Motorische Meilensteine zeichnen spannende Veränderungen im Leben eines Babys aus, aber es gibt keinen einheitlichen, universellen Zeitplan, dem alle Babys folgen.
Im Alter von 6 Wochen können die meisten Babys zum Beispiel ihren Kopf anheben, während sie auf dem Bauch liegen.
Nach 3 Monaten können die meisten Babys auch ihren Oberkörper anheben mit Hilfe ihrer Arme als Stütze.
Im Alter von 4 bis 5 Monaten kann sich ein normales Baby vom Rücken auf den Bauch drehen.
Studien zeigen, dass mehr als die Hälfte der Säuglinge
- sich mit 6 Monaten ohne Unterstützung hinsetzen können,
- mit 8,5 Monaten krabbeln können
- mit 10,5 Monaten selbstständig stehen und
- mit 12 Monaten eigenständig laufen.
Viele Babys erreichen diese Meilensteine jedoch schon Monate früher – oder Monate später.
Um herauszufinden, ob dein Baby auf einem guten Kurs ist, musst du wissen, was normal ist.
Wann kannst du am ehesten damit rechnen, dass dein Baby laufen kann? Falls dein Baby sich langsam entwickelt, ab wann solltest du dir Sorgen über eine mögliche Verzögerung der Entwicklung machen? Und was können Eltern tun, um eine gesunde Entwicklung zu unterstützen?
Die Umgebung eines Babys – und individuelle Fähigkeiten – beeinflussen das Tempo der Entwicklung von motorischen Meilensteinen. Babys entwickeln ihre Motorik schneller, wenn wir sie ermutigen, viel zu üben.
Hier ein Überblick über die motorischen Meilensteine von Babys, einschließlich der Entwicklung der Grob- und Feinmotorik. Außerdem zeige ich auf, wie Eltern die Entwicklung beeinflussen können, und schließe mit einigen wissenschaftlich fundierten Tipps.
Grobmotorische Meilensteine
Die Grobmotorik umfasst die großen Muskeln der Beine, des Rumpfes und der Arme. Wenn es um Babys geht, legen Kinderärzte und Entwicklungsforscher:innen ein besonderes Augenmerk auf sechs dieser Fähigkeiten:
- Sitzen ohne Unterstützung
- Krabbeln
- Stehen mit Unterstützung
- Laufen mit Unterstützung
- Stehen ohne Unterstützung
- Laufen ohne Unterstützung
Wann kannst du erwarten, dass dein Baby diese Meilensteine erreicht?
Jedes Baby ist anders. Manche Babys können sich bereits mit 4 Monaten ohne Hilfe hinsetzen. Über die Hälfte kann das im Alter von 6 Monaten. Und etwa ein Zehntel der Babys erreicht diesen Meilenstein erst im Alter von 7,5 Monaten oder später.
Andere Meilensteine weisen noch größere Unterschiede auf. Das Durchschnittsalter für das Laufenlernen (ohne fremde Hilfe) liegt zwar bei etwa 12 Monaten, doch einige Babys erreichen diesen Meilenstein schon vor dem neunten Lebensmonat, und etwa 10 % der Babys können erst mit mehr als 14,5 Monaten ohne Unterstützung laufen.
Falls also jemand versucht, die Entwicklung deines Babys „Monat für Monat“ darzustellen, solltest du schnellstens das Weite suchen. Das funktioniert so nicht.
Ein genauerer Blick auf die Entwicklung der motorischen Fähigkeiten zeigt dir, dass es Zeitfenster gibt – also Zeitspannen, in denen etwa 98 % der Babys einen bestimmten Meilenstein erreichen.
Einige grobmotorische Meilensteine treten tendenziell früher auf als andere, aber die Entwicklungsfenster sind groß und überschneiden sich gegenseitig. Das resultierende Ergebnis kann nicht vorhersagen, wann dein Baby einen bestimmten Meilenstein erreichen wird – jedenfalls nicht in einem präzisen Sinne. Doch es zeigt uns eine realistische Zeitspanne dafür auf.
