Einige Mediziner empfehlen Probiotika für Kinder mit akutem Durchfall und zur Vorbeugung von Durchfall, den Antibiotika verursachen.
Sie stellen fest, dass Probiotika auch bei bestimmten anderen Beschwerden helfen können.
Bevor du jetzt aber in die Apotheke gehst um deinen Medizinschrank aufzustocken, solltest du wissen, dass sich der Begriff „Probiotika“ auf eine umfangreiche Gruppe von Mikroorganismen bezieht, die im menschlichen Körper vorhanden sind.
Verschiedene Arten von Probiotika – sogar verschiedene Varianten der gleichen Art – können unterschiedliche Wirkungen haben.
Beim Kauf von probiotischen Präparaten solltest du daher die Inhaltsstoffe genau prüfen. Einige handelsübliche Präparate beinhalten nämlich die falschen Bakterien.
In einer aktuellen Studie über Probiotika bei Kindern mit Durchfall kommen der Forscher Brad C. Johnston und seine Kollegen zu dem Schluss, dass die besten Mikroorganismen für den heilenden Einsatz folgende sind:
- Lactobacillus rhamnosis GG (ein Bakterienstamm, der auch als Lactobacillus GG oder LGG bekannt ist)
- Lactobacillus sporogenes (ein weiteres Bakterium)
- Saccharomyces boulardii (eine Hefe)
in einer Dosierung von 5 bis 40 Milliarden KBE/Tag.
Lactobacillus GG eignet sich besonders gut zur Behandlung von Durchfall bei Kindern, den Rotaviren verursachen. Im Gegensatz zu anderen Lactobaccillus-Arten verstärkt LGG die Reaktion des Immunoglobins A gegen Rotaviren. Außerdem gibt es Grund zu der Annahme, dass Lactobaccillus-Stämme besonders verträglich sind (siehe unten).
Doch nicht jede Studie über Probiotika zur Behandlung von Durchfallerkrankungen bei Kindern hat positive Auswirkungen gezeigt. Warum nicht?
Hierfür gibt es mehrere Möglichkeiten.
Die Forschungsarbeiten zu Probiotika sind noch relativ neu, und es gibt noch vieles, das wir nicht wissen. Wissenschaftler/innen haben noch nicht herausgefunden, welche Arten von Probiotika am besten geeignet sind, und wie die optimale Dosierung aussieht.
Zudem scheint es so, dass Herstellungsverfahren die Wirksamkeit eines Probiotikums beeinflussen. In einer Studie die verschiedene freiverkäufliche Probiotika verglich, stellten die Forscher/innen fest, dass verschiedene Quellen des gleichen probiotischen Stammes deutlich unterschiedliche Eigenschaften aufwiesen.
Es ist auch möglich, dass die Wirkung eines Probiotikums von der einnehmenden Person abhängt – vor allem davon, welche Arten probiotischer Mikroorganismen die Person schon in ihrem Verdauungstrakt hat. Verschiedene Arten von Probiotika können sich nämlich gegenseitig hemmen.
Außerdem ist es eher unwahrscheinlich, dass Probiotika für alle Menschen verträglich sind. Manche Menschen – z. B. Frühgeborene und Menschen mit einem geschwächten Immunsystem – gefährdet die Einnahme von Probiotika (siehe „Sicherheitsbedenken“ unten).
Es gibt also viele Faktoren, die für die unterschiedlichen Ergebnisse der einzelnen Studien verantwortlich sind. Es ist ebenso möglich, dass einige Studienergebnisse irreführend sind – also nur zufällig entstanden sind.
Dennoch gibt es gute Anhaltspunkte dafür anzunehmen, dass Probiotika eine einigermaßen wirksame Lösung für verschiedene Beschwerden sind. Hier sind die wichtigsten Erkenntnisse aus der Forschung.
