafür gibt es keinerlei Beweise, und Expert/innen raten Eltern sogar dringend, bestimmte Arten des Abspielens der Musik zu vermeiden.

Sie raten zum Beispiel davon ab, Kopfhörer oder andere Abspielgeräte direkt auf den Bauch einer schwangeren Frau zu legen. Sie warnen schwangere Frauen auch davor, ihren Körper lauten, tiefen, dröhnenden Geräuschen oder Dezibelwerten auszusetzen, die ein Risiko für ihr eigenes Gehör darstellen.

Dennoch hilft uns die Forschung zu erkennen, dass unsere Babys schon lange vor der Geburt mit der Außenwelt in Kontakt treten. Und sie sollten Eltern dazu ermutigen, musikalische Erlebnisse mit ihren Babys zu teilen – sowohl vor als auch nach der Geburt.

Hier sind die Details:


Ab wann kann ein Baby im Mutterleib Musik hören?

Das Gehör eines Babys wird nicht auf Knopfdruck eingeschaltet. Es entwickelt sich schrittweise, jedes Baby in seinem eigenen Tempo. Natürlich werden Geräusche im Mutterleib abgedämpft – vor allem Töne mit höheren Frequenzen.

Die Frage, in welchem Alter dein Baby dein Lieblingslied hören kann, ist also nicht einfach zu beantworten.

Wir wissen, dass Babys im zweiten Trimester einige Töne wahrnehmen können, und bis zur 25. Schwangerschaftswoche reagiert etwa die Hälfte aller Föten auf Töne im Bereich von 100-500 Hz – ein Bereich, der sich mit der Sprache von Erwachsenen überschneidet. Daher könnten Babys in der Lage sein, Musik – oder zumindest einige Bruchstücke von Liedern – zu hören, die in diesen Bereich fallen.

Aber für bessere Fähigkeiten beim Hören müssen wir warten, bis Babys etwas älter sind, etwa 30 Wochen oder älter. Die meisten Babys reagieren zum Beispiel erst ab der 30. Schwangerschaftswoche auf Töne, die höher als 1000 Hz sind (das ist nur ein bisschen niedriger als das „hohe C“ auf einem Keyboard).

Und als Forscher/innen Föten ein ganzes Schlaflied vorspielten – im Gegensatz zu einzelnen Tönen -, fanden sie Hinweise darauf, dass Babys etwa in der 33. Schwangerschaftswoche Musik aufmerksamer zuhören.

Kann Musik für ein Baby im Mutterleib zu laut sein?

Das ist durchaus möglich, deshalb müssen wir uns bewusst sein, dass auch Musik schädlich sein kann. Seit Jahrzehnten empfehlen Medizinerinnen und Mediziner die gleiche, vorsichtige Herangehensweise an die pränatale Beschallung:

  • Bringe keine Kopfhörer oder andere Geräte für die Tonerzeugung an einem schwangeren Bauch an.
  • Meide Umgebungen, in denen der Lärmpegel dein eigenes Gehör gefährdet.
  • Falls du Klänge mit niedrigeren Frequenzen hörst, vermeide anhaltende Lautstärken über 65 Dezibel. Der Körper der Mutter dämpft die Intensität der Geräusche, die das Baby hört, nicht so effektiv, wenn die Töne tiefer sind. Musik mit einer lauten, pulsierenden Basslinie könnte gefährlich sein.

Wie reagieren Föten auf Musik?

Das ist eine wichtige Frage. Grundsätzlich wissen wir, dass Babys merken, wenn Geräusche – Stimmen oder Musik – in den Mutterleib gelangen. Ihre Herzfrequenz verändert sich und sie bewegen sich mehr.

Aber bemerken Babys auch die Strukturen der Musik? Sind sie sensibel für Melodien? Die spezifische Abfolge der Noten, die sie hören?

Studien deuten darauf hin, dass sich Neugeborene an bestimmte Lieder erinnern können, die sie während der Schwangerschaft gehört haben.

