Brauchen Kinder Tageslicht? Studien bestätigen, dass Kinder davon profitieren, wenn sie im Freien einer Beleuchtung ausgesetzt sind, die weit mehr Licht als in einem normalen Klassenzimmer bietet.

Helles Licht hebt die Stimmung und fördert die Konzentration. Es hilft, Erkrankungen, Störungen des Tagesrhythmus und Kurzsichtigkeit zu verhindern. Außerdem legen neue Studien nahe, dass helles Licht einen entscheidenden Einfluss auf unser Gehirn hat. Es fördert die Bildung neuer Synapsen und verbessert unsere Lernfähigkeit.

Beginnen wir mit einer grundlegenden Beobachtung. Im Freien ist es sehr hell, selbst wenn du ein hell erleuchtetes Klassenzimmer und einen relativ dunklen, bedeckten Tag im Freien vergleichst.

Gemessen in der Einheit „Lux“ kann ein typischer, wolkenloser Tag über 100.000 Lux haben. An einem wolkenverhangenen Tag kann es immer noch 10.000 bis 40.000 Lux hell sein. Selbst an einem eher düsteren, bewölkten Tag werden wahrscheinlich 1.000 Lux erreicht.

Im Gegensatz dazu ist die Beleuchtung in Innenräumen viel schwächer und reicht von etwa 50 Lux (beim Fernsehen im Wohnzimmer) bis zu 500 Lux (in einem hell erleuchteten Klassenzimmer).

Wir treffen also auf völlig andere Lichtverhältnisse, wenn wir unser Leben in Gebäuden verbringen, und das ist beunruhigend. Die hellen Lichtverhältnisse im Freien sind nicht nur für die Photosynthese von Pflanzen nützlich. Sie sind auch für uns Menschen wichtig. Und das gilt sowohl für Kinder als auch für Erwachsene. Bedenke diese Vorteile.

Auswirkungen von hellem Licht auf die Stimmung

Du hast wahrscheinlich schon bemerkt, dass helles Licht eine aufmunternde Wirkung hat. Es verbessert die Stimmung und Studien zeigen, dass eine Behandlung mit hellem Licht eine wirksame Therapie bei Depressionen ist.
Die tägliche Aussetzung an sehr helles Licht (z. B. 15.000 Lux oder mehr) kann Kinder vor Kurzsichtigkeit schützen.

Untersuchungen haben ergeben, dass das Spielen an der frischen Luft das Risiko eines Kindes, kurzsichtig zu werden, senkt. Forscher/innen haben die Ursache dafür noch nicht geklärt, doch experimentelle Studien deuten darauf hin, dass das Licht eine wichtige Rolle spielt. Tiere, die unter kontrollierten Lichtverhältnissen aufwachsen, entwickeln seltener eine Kurzsichtigkeit, wenn sie tagsüber einer Helligkeit von mehr als 15.000 Lux ausgesetzt sind.

Sonnenlicht trägt dazu bei, dass Kinder ausreichend Vitamin D bilden. Ein ausreichender Vitamin-D-Spiegel schützt Kinder vor einer Reihe von unerwünschten gesundheitlichen Folgen.

Kinder mit einem niedrigen Vitamin-D-Spiegel haben ein erhöhtes Risiko für eine schlechte Gesundheit der Knochen, für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und eine verminderte Muskelfunktion. Es gibt auch Hinweise darauf, dass ein niedriger Vitamin-D-Spiegel ein Auslöser für eine frühe Pubertät bei Mädchen sein könnte. Und Vitamin-D-Mangel wird mit schlechteren geistigen Fähigkeiten in Verbindung gebracht.


Sonnenlicht scheint Kinder davor zu schützen, später im Leben an Multipler Sklerose (MS) zu erkranken.

Dieser Zusammenhang wurde in einer Vielzahl von Studien nachgewiesen. Viel Sonnenlicht in der Kindheit senkt das MS-Risiko eines Menschen und dies scheint unabhängig vom individuellen Vitamin-D-Spiegel zu sein. Das Sonnenlicht selbst ist offenbar hilfreich.

Sonnenlicht am Morgen kann ein verspätetes Schlafengehen (und schlafbezogene Verhaltensprobleme) verhindern.

Lange aufzubleiben macht dir vielleicht nichts aus, wenn du auch spät aufstehst. Doch wenn Kinder früh für die Schule aufstehen müssen, kann ein verspätetes Schlafengehen seinen Tribut fordern. Studien deuten darauf hin, dass verspätetes Einschlafen – ohne die Möglichkeit, den Schlaf nachzuholen – mit schlechten Schulleistungen und Verhaltensauffälligkeiten verbunden ist.

