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Empathie – Erkenntnisse aus der Gehirnforschung

by Lara

Empathie beruht auf der Fähigkeit, die Gefühle anderer zu teilen, also zu fühlen, was andere Menschen fühlen.

Sie wird von vielen Menschen als Grundlage für moralisches Verhalten gesehen.

Manchen erscheint dieses Konzept jedoch etwas zu hochtrabend. Was bedeutet die Aussage „Ich fühle mit dir“? Ist das nicht nur Einbildung?

Nein.

Zum einen zeigt sich, dass auch Tiere – sogar Mäuse und Gänse -, Empathie empfinden und zeigen können.

Zum anderen gibt es für Empathie neurologische Grundlagen.

Die gleichen Gehirnregionen, die unsere eigenen Erfahrungen mit Schmerzen verarbeiten, werden auch aktiviert, wenn wir andere Menschen mit Schmerzen sehen.

Bei der Beobachtung der emotionalen Signale anderer Menschen werdem außerdem Gehirnregionen aktiviert, die mit der Theory of Mind zusammenhängen. Dieser Mechanismus ermöglicht es uns, die Perspektive anderer Personen einzunehmen.

Der Mechanismus der Theory of Mind ist neben der Fähigkeit, unsere eigenen Emotionen unter Kontrolle zu bringen, von entscheidender Bedeutung, um Mitgefühl oder Sympathie zu zeigen. Wenn ich deine Perspektive nicht berücksichtige und meine Impulse nicht unter Kontrolle habe, könnte ich auf deinen Schmerz so reagieren, als wäre er in erster Linie ein Ärgernis oder eine Attacke gegen mich.

Empathie und Mitgefühl sind also nicht nur Vorstellungen. Sie sind in konkreten, messbaren, körperlichen Phänomenen verankert und Teil unserer Natur. Das bedeutet aber nicht, dass wir nicht auch erheblich von Ideen beeinflusst werden. Vielmehr können wir daraus schließen, dass wir nicht ausschließlich auf Training angewiesen sind, um einen Sinn für Empathie zu entwickeln.

Nachfolgend ein kurzer Überblick über die Grundlagen der Empathie, einschließlich Informationen über die Entwicklung der Empathie bei Kindern.

Empathie bei Tieren

In einem Experiment wurden 15 Rhesusaffen darauf trainiert, durch das Ziehen an Ketten Futter zu bekommen. Die Affen lernten rasch, dass eine der Ketten doppelt so viel Futter lieferte wie die andere. Doch dann änderten sich die Bedingungen. Wenn ein Affe an der Kette mit der größeren Belohnung zog, erhielt ein anderer Affe einen Stromschlag.

Nachdem sie sahen, dass ihr Artgenosse einen Schock bekam, wechselten 10 der Affen zur Kette mit der geringeren Belohnung. Zwei andere Affen hörten auf, an beiden Ketten zu ziehen – sie zogen es vor, zu hungern, statt einen anderen Affen leiden zu sehen.

Auch Mäuse reagieren auf Anzeichen von Schmerz ihrer Artgenossen. Forscher/innen der McGill University setzten Mäusepaare zusammen und verabreichten einem oder beiden Mäusen eine Substanz, die leichte Bauchschmerzen hervorruft.

Die Mäuse reagierten auf den Schmerz, indem sie zappelten und ihre Beine streckten. Die Intensität der Reaktion hing jedoch von den sozialen Reizen ab. Die Mäuse zappelten und reckten sich mehr, wenn ihre Artgenossen auch Schmerzen hatten.

Außerdem zogen sich Mäuse, die einen leidenden Artgenossen sahen, schneller von einer unangenehmen Wärmequelle zurück – was darauf hindeutet, dass Mäuse, die das Unwohlsein ihrer Artgenossen miterleben, empfindlicher für ihre eigenen körperlichen Empfindungen werden.

Es ist also keine ausschließlich menschlich Eigenschaft, die Schmerzen anderer als unangenehm zu empfinden.

Doch warum ist Schmerz aus “ zweiter Hand“ überhaupt unangenehm oder belastend?

Empathie bei Kindern

Bahnbrechende Forschungsergebnisse der Neurowissenschaftlerin Jean Decety deuten auf einen faszinierenden neurologischen Zusammenhang zwischen unserer eigenen Schmerzerfahrung aus erster Hand und unserer Wahrnehmung von Schmerzen bei anderen hin.

Wenn normal entwickelten Kindern (im Alter von 7 bis 12 Jahren) Bilder von verletzten Menschen gezeigt wurden, war die Aktivität in derselben Hirnregion erhöht, die auch die eigenen Schmerzen verarbeitet.