Wann du dir Sorgen machen musst
Verlasse dich zunächst auf deine Intuition. Wenn du aus irgendeinem Grund feststellst, dass du dir Sorgen machst – unabhängig davon, ob du glaubst, dass du dir Sorgen machen solltest oder nicht – sprich mit deinem Kinderarzt oder deiner Kinderärztin. Wenn sich herausstellt, dass dein Baby Schwierigkeiten hat, kann ein frühes Einschreiten einen riesigen Unterschied machen.
Aber denke daran: Der Zeitpunkt des Erreichens eines Meilensteins ist unterschiedlich. Es hängt davon ab, welche anderen Auffälligkeiten dein Baby zeigt und ob dein Baby irgendwelche bekannten Risikofaktoren für ein Entwicklungsproblem hat.
Wenn es keine anderen Anzeichen gibt, ist es eine gute Faustregel, sich an der 90. Perzentile zu orientieren – dem Alter, in dem 90 % der Babys einen bestimmten Meilenstein erreicht haben.
Wenn dein Baby einen bestimmten Meilenstein bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht erreicht hat, solltest du mit deinem Kinderarzt oder deiner Kinderärztin sprechen. Länger zu brauchen bedeutet nicht, dass dein Baby an einer Entwicklungsverzögerung leidet. Doch es ist ein Anzeichen dafür, dass die Entwicklung deines Babys untersucht und beobachtet werden sollte.
Die Reihenfolge der motorischen Meilensteine
Ist es schlecht, wenn ein Baby einen Entwicklungsschritt überspringt oder eine Rückentwicklung erlebt?
Nicht unbedingt. Babys erreichen diese Meilensteine nicht immer in der selben Reihenfolge, und einer der Meilensteine – das Krabbeln – ist nicht einmal für alle Babys gleich.
Wenn du dir verschiedene Grafiken ansiehst, könntest du davon ausgehen, dass dein Baby die Meilensteine der Grobmotorik in der folgenden Reihenfolge erreichen wird:
(1) Sitzen ohne Unterstützung; (2) Krabbeln; (3) Stehen mit Unterstützung; (4) Laufen mit Unterstützung; (5) Stehen ohne Unterstützung; und (6) Laufen ohne Unterstützung.
Und in der Tat: Als die WHO (Weltgesundheitsorganisation) die Entwicklung von Babys in fünf Ländern (Ghana, Indien, Norwegen, Oman und den USA) untersuchte, wurde dieses Muster bei dem größten Anteil der Säuglinge festgestellt – bei etwa 42 % von ihnen.
Aber mehr als ein Drittel der Babys erreichte den dritten Meilenstein (Stehen mit Hilfe), bevor sie krabbelten. Fast 9 % der Babys erreichten auch den Meilenstein Nr. 4 ( Laufen mit Unterstützung), bevor sie krabbelten.
Weitere 10 % der Babys brachten die Reihenfolge auf noch exotischere Weise durcheinander, und etwa 4 % der Babys sind nie gekrabbelt.
Andere Studien berichten von noch höheren Zahlen an Babys, die nie gekrabbelt sind – Babys, die ganz normal waren und innerhalb des normalen Zeitfensters laufen lernten.
Es gibt also keine feste Reihenfolge von Meilensteinen der motorischen Entwicklung, der alle Babys folgen. Wie die Experten für motorische Entwicklung Karen Adolph und John Franchak (2016) erklären:
„Die Meilensteintabellen legen einen geordneten, altersbezogenen Durchlauf durch eine Reihe von Stadien nahe, aber die individuelle Entwickling verläuft unterschiedlich und das jeweilige Baby hält sich nicht unbedingt an die normalen Abläufe, die aus dem durchschnittlichen Alter abgeleitet werden. Babys können Fähigkeiten in unterschiedlicher Reihenfolge erlernen, Entwicklungsstufen überspringen oder zu früheren Entwicklungsstufen zurückkehren.“
Gründe für die Unterschiede in der Entwicklung
Manche Abweichungen sind kulturell bedingt.