Doch warum gehen Kinder nicht pünktlich schlafen? Bei vielen Kindern ist ein Teil des Problems die Beleuchtung. Sie erhalten tagsüber zu wenig Sonnenlicht und nachts zu viel künstliches Licht. Das hat zur Folge, dass ihre „innere Uhr“ nicht mehr mit dem natürlichen 24-Stunden-Tag übereinstimmt. Ihr Tagesrhythmus ist aus dem Gleichgewicht geraten.

Die Lösung: Es ist wichtig, nachts künstliches Licht zu vermeiden und eine Stunde vor dem Schlafengehen keine elektronischen Geräte mehr zu nutzen. Doch Forscher/innen haben nachgewiesen, dass Kinder auch Tageslicht brauchen. Eine Dosis hellen Sonnenlichts am Morgen kann Kindern mit chronischen Schlafproblemen helfen, wieder auf Kurs zu kommen.

Auswirkungen von Tageslicht auf die mentale Leistungsfähigkeit

Wir haben bereits festgestellt, dass der Vitamin-D-Spiegel mit der geistigen Fähigkeit zur Planung zusammenhängt und dass spätes Schlafengehen zu Aufmerksamkeitsproblemen führen kann. Helles Licht könnte also auf diese Weise indirekt die mentale Leistungsfähigkeit steigern.

Wir haben auch gesehen, dass Helligkeit die Stimmung verbessert, was ein wichtiger Motivationsfaktor für die Schule sein könnte. In einer Studie mit mehr als zweihundert 10-Jährigen fanden Forscher/innen heraus, dass Kinder sehr hell beleuchtete Klassenzimmer (1.300 bis 4.400 Lux) gegenüber Klassenzimmern mit viel niedrigerer, herkömmlicher Beleuchtung (250-740 Lux) bevorzugten.

Es ist jedoch wahrscheinlich, dass helles Licht noch weitere Vorteile hat. Es gibt zum Beispiel Hinweise darauf, dass Kinder in sehr hell beleuchteten Klassenzimmern besser lesen. Auch bei Mathe-Tests schneiden Kinder besser ab. Und neuere Experimente an Tieren legen eine weitere Vermutung nahe:

Womöglich hat Helligkeit einen direkten Einfluss auf unsere Lernfähigkeit. Nimmt man uns das helle Licht weg – indem wir uns drinnen in schwach beleuchteten Räumen aufhalten -, könnten wir Lernschwächen erleiden.

Die Experimente wurden an Kusuratten durchgeführt, einer Tierart, die nachts schläft und tagsüber aktiv ist, genau wie der Mensch. Von Beginn der Studie an wurde eine Gruppe von 24 männlichen Ratten nach einem strikten Zeitplan von 12 Stunden konstanter Beleuchtung, gefolgt von 12 Stunden Dunkelheit, gehalten. Die einzelnen Ratten erlebten jedoch Unterschiede in der Helligkeit.

  • Einigen Ratten wurde nach dem Zufallsprinzip zugeteilt, dass sie tagsüber einer Helligkeit von 1.000 Lux ausgesetzt waren (ähnlich der Helligkeit an einem eher dunklen, bewölkten Tag).
  • Andere Ratten bekamen nach dem Zufallsprinzip eine Helligkeit von nur 50 Lux zugewiesen (ähnlich der Beleuchtung im Wohnzimmer vieler Menschen).

Die Ratten blieben 4 Wochen lang in ihren Zeitplänen und wurden dann mit einer Aufgabe namens Morris-Wasserlabyrinth konfrontiert.

Bei dieser Aufgabe setzten die Forscher/innen jede Ratte in ein Wasserbecken. Das Wasser färbte man mit einer ungiftigen, weißen Farbe, um es trüb zu halten, die die Existenz einer Plattform direkt unter der Wasseroberfläche verbarg.

Die Ratten mussten schwimmen, bis sie die Plattform entdeckten – und sie waren hoch motiviert, sie zu finden.

Sobald sie sie gefunden hatten, konnten sie sich den Ort merken. Das lag daran, dass die Forscher/innen den Ratten eine Art Orientierungshilfe gaben – eine markante geometrische Form, die an der Innenseite der Beckenwand platziert war. Wenn eine Ratte sich die Markierung merken konnte, war sie in der Lage, die Plattform schnell zu finden, wenn sie das nächste Mal in das Becken platziert wurde.

Die Frage war: Wie schnell lernten die Ratten?