Diese natürliche Reaktion – das so genannte „Spiegeln“ – wurde in einer Reihe von anderen Studien, auch an Erwachsenen, nachgewiesen. Das Phänomen könnte auf die Aktivierung von Spiegelneuronen zurückzuführen sein, Nervenzellen, die sowohl aktiviert werden, wenn eine Person eine Handlung selbst ausführt, aber auch, wenn jemand anderes diese Handlung ausführt.

Bisher haben Forscher/innen bestimmte Neuronen identifiziert, die an der Spiegelung von Handbewegungen bei Affen beteiligt sind. Ein spannendes neues Experiment hat bestimmte Regionen des prämotorischen Cortex (PMC) ausfindig gemacht, anhand derer Menschen die entsprechenden Bewegungsabläufe verstehen und nachahmen können:

Als Forscher/innen einen Teil des PMC gezielt (und vorübergehend) blockierten, hatten Menschen größere Schwierigkeiten, pantomimische Handbewegungen zu erkennen, nicht jedoch die Bewegungen der Lippen. Das Blockieren einer anderen, benachbarten Gehirnregion hatte den entgegengesetzten Effekt.

Bisher hat noch niemand spezifische Spiegelneuronen für Schmerz oder Emotionen isoliert, doch die Hinweise auf ihre Existenz häufen sich.

Empathie istmMehr als Spiegelneuronen

Spiegelneuronen können erklären, wie wir Schmerz oder Emotionen aus „zweiter Hand“ erfahren können.

Doch um empathisch zu reagieren, benötigen wir darüber hinaus auch weitere Informationen.

Wir müssen die Sichtweisen anderer Menschen verstehen.

Außerdem müssen wir unsere eigenen ablehnenden Reaktionen auf die Darstellung des Schmerzes oder der Not einer anderen Person überwinden.

Die Gehirnforschung scheint diesen Zusammenhang zwischen Theory of Mind und Empathie zu bestätigen. Wenn Menschen zum Beispiel gebeten wurden, den emotionalen Gesichtsausdruck anderer zu bewerten, zeigten sie eine Aktivierung in den Hirnregionen, die mit Theory of Mind Aufgaben verbunden sind.

Und die Theory of Mind ist wahrscheinlich auch in anderer Hinsicht wichtig. Jean Decety und seine Kolleg/innen haben zum Beispiel untersucht, wie sich das Gehirn zwischen Unfallopfern und Opfern von Übergriffen unterscheidet.

Die neurologische Grundlage der Moral?

Um besser zu verstehen, wie die Theory of Mind zur Wahrnehmung von Schmerzen aus „zweiter Hand“ beiträgt, hat das Team von Decety Kindern zwei Arten von Bildern gezeigt. Eine Auswahl zeigte Menschen, die einen schmerzhaften Unfall erlitten. Die andere zeigte Menschen, die von Angreifern schikaniert wurden.

In beiden Fällen zeigte die fMRT (funktionelle Magnetresonanztomografie), dass das bloße Anschauen der Bilder Gehirnregionen aktivierte, die mit dem eigenen Empfinden von Schmerz verbunden sind.

Wenn Kinder jedoch Bilder von einer Person sahen, die einer anderen Person absichtlich Schmerzen zufügte, wurden weitere Hirnregionen aktiviert.

Untersuchungen mit Hilfe von Bildern des Gehirns und Studien mit hirngeschädigten Patienten legen nahe, dass diese Regionen mit sozialer Interaktion, emotionaler Selbstkontrolle und moralischem Denken zusammenhängen.

Aktivierten sich die zusätzliche Hirnregionen, weil die Kinder soziales und moralisches Denken betrieben? Das scheint sehr plausibel.

Das bloße Vorhandensein mehrerer Personen auf den Bildern verursachte nicht die Aktivität, das haben die Forscher/innen berücksichtigt. Als sie am Ende des Experiments die Kinder befragten, machten die meisten von ihnen eine Aussage über die Ungerechtigkeit, die den Opfern widerfuhr.

Empathie und das Gehirn: Warum Kinder grausam sein können

In der oben erwähnten Studie maß man die Antworten normal entwickelter Kinder. Wie sieht das bei Kindern aus, die eine gnadenlose Ader zeigen?

Die Gruppe von Decety (2009) führte eine ähnliche fMRT-Studie mit Jungen im Teenageralter durch, die an einer sozialen Verhaltensstörung (CD, engl. conduct disorder) leiden.

Diese Störung ist eine schwere psychische Erkrankung, die mit Verhaltensweisen wie körperlicher Aggression, manipulativen Lügen, sexuellen Übergriffen, Tierquälerei, Vandalismus und Mobbing einhergeht. Sie ist auch eine Vorstufe zur Antisozialen Persönlichkeitsstörung im Erwachsenenalter.

