So wirkt sich Verbundenheit mit der Natur auf Kinder aus

by Lara
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Fühlt sich dein Kind eng mit der Natur verbunden? Wissenschaftler/innen können diese Gefühle anhand eines standardisierten Fragebogens messen und haben faszinierende Zusammenhänge entdeckt. Naturbegeisterte Kinder sind glücklicher. Sie haben weniger Verhaltensprobleme. Und sie sind eher bereit, andere freundlich zu behandeln.

Was geschieht, wenn wir Zeit in der Natur verbringen?

Gutes!

Studien zeigen, dass Aufenthalte in der Natur schädlichen Stress abbauen und die Gesundheit fördern können. Sie verbessern unsere Laune und steigern unsere Konzentrationsfähigkeit. Möglicherweise schützt es uns sogar davor, psychische Probleme zu entwickeln.

Doch sind die Folgen für alle Menschen gleich? Nicht unbedingt.

Denn Menschen haben unterschiedliche Ansichten zur Natur. Manche verspüren eine emotionale oder spirituelle Verbindung zur Natur. Andere nicht. Machen diese Empfindungen einen Unterschied für unser Wohlbefinden?

Es scheint so zu sein. Das Gefühl, mit der Natur in Verbindung zu stehen, wird mit besseren psychologischen Zuständen in Verbindung gebracht.

Studien zu psychologischen Zusammenhängen

Forscher/innen in Kanada haben zum Beispiel 30.000 Jugendliche befragt, ob sie unter emotionalen Problemen oder Stresssymptomen litten.

Die Kinder beantworteten Fragen zu Reizbarkeit, Nervosität, Depression, Schlafstörungen und häufigen Kopfschmerzen. Außerdem bewerteten die Kinder ihre Einstellung zur Natur.

Die Forscher/innen entdeckten einen aufschlussreichen Zusammenhang:

Im Vergleich zu Kindern, denen die Natur relativ gleichgültig war, hatten Jugendliche, die ihre Beziehung zur Natur als „bedeutend“ einstuften, 25 % weniger stressbedingte Symptome.

In einer kleineren Studie mit etwa 300 Grundschülern in Mexiko stellten die Forscher/innen fest, dass Kinder, die sich stark mit der Natur verbunden fühlten, tendenziell glücklicher waren.

Ähnliche Ergebnisse wurden in einer Vielzahl von Umfragen unter Erwachsenen festgestellt. In 30 veröffentlichten Studien über das Wohlbefinden Erwachsener wurde die Verbundenheit zur Natur mit mehr Glücksgefühlen und Lebensfreude in Verbindung gebracht.

Es ist nicht überraschend, dass die Verbundenheit zur Natur auch mit einem größeren Umweltbewusstsein in Verbindung gebracht steht.

Natur und Umweltbewusstsein

Erwachsene, die sich mit der Natur verbunden fühlen, ergreifen eher Maßnahmen, um sie zu schützen und zu erhalten und es ist wahrscheinlich, dass Kinder einen ähnlichen Effekt erleben.

In der Umfrage unter mexikanischen Kindern wurde festgestellt, dass die Verbundenheit mit der Natur eng mit umweltfreundlichem Verhalten (z. B. dem sparsamen Umgang mit Ressourcen) zusammenhängt.

Eine schwedische Studie ergab, dass 10-jährige Kinder ein stärkeres Verantwortungsgefühl und eine größere Fürsorge für Tiere entwickelten, als sie bei der Rettung einer einheimischen Amphibienart vor einer von Menschen verursachten Gefahr halfen.

Auch zwei Jahre später berichteten die Kinder, dass sie mehr Mitgefühl und Sorge für die Tiere empfanden.

Doch wahrscheinlich steckt noch viel mehr dahinter. Naturliebende Kinder sind nicht nur glücklicher und setzen sich mehr für den Schutz der Umwelt ein. Sie scheinen sich auch besser zu benehmen – und sich mehr um ihre Mitmenschen zu kümmern.

Das zeigt eine Studie von Tanja Sobko und ihren Kollegen, die Familien in Hongkong untersuchten.

Hongkong ist eine sehr dicht bevölkerte Stadt, in der es jedoch viele Parks und Grünflächen gibt. Tatsächlich leben 90 % der Bevölkerung in einem Umkreis von 400 Metern von einer dieser kleinen „Naturräume“.

