Mythen über Bettnässen? Davon gibt es einige und sie sind nicht wirklich sinnvoll.
Hast du schon mal die Behauptung gehört, dass Kinder aus Faulheit ins Bett machen?
Oder dass Kinder eine Therapie brauchen, um die „Angewohnheit“ abzulegen?
Wie wäre es mit der Vorstellung, dass Bettnässen ein Zeichen von psychischer Erkrankung ist?
Wenn du ein Kind kennst, das ins Bett macht, solltest du diese Botschaft weitergeben: Die folgenden Behauptungen über das Bettnässen (auch bekannt als „nächtliches Einnässen“) sind widerlegt worden.
Mythos 1: Nur wenige Menschen sind vom Bettnässen betroffen.
Die Wahrheit: Bis zu 20 % der Fünfjährigen sind nachts noch nicht trocken, und auch viele Kinder im Schulalter leiden unter dem Problem. Bettnässen ist bei kleinen Kindern weit verbreitet.
Mythos 2: Kinder nässen ein, weil sie zu faul sind oder körperliche Signale ignorieren.
Die Wahrheit: Das Bettnässen tritt während des Schlafs auf, und Studien legen nahe, dass Kinder, die ins Bett machen, körperlich beeinträchtigt sind. Diesen Kindern fällt es möglicherweise schwerer, nachts aufzuwachen und auf das Signal einer vollen Blase zu reagieren.
Zudem produziert ihr Körper möglicherweise weniger Vasopressin, ein Hormon, das die Produktion von Urin hemmt. Diese Besonderheiten haben möglicherweise eine genetische Grundlage, was erklären würde, warum nächtliches Einnässen in bestimmten Familien häufig vorkommt.
Mythos 3: Kinder, die einässen, neigen zur Gewalt und psychischen Störungen.
Die Wahrheit: Es stimmt, dass Bettnässen oft mit Stress verbunden ist. Und Kinder mit bestimmten Verhaltensproblemen eher zum Bettnässen neigen.
Doch bedeutet die Tatsache, dass ein Kind nicht aufwacht, bevor es uriniert, dass es psychisch gestört ist? Nein.
Diese falsche Aussage könnte auf Sigmund Freud zurückgehen, der Urinieren für erotisch und Bettnässen für einen frustrierten sexuellen Akt hielt.
Später, in den 1960er Jahren, schlug der Psychiater J. M. Macdonald vor, dass Bettnässen nach dem fünften Lebensjahr, zusammen mit Tierquälerei und Brandstiftung, ein Zeichen dafür ist, dass ein Kind Gefahr läuft, ein gewalttätiger Soziopath zu werden. MacDonalds Theorie war, dass diese drei Verhaltensweisen, wenn sie kombiniert auftreten, darauf hindeuten, dass ein Kind unter großem Stress steht. Und starker Stress in der Kindheit führt dazu, dass Kinder sich eher zu Gewaltverbrechern entwickeln.
Klingt das plausibel? Schon möglich. Aber die Beweise sind nicht überzeugend.
Ja, es gibt einen Zusammenhang zwischen Bettnässen und der ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung). Bei Kindern, bei denen ADHS diagnostiziert wurde, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass sie ins Bett nässen.
Zudem gibt es Belege dafür, dass Kinder, die ins Bett nässen, eher an Verhaltensstörungen leiden als Kinder, die dies nicht tun.
Die meisten Kinder, die ins Bett nässen, haben diese Verhaltensprobleme jedoch nicht.
Und es scheint auch nicht so, dass diese Kinder ein erhöhtes Risiko für ernsthafte emotionale Probleme wie Depressionen oder klinische Ängste haben.
Was ich gefunden habe, sind vor allem Studien, die darauf hinweisen, dass die Kinder unter einem geringeren Selbstwertgefühl leiden, was angesichts des sozialen Stigmas, das mit dem Bettnässen verbunden ist, durchaus Sinn macht.
Die Schlussfolgerung? – Heutige Psychologen haben die Theorie verworfen, dass Bettnässen ein Warnzeichen für zukünftige Gewaltbereitschaft ist. Forensische Psycholog:innen stellen fest, dass „Bettnässen weder ein Zeichen von Gewalt ist, noch freiwillig geschieht“ und dass es „wenig oder gar keine wissenschaftlichen Beweise“ gibt, die einen Zusammenhang zwischen Bettnässen und psychischer Erkrankung herstellen.
Mythos 4: Es bringt nichts, das Bettnässen bei ängstlichen oder depressiven Kindern zu behandeln, bevor die psychologischen Symptome behandelt wurden.
Die Wahrheit: Manche Kinder, die das Bett nässen, sind zusätzlich verzweifelt. Aber ihre psychischen Probleme hindern sie nicht unbedingt daran, trocken zu werden, und eine erfolgreiche Behandlung des Bettnässens kann die psychischen Probleme lindern.
In einer Studie mit Kindern, die sowohl unter psychischen Problemen als auch unter nächtlichem Bettnässen litten, behandelten die Forscher mit Erfolg zuerst das Bettnässen. Die meisten Kinder wurden nicht nur trocken, sondern zeigten nach entsprechender Behandlung des Bettnässens auch weniger psychische Probleme.
Mythos 5: Kinder sollten trainieren, es “zurückzuhalten“.
Die Wahrheit: Es mag plausibel erscheinen. Wenn Kinder das Wasserhalten üben, können sie ihre Blasenkapazität vergrößern. Und eine größere Blasenkapazität könnte es den Kindern ermöglichen, nachts länger zu schlafen, ohne auf Toilette gehen zu müssen.
Aus den Studien, die ich bisher fand, geht jedoch nicht hervor, ob dieser Ansatz wirklich etwas bringt. In einem kontrollierten Experiment haben Forscher einige Kinder die unter nächtlichem Einnässen leiden, nach dem Zufallsprinzip dazu gebracht, das „Wasserhalten“ zu üben. Obwohl die Behandlung die Blasenkapazität der Kinder erhöhte, ging das Bettnässen dadurch nicht deutlich zurück.
Mythos 6: Kinder überwinden das Problem des Bettnässens irgendwann von alleine.
Die Wahrheit: In vielen Fällen – vor allem, wenn die Kinder keine anderen Symptome haben – wachsen die Kinder in der Regel aus dem Problem heraus. Aber diese Kinder können trotzdem von Hilfestellungen profitieren. Andere Kinder haben vielleicht Probleme, die eine Behandlung erfordern.
Manchmal hängt das Bettnässen mit behandelbaren Krankheiten wie Verstopfung, Harnwegsinfektionen, Allergien, Schlafstörungen (Schnarchen) und Schlafapnoe zusammen.
Wenn dein Kind also ins Bett macht, solltest du deinen Arzt aufsuchen und dein Kind auf gesundheitliche Probleme untersuchen lassen. Das ist besonders wichtig, wenn dein Kind plötzlich wieder inkontinent wird, nachdem es mindestens 6 Monate lang nicht ins Bett gemacht hat.
Bildquelle: https://www.freepik.com/free-photo/cute-little-girl-bed-with-soft-toy_10896499.htm