Die Forscher/innen untersuchten Jungen im Alter von 16-18 Jahren und zeigten ihnen dieselben Bilder von Unfällen und Übergriffen wie oben erwähnt.

Die Resultate waren sehr interessant.

Ich fühle mit dir… und es macht mich wütend

In mancher Hinsicht reagierten die Jungen mit CD wie die Jungen der Kontrollgruppe.

Vor allem das System der Spiegelneuronen für Schmerz wurde in beiden Gruppen aktiviert.

Es gab allerdings auch drastische Unterschiede.

Erstens wurden bei den Jungen mit Verhaltensauffälligkeiten weniger Gehirnregionen aktiviert, die mit Selbstkontrolle, Theory of Mind und moralischem Denken in Verbindung stehen.

Zweitens zeigten die verhaltensgestörten Jungen eine verstärkte „Spiegel“-Reaktion auf versehentlich ausgelöste Schmerzen.

Im Gegensatz zur Kontrollgruppe waren bei den verhaltensauffälligen Jungen die Amygdala und das Striatum auf beiden Seiten stark aktiviert.

Was hat das zu bedeuten? Das ist unklar. Die Amygdala verarbeitet Emotionen. Starke Reize aktivieren das Striatum – sowohl angenehme als auch unangenehme.

Es gibt also mindestens zwei Möglichkeiten.

Die aggressiven Jungen könnten einen angenehmen „Kick“ bekommen haben, wenn sie den Schmerz anderer sahen.

Da aber auch ihre eigenen Schmerzzentren stark aktiviert waren, ist ebenfalls möglich, dass die Beobachtung von Schmerzen aus zweiter Hand bei ihnen eher negative Emotionen auslöste – Emotionen, die die Jungen dazu veranlassten, sich aggressiver zu verhalten.

Wie Decety und seine Kolleg/innen betonen, können negative Emotionen – vor allem bei Menschen mit schlechter emotionaler Kontrolle – zu Erregung und Aggressionsausbrüchen führen. Dieser Effekt kann sich bei Kindern, die Schwierigkeiten haben, ihren eigenen Schmerz von dem anderer zu unterscheiden, noch verstärken.

Decety und Kolleg/innen nehmen an, dass Jungen mit Verhaltensstörungen ein hohes Maß an Aufregung oder Verzweiflung erleben, wenn sie Schmerzen aus zweiter Hand wahrnehmen. Wenn dieser Stress mit einer mangelhaften Selbstregulierung einhergeht, rasten sie aus.

Doch egal, ob der Schmerz aus zweiter Hand aggressive Kinder erfreut oder verärgert, eines scheint sicher zu sein:

Das Gehirn von Jungen mit Verhaltensstörungen reagierte stärker auf Bilder von Menschen, die unter Schmerzen leiden.

Diese Reaktion war mit den aggressiven Tendenzen der Jungen verknüpft. Je stärker das Gehirn eines Jungen auf Schmerzen aus zweiter Hand reagierte, desto höher waren seine Werte in den Bereichen Waghalsigkeit und Sadismus.

Kann Empathie erlernt werden?

Tierversuche und Gehirnscans könnten uns zu der Vermutung verleiten, dass das Empathiegefühl ein automatisierter Prozess ist.

Doch wie bereits erwähnt, ist Empathie ein Sammelbegriff für ein ganzes Bündel von Fähigkeiten, und es gibt erdrückend viele Beweise dafür, dass Empathie und Mitgefühl durch persönliche Erfahrung und kulturelle Hintergründe beeinflusst wird.

Andererseits deuten Experimente darauf hin, dass der Konsum von gewalttätigen Inhalten in den Medien uns unempfindlich machen und die Wahrnehmung von Gewalt aus zweiter Hand im Gehirn dadurch abstumpfen kann. Es ist auch ziemlich klar, dass Menschen den Schmerz, den sie bei Opfern wahrnehmen, herabstufen, wenn diese Opfer

  • Fremde sind
  • eine anderen Herkunft haben oder einer Randgruppe angehören
  • oder Personen, die durch ein soziales Stigma gekennzeichnet sind.

Das mag trostlos klingen, aber dieselbe Studie zeigt auch Möglichkeiten auf, wie wir unsere Empathiefähigkeit weiterentwickeln können. Es ist zum Beispiel wahrscheinlich, dass wir Empathie für Menschen aus anderen Bevölkerungsschichten entwickeln können, indem wir über die Gemeinsamkeiten, die uns verbinden, nachdenken.

Bildquelle: https://www.freepik.com/free-photo/medium-shot-girls-hugging-outdoors_31495183.htm

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