In einigen afrikanischen Ländern trainieren Eltern ihre Babys zum Beispiel aktiv im Sitzen, Stehen und Laufen. Sie ermöglichen ihren Kindern viel Übung, und das beschleunigt offenbar die Entwicklung einer aufrechten Haltung.
Dieser Gedanke wird durch Experimente bestätigt.
Neugeborene haben einen „Schrittreflex“: Wenn du ein Baby so hältst, dass seine Füße den Boden berühren, wird es spontan Schritte machen – lange bevor es in der Lage ist, aus eigener Kraft zu stehen.
Normalerweise vergeht dieser Reflex mit der Zeit, aber nicht, wenn Babys jeden Tag die Möglichkeit haben, diese Bewegungen zu üben, sodass sie den Meilenstein des Laufens (ohne Hilfe) früher erreichen.
Es gibt also Beweise dafür, dass Erziehungsmethoden das Tempo der motorischen Entwicklung beschleunigen können. Aber auch das Gegenteil ist der Fall: Die Erziehung kann sie auch verlangsamen.
Dort, wo Eltern ihre Babys nicht an die Hand nehmen oder sie sogar bewusst daran hindern, sich im Laufe des Tages zu bewegen, dauert es länger, bis Babys bestimmte motorische Meilensteine erreichen.
Auch beim Krabbeln spielen Umstände eine wichtige Rolle.
In Ländern wie den Vereinigten Staaten gehen Eltern davon aus, dass ihr Kind krabbeln wird, und geben ihm die Möglichkeit dazu. Aber das ist nicht überall so, und für unsere Vorfahren, die Jäger und Sammler waren, war das wahrscheinlich auch nicht der Fall.
Draußen in einer Umgebung voller Raubtiere zu krabbeln, wäre keine gute Idee gewesen, und tatsächlich ermuntern die heutigen Jäger und Sammler ihre Babys nicht, zu krabbeln.
Der Einfluss der Genetik
Wenn Forscherinnen und Forscher die Auswirkungen der Kultur und der Erziehung berücksichtigt haben, stellten sie fest, dass genetische Faktoren einen erheblichen Einfluss auf den Zeitpunkt der Meilensteine hatten.
Geschwister erreichen die Meilensteine nicht genau zum selben Zeitpunkt, selbst wenn sie unter ähnlichen Bedingungen aufwachsen. Die Unterschiede wie Temperament, Körperfettanteil oder andere Aspekte, die von den Genen beeinflusst werden, wirken sich auf das Aktivitätsmuster eines Babys aus und führen dazu, dass manche Babys mehr Zeit für die Entwicklung ihrer motorischen Fähigkeiten benötigen.
Andere motorische Fähigkeiten
Gegenstände halten
Zwei Monate alte Babys können kleine Gegenstände greifen – wenn wir ihnen diese Gegenstände direkt in die Hand geben. Oft nehmen sie die Gegenstände auch in den Mund, um sie zu erforschen. Aber der Griff eines jungen Säuglings ist nicht sehr stark oder verlässlich. Wenn Babys mit ihren Armen herumfuchteln, fällt es ihnen schwer diese fest zu halten.
Im Alter von 4 bis 6 Monaten haben die meisten Babys die Geschicklichkeit entwickelt, ein Spielzeug festzuhalten und es zu schütteln. Sie entwickeln auch die Fähigkeit, einen Gegenstand von einer Hand in die andere zu bewegen.
Babys können erfolgreich nach einem stationären Gegenstand greifen, aber ihre Bewegungen sind noch ruckartig, und Babys sind noch nicht gut darin, einen sich bewegenden Gegenstand zu greifen. Sie wissen noch nicht, wie sie große Gegenstände effizient festhalten können und bevorzugen es auch nicht, dies mit beiden Händen zu tun.
Zwischen 6 und 9 Monaten verbessern sich diese Fähigkeiten erheblich. Babys werden geschickt darin, sich bewegende Gegenstände zu greifen. Sie können zum Beispiel rollende Bälle greifen und einschätzen, wann ein Ball zu schnell rollt, um ihn zu fangen. Im Alter von 11 Monaten zeigen Babys außerdem eine bessere Strategie beim Greifen von großen Gegenständen – sie greifen konsequent mit beiden Händen gleichzeitig.
