Schüchternheit ist unter Vorschulkindern ziemlich weit verbreitet. Kinder in dieser Altersgruppe befinden sich noch in der „Bindungsphase“, die für das Säuglingsalter typisch ist. Deshalb ist es normal, dass sie etwas ängstlich sind, wenn sie von ihren Eltern getrennt oder in ungewohnte Situationen gebracht werden. Aus diesem Grund kann es schwierig sein, soziale Ängste bei kleinen Kindern zu erkennen: Wo endet die natürliche Schüchternheit und wo beginnt eine Soziale Phobie? Wann solltest du professionelle Hilfe für dein Kind suchen?
Um diese Fragen zu beantworten, musst du verstehen, was Soziale Phobie von Schüchternheit unterscheidet. Außerdem musst du wissen, welche Erziehungsmethoden du ausprobieren solltest, bevor du eine Therapie in Betracht ziehst.
Soziale Phobie vs. Schüchternheit
Schüchternheit ist eine milde Form der sozialen Angst, die nur selten behandelt werden muss, vorausgesetzt, das betroffene Kind wird zu Hause ausreichend unterstützt. Schüchterne Kinder zögern, auf andere zuzugehen oder sich in unbekannte Umgebungen zu wagen, aber sie können ihre Zurückhaltung mit Ermutigung überwinden. Diese Kinder sind auch in der Lage, von sich aus Freunde zu finden, auch wenn sie es oft vorziehen, ihren sozialen Kreis klein zu halten.
Schwere Soziale Phobien hingegen lösen sich nicht immer von selbst auf. Kinder mit dieser Störung leiden unter lähmender Angst, wenn sie sich in einer Gruppe befinden. Manchmal ist diese Angst so stark, dass sie normale Aktivitäten beeinträchtigt, z.B. wenn das betroffene Kind nicht zur Schule gehen oder keine Freundschaften schließen kann. Kinder, die unter sozialen Ängsten leiden, haben ein erhöhtes Risiko für Depressionen, Mobbing, schulische Probleme und Drogenmissbrauch im Teenageralter. Eine frühzeitige Behandlung der sozialen Ängste ist notwendig, um diese unerwünschten Folgen zu verhindern.
Möglichkeiten, deinem Kind zu helfen
Auch wenn Kinder mit sozialen Ängsten manchmal eine Therapie brauchen, um mit ihrem Zustand fertig zu werden, kannst du zu Hause viel tun, um deinem Kind zu helfen, sich zu entwickeln. Mit den folgenden vier Erziehungsstrategien kannst du soziale Ängste bei deinem Kind erkennen und ihm helfen, die damit verbundenen Herausforderungen zu meistern:
1. Die Angst erkennen: Wie verhält sich dein Kind außerhalb der Familie?
Soziale Phobien bleiben oft jahrelang unerkannt, weil sich viele sozial ängstliche Kinder zu Hause gut benehmen und zufrieden zu sein scheinen. In der Schule (und in anderen Situationen, in denen Kinder mit Menschen außerhalb der Familie interagieren müssen) sind soziale Ängste hingegen deutlicher zu erkennen. Beobachte, wie sich dein Kind gegenüber Lehrkräften und Gleichaltrigen verhält:
Lässt es sich nur sehr zögerlich auf ein Gespräch ein, selbst wenn es mit dir und ihrer Lehrkraft allein ist? Vermeidet es beim Sprechen den Blickkontakt? Drückt es sein Unbehagen körperlich aus, indem es z.B. viel zappelt, zittert oder weint, wenn es sich mit anderen unterhalten muss? Jedes dieser Verhaltensmuster kann auf soziale Ängste hindeuten.
Kinder mit dieser Krankheit vermeiden es auch, an Gruppenaktivitäten teilzunehmen, lehnen Einladungen zu Partys ab und klagen über eingebildete Beschwerden (wie Kopf- und Bauchschmerzen), um sozialen Situationen zu entgehen.