Beweise dafür, dass Babys Lieder, die sie während der Schwangerschaft gehört haben, erkennen können:

Wenn eine schwangere Frau dieselbe Melodie hört – immer und immer wieder -, ist das eine Möglichkeit. Könnte es sein, dass sich ihr Fötus mit der Musik vertraut macht? Und zwar so sehr, dass das Baby – nach der Geburt – in der Lage ist, die Melodie wiederzuerkennen?

Vor Jahrzehnten testete Peter Hepper diese Idee, indem er die Reaktionen von Neugeborenen auf einen speziellen Titelsong einer Fernsehsendung beobachtete. Einige dieser Babys wuchsen bei Müttern auf, die Fans der Fernsehsendung waren. Als Föten hatten diese Babys den Titelsong schon viele Male gehört.

Und die anderen Babys? Ihre Mütter hatten die Sendung während der Schwangerschaft nicht verfolgt. Der Titelsong war ihnen also völlig fremd.

Hepper spielte diese Melodie den Neugeborenen vor und fand Beweise für ein fötales Gedächtnis: Die Babys, die den Titelsong während der Schwangerschaft gehört hatten, wurden wacher. Ihre Herzfrequenz verlangsamte sich und sie hörten auf, sich zu bewegen. Diese Reaktion blieb aus, wenn die gleichen Babys andere, ihnen unbekannte Melodien hörten. Und auch bei den Babys, die während der Schwangerschaft nicht mit der TV-Melodie in Berührung kamen, blieb sie aus.

Interessiert führte Hepper eine Folgestudie durch, bei der er die Föten mittels Ultraschall direkt verfolgte.

Auch hier untersuchte er die Reaktionen der Babys auf denselben TV-Song, und auch hier fand er einen Unterschied. Bei jungen Föten (Babys in der 30. Schwangerschaftswoche) war kein Unterschied zu erkennen. Aber in der 37. Schwangerschaftswoche verhielten sich die Babys anders, wenn sie vertraute Musik hörten (im Gegensatz zu unbekannter Musik).

Ist das eindeutig? Nicht ganz. Die Studien waren sehr klein, so dass es schwierig ist, zufällige Auswirkungen auszuschließen. Doch Heppers Arbeit inspirierte andere Forschungen – und die Befunde unterstützen die Idee, dass Föten sich sehr wohl an Musik erinnern können.

In einem kontrollierten Experiment haben die Forscher/innen zum Beispiel eine einzigartige Klaviermelodie kreiert und aufgenommen und dann schwangere Frauen beauftragt, sie ihren Föten ab der 35. Schwangerschaftswoche vorzuspielen.

Die Föten hörten die Musik nur drei Wochen lang zwei Mal pro Tag. Anschließend hörten sie keine Musk mehr. Erst vier Wochen nach der Geburt hörten sie wieder Musik.

Und dann wurden die Babys – insgesamt 25 – der großen Prüfung unterzogen: Sie wurden in ein Labor gebracht, wo sie die Melodie noch einmal hörten. Zusätzlich hörten sie ein völlig unbekanntes Lied, eine andere Klaviermelodie, die sie noch nie gehört hatten.

Was passierte? Die Forscher/innen beobachteten die Herzfrequenz der Babys und verglichen sie mit der Herzfrequenz von 25 Babys in einer Kontrollgruppe. Und der Unterschied war beeindruckend: In beiden Gruppen verlangsamte sich die Herzfrequenz der Babys kurzzeitig, wenn sie Musik hörten. Aber der Effekt war bei den Babys, die bereits während der Schwangerschaft Musik hörten, viel größer.

Es schien fast so, als ob sie die alte, vorgeburtliche Musik wiedererkannten und sie als besonders beruhigend empfanden.

Was ist mit den Reaktionen des Gehirns?

Hören Babys Musik, wirkt sich das nicht nur auf ihre Herzfrequenz aus. Sie regt auch die Gehirnaktivität an, und Forscher/innen können die Veränderungen dieser Aktivität mit Hilfe von ereigniskorrelierten Potenzialen (ERPs) nachverfolgen – kleinen Spannungsänderungen, die durch das Anbringen von Elektroden an der Kopfhaut eines Babys festgestellt werden können.