Probiotika für Kinder
Probiotika sind „freundliche“ Mikroorganismen, die den Darm und andere Teile des Körpers, einschließlich der Haut, besiedeln. Sie wurden von der UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft und der WHO so definiert:
„Lebende Mikroorganismen, die, wenn sie in ausreichender Menge eingesetzt werden, einen gesundheitlichen Nutzen bringen“.
Diese gesundheitlichen Vorteile befinden sich noch im Forschungsprozess. Zumindest wissen wir, dass Probiotika die Verdauung fördern.
Es gibt zudem Hinweise dafür, dass einige Probiotika bei der Bekämpfung von Entzündungen helfen, entweder weil:
- Probiotika mit schädlichen Bakterien um den Lebensraum kämpfen (d. h., sie halten das Wachstum schädlicher Bakterien in Schach) und/oder
- Probiotika regen das Immunsystem auf eine Weise an, die dem Körper hilft, Krankheitserreger zu erkennen.
Forscher/innen testen probiotische Therapien für eine Reihe von Krankheiten. Einige Beispiele:
- Probiotika reduzieren Entzündungen im Darm und scheinen eine hilfreiche Therapie für mittelstarke (aber nicht unbedingt starke) Fälle von Durchfall zu sein. So hat Lactobacillus rhamnosus GG in randomisierten, doppelblinden Studien die Dauer und das Ausmaß von Durchfallerkrankungen bei Babys und kleinen Kindern reduziert. Die Wirksamkeit von Probiotika hängt jedoch von dem/den verwendeten Stamm(en) sowie von der Ursache des Durchfalls ab. L. rhamnosis GG, L. reuteri und B. lactis Bb1 halfen bei wässrigem, viralen Durchfall und bei Durchfall, den Antibiotika verursachten. Bei Durchfall, der durch die Ansammlung des eigentlich harmlosen Darmbakteriums Clostridium difficile entstand, sind sie nicht so wirksam. Bei Durchfall, der durch C. difficile verursacht wird, kann die probiotische Hefe Saccharomyces boulardii besser geeignet sein.
- Lactobacillus rhamnosus GG kann Bauchschmerzen bei Kindern mit einer entzündlichen Darmerkrankung lindern. In einem Doppelblindversuch hatten Kinder, die 8 Wochen lang mit dem Lactobacillus behandelt wurden, seltener und geringere Schmerzen als Kinder, die Placebos erhielten.
- Die regelmäßige Einnahme von Probiotika könnte das Risiko von Ohr- und Atemwegsinfektionen verringern. In einer randomisierten Doppelblindstudie erhielten Babys, die mit Säuglingsmilch gefüttert wurden, im Alter von 2 bis 12 Monaten zusätzlich Säuglingsmilch mit Lactobacillus rhamnosus GG und Bifidobacterium lactis Bb-12. Im Vergleich zu Babys, die ein Placebo erhielten, hatten die behandelten Babys seltener Ohrenentzündungen und seltener wiederkehrende Atemwegsinfektionen.
- Probiotika – vor allem Laktobazillen und Bifidobakterien – könnten bei der Behandlung von atopischer Dermatitis helfen, zumindest bei mittelschweren (im Gegensatz zu leichten) Fällen. Die Einnahme von Probiotika kann auch atopischer Dermatitis bei Babys mit hohem Risiko für diese Krankheit vorbeugen. In einigen Studien konnte dieser Effekt jedoch nicht nachgewiesen werden, und es wurde sogar ein Zusammenhang zwischen dem täglichen Verzehr von Probiotika bei Babys und der Zunahme von Atemwegsallergien festgestellt. Aus diesem Grund stellen die Forscher/innen fest, dass es nicht genügend Beweise gibt, um die regelmäßige Einnahme von Probiotika bei Babys zur Vermeidung von atopischen Erkrankungen und anderen Allergien zu empfehlen.