Es gibt also viele Möglichkeiten für Freizeitaktivitäten und Naturerlebnisse. Spielt die Natur eine wichtige Rolle im Leben der Kinder? Wenn ja, sagt das Empfinden eines Kindes bezüglich der Natur sein Verhalten anderen Menschen gegenüber voraus?

Um diese Frage zu beantworten, rekrutierten Sobko und seine Kolleg/innen mehr als 200 Eltern von kleinen Kindern zwischen 2 und 5 Jahren. Sie baten die Eltern, zwei verschiedene Fragebögen auszufüllen.

Der eine ist ein Standardfragebogen namens „Strengths and Difficulties Questionnaire“. Er misst die verhaltensbezogene und emotionale Entwicklung. Die Eltern wurden gefragt, ob ihre Kinder

  • Verhaltensprobleme (wie Schlägereien oder Schummeleien)
  • Probleme mit Gleichaltrigen (wie Ablehnung durch Gleichaltrige oder ein Mangel an Freunden)
  • emotionale Probleme (wie häufige Ängste oder Wutausbrüche) und
  • Aufmerksamkeitsprobleme (z. B. Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren und Aufgaben zu erledigen) haben.

Außerdem wurden die Eltern gebeten, das soziale Verhalten ihrer Kinder einzuschätzen, d. h., ob ihre Kinder

  • Rücksicht auf die Gefühle anderer Menschen nehmen
  • hilfsbereit sind, wenn ein anderes Kind sich verletzt, aufregt oder schlecht fühlt
  • freundlich zu anderen waren; und
  • bereit sind, mit anderen zu teilen.

Der zweite Fragebogen, der „Connectedness to Nature Index for Parents of Preschool Children“ (CNI-PPC), bat die Eltern, ihre Zustimmung zu den Aussagen über die Verbundenheit ihrer Kinder zur Natur zu bewerten:

  • die Freude an der Natur,
  • Verständnis für die Natur,
  • Verantwortung für die Natur und
  • Umweltbewusstsein.

Die Eltern lasen zum Beispiel Aussagen wie „Der Aufenthalt in der Natur macht mein Kind ruhig“ (ein Indiz für „Freude an der Natur“) und gaben an, ob die Aussagen zutreffen, nur einigermaßen zutreffen oder überhaupt nicht zutreffen.

Im folgenden Abschnitt findest du einige weitere Beispiele. Dadurch kannst du besser verstehen, worauf die Forscher geachtet haben. Zudem bieten sie dir einige Fragen, die dich zum Nachdenken über dein eigenes Kind anregen können.


Beispielfragen aus dem Index für die Naturverbundenheit von Eltern von Kindergartenkindern

(Connectedness to Nature Index for Parents of Preschool Children)

Sind diese Aussagen zutreffend, nur einigermaßen zutreffend oder überhaupt nicht zutreffend?

FREUDE AN DER NATUR:

  • Mein Kind hört gerne verschiedene Geräusche aus der Natur.
  • Meine Kinder mögen es, die Blumen in der Natur zu bewundern.
  • Mein Kind liebt es, zu gärtnern und etwas zu pflanzen.
  • Meine Kinder lieben es, Steine und Pflanzen zu sammeln.

EMPATHIE FÜR DIE NATUR:

  • Mein Kind ist traurig, wenn Tiere sich verletzen.
  • Mein Kind ist verzweifelt, wenn es sieht, dass Tieren Leid zugefügt wird.
  • Mein Kind ist bestürzt, wenn Tiere sterben.

VERANTWORTUNG FÜR DIE NATUR:

  • Mein Kind glaubt, dass es der Umwelt hilft, wenn es Müll aufsammelt.
  • Mein Kind geht behutsam mit Pflanzen, Tieren und Insekten um.
  • Mein Kind hat Spaß daran, Papier und Flaschen zu recyceln.

UMWELTBEWUSSTSEIN:

  • Mein Kind bemerkt Tiere und Pflanzen, egal wo es ist.
  • Mein Kind nimmt Vogelgesang und weitere Geräusche in der Natur wahr.
  • Mein Kind informiert sich gerne über Pflanzen und Tiere.