Feinmotorik und Gebrauch von Werkzeugen
Mit 8 bis 10 Monaten können die meisten Babys ihre feinmotorischen Fähigkeiten unter Beweis stellen. Sie entwickeln die Fähigkeit, kleine Gegenstände zwischen Daumen und Zeigefinger zu halten. Babys können in der Regel aus einem Becher trinken und lernen, wie man mit einem Löffel isst. Aber ihre Versuche sind unbeholfen. Wenn du ihnen einen vollen Löffel gibst, werden sie ihn wahrscheinlich am Löffelende anfassen – nicht am Griff. Zudem halten sie den Löffel mit der ganzen Hand fest, nicht mit einem präzisen Griff (Daumen und Zeigefinger).
Mit 14 Monaten sind die Babys schon geschickter. Sie halten den Löffel zwar immer noch mit der ganzen Hand, aber sie haben gelernt, ihn am Griff zu halten.
Ab dem 12. Monat können Babys mit Stiften willkürliche Striche und Punkte zeichnen.
Mit 18 Monaten werden diese Versuche gezielter und strukturierter und können auch gerade Linien und Zickzacklinien enthalten. Schwierigere Zeichnungen – von geometrischen Formen und Figuren mit erkennbaren Merkmalen (z. B. ein Klecks mit Beinen) – entstehen langsam und können erst im Alter von drei Jahren auftreten.
Förderung der motorischen Entwicklung
Gib deinem Baby viel Zeit auf dem Bauch.
Wie in diesem Artikel beschrieben, ist es offensichtlich, dass Zeit auf dem Bauch wichtig ist. Babys entwickeln eine bessere Kontrolle über ihre Muskeln, wenn sie beaufsichtigt Zeit auf dem Bauch verbringen. Das ist gut für die Kräftigung des Nackens und hilft den Babys, sich zu drehen, zu krabbeln und sich aus der liegenden Position hinzusetzen.
Hilf deinem Baby, die aufrechte Haltung zu üben.
Außerdem haben wir gesehen, wie Eltern die Entwicklung des Sitzens und Stehens unterstützen können. Übungen, bei denen du deinem Baby hilfst, eine aufrechte Haltung einzunehmen, indem du es mit deinen Händen unterstützt, können die Entwicklung beschleunigen.
Hilf deinem Baby beim Greifen und Fassen.
Es überrascht nicht, dass Babys schneller lernen, wenn wir ihnen die Möglichkeit geben, Gegenstände zu berühren, zu halten und zu greifen.
In Experimenten mit Stoff-Handschuhen und Spielzeug mit Klettverschluss haben Babys im Alter von 3 Monaten zusätzliche Übung im Umgang mit Gegenständen bekommen, die sie sonst nur schwer greifen können. Wenn Eltern ihre Babys ermutigen, Gegenstände mit solchen Handschuhen zu erkunden, profitieren sie langfristig davon.
Lass Babys klopfen.
Es ist zwar laut und störend, aber Forscherinnen und Forscher glauben, dass Babys wichtige motorische Fähigkeiten entwickeln, wenn sie nach einem Gegenstand greifen und darauf herumklopfen. Achte nur darauf, dass der Gegenstand für dein Baby ungefährlich ist!
Ermutige zum selbstständigen Spiel – und mach dich zu einem erkennbaren, aufmerksamen und nicht aufdringlichen Spielkameraden.
Babys bewegen sich mehr – und verbringen mehr Zeit damit, sich mit Gegenständen auseinanderzusetzen – wenn wir ihnen die Zeit und den Raum geben, selbstständig zu spielen. Außerdem profitieren sie davon, wenn wir uns zu ihnen setzen und mit ihnen spielen.
Bildquelle: https://www.pexels.com/de-de/foto/madchen-niedlich-spielen-kind-8910416/