Alle Ratten hatten die gleichen Chancen. Sie wurden 5 Tage lang jeden Tag zweimal in das Becken gesetzt. Und alle Ratten zeigten Anzeichen des Lernens – sie kamen im Laufe der Tage immer schneller zu der versteckten Plattform.

Doch während jeder Einheit schnitten die Ratten, die bei gedämpftem Licht im „Wohnzimmer“ gehalten wurden, schlechter ab als die Ratten im „Tageslicht“ – als ob sie über Nacht mehr vergessen hätten.

Und als die Forscher/innen den Ratten eine längere Pause gönnten – 24 Stunden zwischen den Aufgaben – zeigten die „Wohnzimmer“-Ratten einen ausgeprägten Lerndefizit.

Während die „Tageslicht“-Ratten keine Probleme hatten, den Standort der Plattform zu bestimmen, schwammen die Ratten, die bei gedämpftem Licht lebten, auf der Stelle. Sie schwammen nicht häufiger an der richtigen Stelle, als man durch Zufall erwarten würde.

Die Ergebnisse wurden nicht durch Unterschiede in der Beleuchtung während der Schwimmsitzungen verursacht, da alle Ratten im Morris-Wasserlabyrinth die gleichen Lichtverhältnisse (etwa 300 Lux) vorfanden.

Zusammenhang mit dem Hirngewebe

Interessanterweise gingen die Ergebnisse des Verhaltens auch mit sichtbaren Unterschieden im Hirngewebe einher.

Als die Forscher/innen den Hippocampus untersuchten (ein Teil des Gehirns, der mit dem räumlichen Denken in Verbindung gebracht wird), stellten sie fest, dass die „Dämmerlicht“-Ratten geringere Werte des Brain-Derived Neurotrophic Factor (BDNF) aufwiesen – einer Substanz, die das Wachstum von neuen Gehirnzellen fördert.

Außerdem waren die Neuronen im Hippocampus strukturell anders. Die Neuronen der „Tageslicht“-Ratten hatten mehr Stacheln an ihren Dendriten – ein Beweis dafür, dass diese Neuronen stärkere Synapsen gebildet hatten, ein Kennzeichen für das Lernen.

Schließlich fanden die Forscher/innen heraus, dass sie die Gehirne der „Wohnzimmer“-Ratten verändern konnten, indem sie sie in den Zustand des hellen Lichts versetzten. Nach vier Wochen wuchs auch bei ihnen der BDNF und es bildeten sich mehr dendritische Stacheln.

Schlussfolgerung

Sind die Ergebnisse auf einen Methodikfehler oder auf einen statistischen Zufall zurückzuführen?

Wir brauchen mehr Forschung, um es genau zu wissen, doch bisher sind die Ergebnisse vielversprechend. Dieselben Forscher/innen wiederholten ihre Experimente mit einer Gruppe weiblicher Kusuratten und auch hier fanden sie Hinweise auf schwerwiegende Lernstörungen.

Die Weibchen wiesen zwar nicht die gleiche Verringerung des BDNF auf, die bei den männlichen Ratten beobachtet worden war, aber sie hatten die gleiche Verringerung des synaptischen Wachstums und ihre Lernschwächen (bei gedämpftem Licht) waren noch ausgeprägter. Zumindest bei den Kusuratten scheint also wirklich etwas im Gange zu sein.

Lassen sich die Ergebnisse auf den Menschen übertragen?

Wir können nicht davon ausgehen, dass Menschen ähnliche Lernprobleme haben würden. Aber unsere grundlegende Funktionsweise hat viel mit der von Tieren gemeinsam, deshalb wäre es unsinnig anzunehmen, dass die Forschungsergebnisse bedeutungslos sind. In Anbetracht all der anderen guten Gründe, die wir haben, unsere Kinder dem Tageslicht auszusetzen, haben wir nichts zu verlieren, wenn wir uns besonders anstrengen, um sicherzustellen, dass jedes Kind seine Zeit im Sonnenlicht bekommt.

Ja, wir müssen Vorsichtsmaßnahmen gegen die schädlichen UVB-Strahlen treffen. Sonnencreme und Hüte sind ein wichtiger Schutz, wenn das Sonnenlicht sehr stark ist. Aber wir sollten das Sonnenlicht nicht auf der einen Seite als lästige Gesundheitsbedrohung oder auf der anderen Seite als wichtige Bereicherung betrachten. Kinder brauchen das Sonnenlicht für ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden.

Bildquelle: https://www.pexels.com/de-de/foto/madchen-das-blumen-pfluckt-459051/

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