Eino Partanen und seine Kolleg/innen nutzten diesen Ansatz, um nach neuronalen Unterschieden in der Art und Weise zu suchen, wie Neugeborene auf Musik reagieren. Reagieren ihre Gehirne anders, wenn sie Musik hören, die sie während der Schwangerschaft kennengelernt haben?

Das Team von Partanen begann seine Studie, indem es ein Dutzend schwangere Frauen bat, ab der 29. Schwangerschaftswoche bestimmte Musik für ihre Föten abzuspielen.

Die Mütter spielten einmal pro Tag, fünfmal pro Woche, ihren Föten eine speziell vorbereitete Keyboardversion des Liedes „Twinkle, Twinkle, Little Star“ vor.

Die Babys hörten dieses Lied sehr oft. Zwischen 138 und 192 Mal!

Allerdings endete der vorgeburtliche „Musik-Unterricht“ unmittelbar vor der Entbindung. Als Neugeborene hörten die Babys die Melodie noch einmal.

Die Forscher/innen zeichneten die ERPs der Babys auf, während sie zuhörten. Dasselbe taten sie auch mit den Babys einer Kontrollgruppe – Neugeborenen, die nicht diese Melodie gehört hatten.

Und das Ergebnis?

Es gab einen deutlichen Unterschied zwischen den Gruppen. Die Babys, welche die Melodie gehört hatten, zeigten eine stärkere, ausgeprägtere Veränderung der Gehirnaktivität, während sie die vertraute Melodie hörten.

Dieser Unterschied blieb bestehen. Die Forscher/innen testeten die Babys 4 Monate nach der Geburt erneut und stellten fest, dass Babys, die „Twinkle, Twinkle“ im Mutterleib kennengelernt hatten, weiterhin eine ausgeprägte Hirnaktivität aufwiesen.

Werden Babys durch das Hören von Musik im Mutterleib intelligenter?

Dafür gibt es keine Beweise, ebenso wenig wie für die Behauptung, dass wir die Intelligenz des Babys durch das Hören von Musik im Mutterleib steigern können.

Tatsächlich sind sich die Forscher/innen nicht einig, ob Musik im Mutterleib einen langfristigen Nutzen für Babys hat.

So haben Forscherinnen und Forscher bei der Untersuchung der Trends in den verschiedenen Studien nicht festgestellt, dass die vorgeburtliche „Musiktherapie“ für Babys medizinisch relevante gesundheitliche Vorteile bietet.

Das Hören von Musik kann den Stress der Mutter reduzieren, und das ist sehr wichtig. Aber es ist noch unklar, ob Babys durch Musik im Mutterleib besondere gesundheitliche Vorteile erfahren.

Trotzdem haben wir Grund zu der Annahme, dass ungeborene Babys durch Musik stimuliert werden und bestimmte Melodien kennen lernen können. Das sollte uns ermutigen, Musik mit unseren ungeborenen Babys zu teilen. Zu singen. Mit Freunden gemeinsam zu musizieren. Musik auf die „altmodische“ Art zu hören – indem wir den Raum mit ihr füllen – nicht mit Kopfhörern.

Diese Studie sollte uns dazu anregen, Neugeborene mit größerem Respekt zu betrachten. Sie sind keine reinen „Überlebensmaschinen“, die nichts können außer zu trinken oder zu weinen.

Im Gegenteil, sie richten schon viele Wochen vor der Geburt ihre Aufmerksamkeit auf die soziale Außenwelt – die Welt der Geräusche. Und wenn sie uns von Angesicht zu Angesicht begegnen, sind sie bereit – und eifrig -, mehr zu lernen.

Bildquelle: https://www.pexels.com/de-de/foto/schwangere-frau-die-mit-ehemann-spricht-der-klavier-spielt-5424639/

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