Studienergebnisse

Drei der „Verbundenheits“-Faktoren – Freude an der Natur, Verantwortung für die Natur und Umweltbewusstsein – standen in direktem Zusammenhang mit dem Verhalten der Vorschulkinder und einige der Auswirkungen waren beträchtlich.

Der Faktor Verantwortung für die Natur beispielsweise konnte ungefähr 70 % der Abweichungen bei Verhaltensproblemen und sozialem Verhalten erklären. Es erklärte etwa 60 % der Schwankungen bei Problemen mit Gleichaltrigen und 40 % der Schwankungen bei der Tendenz der Kinder, hyperaktiv oder unaufmerksam zu sein.

Die Begeisterung für die Natur wirkte sich auf die gesamte Palette der sozialen und emotionalen Fähigkeiten aus und erklärte etwa 50 % der Unterschiede zwischen den Kindern.

Und das Bewusstsein der Natur erklärte etwa 50 % der festgestellten Abweichungen der emotionalen Probleme der Kinder.

Was ist mit der Empathie für die Natur?

Auch hier gab es einen deutlichen Zusammenhang zu sozialen und Verhaltensproblemen, allerdings indirekt.

Kinder, die viel Einfühlungsvermögen für die Natur aufwiesen, zeigten in der Regel auch ein hohes Maß an Verantwortungsbewusstsein gegenüber der Natur und gerade das Verantwortungsbewusstsein – ein Faktor, der die Handlungen eines Kindes hervorhebt – war die beste Voraussetzung zur Vorhersage des Verhaltens und der sozial-emotionalen Entwicklung eines Kindes.

Wie lassen sich diese Zusammenhänge erklären?

Wieso war die Verbundenheit mit der Natur mit einer besseren Entwicklung der Kinder verbunden?

Die Wissenschaftler/innen weisen darauf hin, dass sie keine Informationen über den sozio-ökonomischen Status und den Erziehungsstil der Eltern sammelten. Sie befragten die Eltern auch nicht bezüglich ihrer eigenen, individuellen Einstellung zur Natur.

Mit Sicherheit erklären die Einstellungen der Eltern wenigstens einen Teil der Ergebnisse.

So haben Kinder, die sich mit der Natur verbunden fühlen, eher Eltern, die die Entwicklung sozialer Kompetenzen tatkräftig unterstützen. Diese Eltern setzen womöglich eher Strategien ein, die kleinen Kindern helfen, diese zu entwickeln.

Es ist auch wahrscheinlich, dass familiärer Stress (einschließlich finanziellen Belastungen) eine Rolle spielt.

Eltern, die unter Stress stehen, haben häufiger Kinder mit Verhaltensproblemen. Wenn du gestresst bist, investierst du dann viel Zeit und Energie, um deinem Kind eine Verbundenheit zur Natur zu ermöglichen? Wohl eher nicht.

Zudem sollten wir nicht vergessen, dass diese Studie Kinder nicht direkt befragt hat. Die Forscher/innen stützen sich auf die Berichte der Eltern.

Die Eltern wissen zwar eine Menge über ihre Kinder, doch sind ihre Aussagen zum Teil ungenau und sie irren sich in einigen Dingen.


Eine weitere Studie, die Kinder direkt befragte, zeigt, dass naturbegeisterte Kinder Menschen eher mit Freundlichkeit und Respekt begegnen.

Studienergebnisse zu Freundlichkeit und Respekt

In der Studie mit mexikanischen Schulkindern im Alter von 9 bis 12 Jahren fanden Laura Barrera-Hernandez und ihre Kollegen heraus, dass die „Verbundenheit zur Natur“ tendenziell mit dem selbstberichteten Altruismus und der Fairness einhergeht.

Kinder, die eine gute Verbundenheit zur Natur aufweisen, stimmten eher Aussagen zu wie

  • „Ich helfe jemandem, der gestürzt ist oder sich verletzt hat“
  • „Ich behandle alle meine Klassenkameraden gleich“ und
  • „Ich helfe Mitschüler/innen bei ihren Hausaufgaben oder bei Aufgaben, die sie nicht verstehen.“

In dieser Studie wurden, genau wie bei der Studie in Hongkong, die Einstellungen der Eltern oder der sozioökonomische Status nicht berücksichtigt, so dass wir nicht wissen, inwieweit diese Faktoren die Ergebnisse beeinflussten.