- Es gibt noch keine überzeugenden Beweise dafür, dass die Einnahme von Probiotika Atemwegsallergien vorbeugt. Wie bereits erwähnt, gibt es sogar Hinweise dafür, dass der tägliche Verzehr von Probiotika das Risiko für Atemwegsallergien bei Babys erhöhen kann.“ Bis jetzt gibt es keine Erkenntnisse über vorteilhafte Auswirkungen von Probiotika hinsichtlich der Vorbeugung von Heuschnupfen oder Asthma“.
- Die regelmäßige Einnahme von Probiotika könnte Harnwegsinfektionen vorbeugen, aber es ist noch verfrüht, konkrete Schlussfolgerungen zu ziehen. Randomisierte, doppelblinde Experimente müssen durchgeführt werden.
- Das Probiotikum Lactobacillus reuteri könnte die Symptome von Koliken bei jungen Babys verringern. In einer aktuellen Studie weinten kolikartige, gestillte Babys, die L. reuteri-Präparate erhielten, weniger häufig als Babys, die Simethicon-Tropfen bekamen.
- Probiotika wirken sich auch auf den Stoffwechsel aus und könnten das Risiko von Fettleibigkeit verringern. Doch auch dieser Punkt ist zum aktuellen Zeitpunkt noch spekulativ. Mehr Forschungsarbeit ist nötig.
Bedenke, dass selbst die vermeintlichen Erfolgsgeschichten korrigiert werden können. Wie mehrere Forscher/innen feststellten, befindet sich die Forschung bezüglich Probiotika noch in den Anfängen. Und es lohnt sich zu betonen, dass die Wirksamkeit von Probiotika wahrscheinlich davon abhängt, welchen Stamm oder welche Art du verwendest und wie hoch die Dosis ist.
Sind Probiotika für Kinder unbedenklich?
Einige Probiotika kommen natürlich im Verdauungstrakt der meisten Menschen vor, und bei Menschen mit einem starken Immunsystem gibt es keine Sicherheitsbedenken hinsichtlich der Einnahme von Probiotika.
In einer randomisierten Doppelblindstudie an Säuglingen mit Säuglingsmilch verabreichten Forscher/innen einigen Babys eine mit Bifidobacterium lactis angereicherte Säuglingsmilch. Eine Kontrollgruppe bekam die normale Säuglingsmilch. Im Laufe von 7 Monaten maßen die Forscher/innen das Wachstum und die Immunfunktionen der Babys. Sie fanden keine nennenswerten Unterschiede zwischen den Gruppen. Diese Ergebnisse wurden als Beweis dafür gewertet, dass Bifidobacterium lactis grundsätzlich unbedenklich für Babys ist.
In einer anderen Studie über Baby-Nahrung wurde eine Kombination aus Lactobacillus rhamnosus GG und LC705, Bifidobacterium breve Bb99 und Propionibacterium freudenreichii ssp shermanii getestet. Auch hier fanden die Forscher/innen keine Unterschiede im Wachstum oder bei „schwerwiegenden Nebenwirkungen“ zwischen den Babys in der Test- und in der Kontrollgruppe.
In der aktuellsten randomisierten Doppelblindstudie wurden die Auswirkungen von Bifidobacterium lactis Bb12 auf Säuglingsmilch getestet. Babys, die das Probiotikum erhielten, zeigten Anzeichen eines stärkeren Immunsystems, und die Nahrungsergänzung wirkte sich möglicherweise besonders vorteilhaft auf Babys aus, die per Kaiserschnitt geboren wurden.
Doch es gibt auch Grund zur Vorsicht:
- Wie Touraj Shafai anmerkt, belegen die oben genannten Studien nicht, dass gestillte Babys Probiotika erhalten sollten. Zwar scheinen Probiotika die Infektionsrate bei Babys die mit Säuglingsmilch gefüttert werden zu senken, doch scheint das Stillen einen noch höheren Schutz zu bieten.
