Wann ist es in Ordnung, das Kind eines anderen zu bestrafen? Meiner Meinung nach immer dann, wenn das Kind eine wohlverdiente Konsequenz braucht.
Hör zu, ich bin erschöpft. Ich bin überwältigt. Es kann sein, dass ich leicht angeheitert bin. Vielleicht habe ich es nicht gesehen, oder ich habe es verdrängt. Egal wie die Umstände sind, wenn du siehst, dass mein Kind sich wie ein Idiot benimmt, würdest du mir einen Gefallen tun und es ihm sagen?
Komisch, unsere Eltern mussten nie etwas sagen, das dieser Aussage auch nur annähernd ähnelte. Damals, als wir Kinder waren – als ein Telefonanruf ein paar Pfennige kostete und Val Kilmer noch ziemlich angesagt war – konnte jedes Elternteil dich zurechtweisen, ausschimpfen oder dir sogar den Hintern versohlen, und wehe dem Kind, das das als unfair empfand.
Solltest du die Kinder anderer Leute bestrafen?
Du: „Sepps Mutter ließ mich meinen Mund mit Seife auswaschen, weil ich Sepp einen dummen Penner genannt habe!“
Dein Elternteil: „Du hast Glück, dass ich nicht da war. Ich hätte dich mit Benzin* gurgeln lassen!“
(*Kein Scherz, ich bin mir ziemlich sicher, dass meine Eltern das gesagt haben.)
Versteh mich nicht falsch: Auf keinen Fall würde ich es in Ordnung finden, wenn du auch nur einen meiner geliebten Sprösslinge, die Früchte meines Leibes, anrührst, und wenn du sie nicht einmal kennst und sie wegen eines unschuldigen Unfalls schlägst, wirst du meine Meinung dazu schon zu hören bekommen. Aber wenn du mit einem strengen, aber respektvollen Wort oder einer wohlverdienten Konsequenz eingreifst, dann bin ich sehr dankbar dafür. Als Gegenleistung für dein Versprechen, schnell und angemessen zu reagieren, wenn du siehst, dass mein Kind ein kleiner Schlingel ist, gelobe ich feierlich, mich zu revanchieren.
Es würde niemals jemand auf die Idee kommen, jemandem zu drohen, ihn zu verklagen, wenn er sagt: „Friedrich, solche Wörter benutzen wir in diesem Haus nicht. Bitte entschuldige dich bei Noah oder du musst nach Hause gehen.“ Keine Mutter wird einer anderen Mutter in den sozialen Medien den Krieg erklären, wenn sie mit ihren Sohn schimpft: „Hannes, ich muss dir dein Lichtschwert wegnehmen, bis du begreifst, dass es nicht zum Schlagen da ist.“ Und Ermahnungen wie: „Bella, deine 10 Minuten auf der Schaukel sind schon seit 10 Minuten vorbei. Wenn du Henry nicht mal an die Reihe lässt, darfst du sie nicht mehr benutzen“, werden. Wohl selten mit lauter Kritik beantwortet.
Laut einer Umfrage zu diesem Thema befinde ich mich in dieser Frage in der knappen Mehrheit. Von den mehr als 8.300 Befragten stimmen 52 Prozent mit mir überein, dass es in Ordnung ist, ein fremdes Kind zu erziehen und disziplinieren, während 48 Prozent es vorziehen, diese undankbare Aufgabe ganz allein zu erledigen.
Ich sehe das folgendermaßen: Wenn du mir den Rücken freihältst, zeigst du meinen Kindern, dass das Einfordern von Freundlichkeit und Gehorsam nicht nur eine seltsame Marotte von mir ist, sondern eine universelle Erwartung. Du zeigst ihnen, dass die wachsamen Augen ihrer Eltern nicht die einzigen sind, um die sie sich Sorgen machen müssen – eine Lektion, die ihnen in der Schule und im Leben von Nutzen sein wird. Und das Beste ist: Wenn meine Kinder sehen, dass ich nicht der einzige Erwachsene bin, der schlechtes Benehmen nicht toleriert, werden sie es viel eher lassen.
Also vielen Dank im Voraus. Ich bin dir etwas schuldig.
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