Dennoch sind die Zusammenhänge beständig.

In der Studie aus Hongkong berichteten Eltern, die bei ihren Kindern im Vorschulalter viel Naturbezug wahrnahmen, auch über bessere Leistungen ihrer Kinder.

In einer Studie mit mexikanischen Kindern zeigten Kinder, die eine hohe Verbundenheit mit der Natur aufwiesen, auch ein freundlicheres, gleichberechtigteres und prosozialeres Verhalten.

Es gibt also Beweise dafür, dass die Nähe zur Natur ein Faktor für bessere Verhaltensweisen ist. Dies ist ein gutes Zeichen.


Angesichts des Wissens über die Vorteile von Grünflächen sollten wir die positiven Gefühle unserer Kinder gegenüber der Natur fördern.

Positive Auswirkungen von Grünflächen

Wenn Kinder mit dem Gefühl aufwachsen, mit der Natur verbunden zu sein, neigen sie eher dazu, Erfahrungen in der Natur zu sammeln. Wie ich an anderer Stelle erklärt habe, deuten Experimente darauf hin, dass Erlebnisse in der Natur Stress abbauen, schlechte Laune zerstreuen und die Konzentrationsfähigkeit verbessern können.

Was passiert, wenn wir all diese Vorzüge nutzen?

Dann neigen wir dazu, uns angenehmer, rücksichtsvoller und aufmerksamer zu verhalten.

Daher ist es naheliegend, dass die Verbundenheit mit der Natur dazu beiträgt, dass wir sozialer werden und eher bereit sind, zu helfen, zu teilen und Freundschaften zu schließen.

Was können wir tun, damit Kinder sich mit der Natur verbunden fühlen?

Natürlich müssen Kinder die Natur erleben, das ist klar. Doch du solltest dich nicht hilflos fühlen, wenn du in einer Stadt lebst oder keinen eigenen Garten hast.

Die Vorschulkinder in der Studie aus Hongkong wuchsen in einer Stadt auf, die eine der größten Bevölkerungsdichten der Welt hat und alle Kinder lebten in Wohnungen. Dennoch entwickelten sie eine ausgeprägte Liebe zur Natur.

  • Deshalb lohnt sich ein Besuch in den örtlichen Parks und jedem kleinen Stückchen Natur, das sich finden lässt. Selbst ein Blick aus dem Fenster – oder die Pflege deines eigenen, kleinen Topfgartens – ist hilfreich. Das selbe gilt auch für virtuelle Besuche der Natur: Bringe deinem Kind die Schönheit der Natur durch spannende Dokumentarfilme und Fotos näher.
  • Hilf Kindern, sich auf die Natur einzustimmen, indem du ihnen gezielte Aktivitäten anbietest. Fordere Kinder auf, nach interessanten Insekten, Samen oder Steinen zu suchen. Ermutige kleine Kinder mit diesen Aktivitäten, Anzeichen auf Tiere zu entdecken.
  • Ermutige Kinder, ihre Naturerlebnisse schriftlich, künstlerisch oder fotografisch festzuhalten. Es ist erwiesen, dass kreative Projekte die Verbundenheit der Kinder mit der Natur vertiefen können.
  • Sorge dafür, dass negative kulturelle Botschaften, die dein Kind über die Tierwelt erfährt, vermieden werden. Studien bestätigen, dass bestimmte Vorstellungen über gewisse Lebewesen (z. B. „Kröten sind eklig“) zu Vorurteilen gegenüber Tieren führen. Lebe deinem Kind also Neugier, Wertschätzung und Begeisterung vor – nicht Abneigung.
  • Lerne mehr über Tiere und engagiere dich für den Schutz der heimischen Fauna. Die meisten Menschen fühlen sich mehr mit der Natur verbunden, wenn sie die Tiere, die sie beobachten, identifizieren können. Erinnerst du dich an die Kinder in Schweden, die halfen, eine einheimische Amphibienart zu retten? Die Beteiligung am Schutz der Natur hilft uns, unser Gefühl der Verbundenheit zu vertiefen.

Bildquelle: https://www.pexels.com/de-de/foto/foto-des-kindes-das-in-einem-wald-geht-2936722/

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