- Bei bestimmten Gruppen wie Frühgeborenen und Menschen, die sehr krank sind oder an einer Immunschwäche leiden, können Probiotika das Risiko von Bakterien- und Pilzinfektionen erhöhen.
- Wie viele „alternative“ Nahrungsergänzungsmittel sind auch die freiverkäuflichen Probiotika nur schlecht reguliert. Einige Präparate enthalten die falschen Bakterienarten oder -stämme. Und, wie bereits erwähnt, können unterschiedliche Herstellungsverfahren die Wirksamkeit von Probiotika beeinflussen.
- Da es noch nicht viele randomisierte, kontrollierte Studien gibt, in denen die Wirkung von Probiotika auf Kinder überprüft wurde, gibt es noch eine Menge, was wir nicht wissen. Wie oben erwähnt, ist noch unklar, welche Sorte(n) am besten geeignet sind. Auch wissen wir nicht, wie die optimale Dosierung aussieht.
Außerdem sollten wir uns vor Augen halten, wie wenig wir über die langfristigen Auswirkungen der täglichen Einnahme von Probiotika bei Kindern wissen. Wie Forscher/innen der American Academy of Pediatrics kürzlich feststellten, sind die „langfristigen Auswirkungen auf die Darmflora von Kindern unbekannt“.
Lactobaccillus in Joghurts und anderen Lebensmitteln
Was ist mit Probiotika, die von Natur aus in Lebensmitteln vorkommen, z. B. in fermentierten Milchprodukten?
Es scheint wahrscheinlich, dass Lactobaccillus-Stämme – vor allem Lacobacillus rhamnosus GG – von den meisten Menschen gut vertragen werden. Wie Robert J. Boyle und seine Kollegen festgestellt haben, wurden Lactobaccillus-Stämme gesunden Babys verabreicht, ohne dass es nennenswerte Nebenwirkungen gab. Sogar HIV-positiven Kindern wurden sie verabreicht, ohne dass dies negative Folgen hatte.
Zudem gibt es Anhaltspunkte dafür, dass Babys Laktobazillen in ihrem Verdauungstrakt haben. Die menschliche Muttermilch enthält den Bifidusfaktor, der das Wachstum von Lactobacillus bifidus im Verdauungstrakt des Babys fördert.
In Finnland wurde ein inoffizieller, bevölkerungsweiter Versuch durchgeführt.
Seit 1990 ist Lactobacillus rhamnosus GG in vielen finnischen Lebensmitteln enthalten, und der durchschnittliche Finne hat den Verzehr von LGG stark erhöht. Dennoch haben die Wissenschaftler/innen in Finnland keinen Anstieg von bakteriellen Infektionen im Blut feststellen können.
Doch sind alle probiotischen Lebensmittel gleichermaßen hilfreich? Keineswegs. Im Jahr 2010 verglichen finnische Forscherinnen und Forscher die Auswirkungen der Verabreichung von Probiotika in Kapseln, Joghurt und Käse. Für zwei der Probiotika (P. freudenreichii subsp. shermanii JS und Bifidobacteria animalis) schien Joghurt am effektivsten zu sein.
Die Schlussfolgerung?
Probiotika für Kinder scheinen unter bestimmten Umständen vorteilhaft auszuwirken – insbesondere bei Kindern mit Durchfall. Für andere Erkrankungen ist die Beweislage hingegen weniger eindeutig. Bevor du ein probiotisches Präparat kaufst, solltest du genau herausfinden, was wirklich drin ist.
Was ist mit Präbiotika?
Wenn du die tägliche Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln in Erwägung ziehst, gibt es noch einen anderen Ansatz: Probiotische Organismen, die bereits im Verdauungssystem deines Kindes vorhanden sind, werden gestärkt. Präbiotika sind nicht verdauliche Bestandteile der Nahrung, die das Gedeihen von Bifidobakterien und Laktobazillen fördern.
Bildquelle: https://www.pexels.com/de-de/foto/glas-medizinisch-behandlung-flasche-4047111/