2.Unterstütze dein Kind bei Herausforderungen aber beschütze es nicht zu sehr
Wenn wir sehen, wie sich ein kleines Kind abmüht, wollen wir es automatisch beschützen und es ihm so bequem wie möglich machen. Falls du ein Kind mit sozialen Ängsten erziehst, kann dieser Drang jedoch nach hinten losgehen: Wenn du dein Kind zu sehr beschützt, kann das die Ängste deines Kindes sogar noch verstärken. Wenn du deinem Kind erlaubst, sich hinter dir zu verstecken oder für es zu sprechen, sendest du die Botschaft aus, dass soziale Situationen wirklich gefährlich sind – so gefährlich, dass nur Mama oder Papa sie meistern können. Stattdessen solltest du hinter deinem Kind stehen und es sanft ermutigen, sich vorzustellen, wenn es neue Leute trifft. Auf diese Weise bist du nah genug, um ein Gefühl der Sicherheit zu vermitteln, aber dein Kind hat die Situation fest im Griff.
Wenn sich dein Kind erfolgreich vorstellt oder am Gruppenspiel teilnimmt, nimm dir einen Moment Zeit, um es zu loben. Sag etwas wie: „Siehst du? Ich wusste, dass du es schaffst! Ich bin so stolz auf dich.“ Wenn du deinem Kind zeigst, dass du an seine Fähigkeit glaubst, sich seinen Ängsten zu stellen, kann das sehr ermutigend sein.
Du solltest auch auf deine eigene Körpersprache achten, wenn dein Kind in der Vorschule ist: Wenn du Anzeichen von Anspannung zeigst, wie z. B. hastiges Gehen oder die Hand deines Kindes fest umklammern, bestätigst du die Ängste deines Kindes. Lege ein ruhiges, selbstbewusstes Verhalten und eine selbstbewusste Körpersprache an den Tag, um dein Kind zu beruhigen und ihm ein positives Beispiel zu geben, dem es folgen kann.
Übe mit deinem Kind neue Situationen
Phantasiespiele sind ein hervorragendes Ventil für die Sorgen und Ängste von Kindern und können auch dazu genutzt werden, ihnen neue Fähigkeiten und Bewältigungsmechanismen beizubringen. Bevor dein Kind sich in eine unbekannte soziale Situation begibt, kannst du es zu Hause üben lassen, entweder direkt oder durch Rollenspiele mit Stofftieren. Wenn dein Kind zum Beispiel nervös ist, weil es vor seiner Klasse sprechen muss, kannst du eines seiner Spielzeuge vor eine Gruppe anderer Spielzeuge stellen und es dann auffordern, dem Spielzeug zu helfen, eine Rede zu halten. Lass dein Kind die Aktivität so lange wiederholen, bis es sich langweilt; je mehr es übt, desto sicherer wird es.
4. Sprich dich mit anderen Erwachsenen im Umfeld deines Kindes ab und erstellt einen Plan
Ängstliche Kinder haben ein erhöhtes Bedürfnis nach Beständigkeit. Wenn dein Kind von Eltern, Betreuer:innen (wie Verwandten und Babysittern) und Lehrkräften die gleichen Botschaften erhält, hat es bessere Chancen, seine Ängste zu überwinden. Sprich mit den anderen Erwachsenen im Leben deines Kindes und erstelle einen Plan, wie du ihm helfen kannst, sich gut zurechtzufinden. Dein Plan sollte klare Ziele und spezifische Methoden zur Verhaltensänderung enthalten.
Wenn du diese vier Strategien anwendest und keine Besserung der Symptome deines Kindes feststellst, solltest du einen Arzt oder eine psychologische Fachkraft um Rat fragen. Vielleicht ist die Angst deines Kindes zu stark, um sie allein zu bewältigen, oder dein Kind leidet an einer anderen Störung oder Lernschwäche. Einige Krankheiten wie Autismus und ADHS können leicht mit sozialen Ängsten verwechselt werden. Eine genaue Diagnose ermöglicht es dir, die richtige Behandlung für dein Kind zu finden und ihm den Weg zu persönlichem und sozialem Selbstbewusstsein zu ebnen.
Bildquelle: https://www.pexels.com/de-de/foto/kind-junge-decke-handtuch-8654460/