Was ist die Ferber Methode?

Die Ferber Methode, auch bekannt als „graduelle Eliminierung“, ist ein von Richard Ferber entwickeltes Programm zum Schlaftraining für Babys.  In einer Reihe von Trainingseinheiten lassen Eltern ihre Kinder in bestimmten Zeitabständen allein und ignorieren jegliche Äußerungen und Weinen, das sie hören könnten. Funktioniert die Methode, akzeptieren die Kinder nach und nach, dass niemand kommt, um ihnen zu helfen, und infolgedessen lässt ihr „störendes“ Verhalten nach.

Falls du dich mit dem Training deines Kindes beschäftigtst, wird dir dieser Artikel bei der Entscheidung helfen, ob diese Methode das Richtige für dich ist. Im Folgenden gehe ich auf diese Fragen ein:

  • Worauf einigen sich die Expert/innen?
  • Wie funktioniert die Ferber Methode?
  • Was spricht für und was gegen die Methode?
  • Ist die Ferber Methode wirksam? Oder ist sie schädlich?
  • Warum hat die Forschung die Debatte noch nicht beigelegt?
  • Welche „schonenderen“ Alternativen gibt es, und wie gut sind sie?

Wie ich nachfolgend erkläre, wurden auch andere Methoden des Schlaftrainings. Methoden, bei denen Babys nicht zum Weinen allein gelassen werden – getestet und für wirksam befunden. Verzweifelte, erschöpfte Eltern haben mehr als eine Möglichkeit.

Das ist über die Ferber Methode bekannt

Obwohl die Methoden des Schlaftrainings nach Ferber umstritten sind, sind sich die Forscher/innen in vielen Punkten einig.

Punkt 1: Die Ferber Methode ist für kleine Babys nicht geeignet

Kleine Babys müssen nachts gestillt werden und ihr Tagesrhythmus ist noch nicht ausgereift. Aus diesen Gründen warnen selbst Forscher/innen, die das Ferber Schlaftraining befürworten, dass es für Babys unter 6 Monaten nicht geeignet ist.

Stattdessen können Eltern eine Reihe von altersgerechten und unbedenklichen Taktiken ausprobieren, um den Schlaf ihrer Babys zu fördern.

Punkt 2: Die Ferber Methode ist nicht für Kinder geeignet, die eine krankhafte Angst davor haben, allein gelassen zu werden, oder die mit Erbrechen auf Angst reagieren.

Der gesunde Menschenverstand legt nahe, dass man traumatisierte Kinder nicht einer stufenweisen Eliminierung aussetzen sollte, und auch die Befürworter/innen des Ferber Schlaftrainings stimmen diesem Punkt zu. Falls dein Kind aufgrund früherer Erfahrungen Angst davor hat, allein in seinem Bett zu bleiben und/oder auf eine Trennung mit Erbrechen reagiert, solltest du dich mit einem Psychologen oder einer Psychologin beraten, welcher Ansatz für das Training am besten geeignet ist.

Punkt 3: Die Ferber Methode ist für die meisten Schlafprobleme von Kindern nicht geeignet

Wenn Eltern ein Schlaftraining in Erwägung ziehen, dann meist, weil ihre Kinder Probleme mit dem Schlafverhalten haben und/oder nachts häufig aufschrecken. Die Ferber Methode scheint eine mögliche Lösung zu sein. Doch ist sie das auch?

Die allmähliche Elimination dient nur einem einzigen Zweck: Kinder dazu zu bringen, ohne elterliche Beruhigung einzuschlafen. Gemessen daran ist die Methode wirksam (siehe „Argumente für die Ferber Methode“ unten).

Aber die Ferber Methode ist NICHT dafür gedacht, die meisten Schlafprobleme zu behandeln, die zu Kämpfen beim Schlafengehen und nächtlichem Aufwachen führen. Die Ferber Methode geht zum Beispiel nicht auf folgende Punkte ein

  • Stress tagsüber
  • nächtliche Ängste und Trennungsangst
  • Albträume
  • Schnarchen und andere Formen von schlafbezogener Atmung
  • Nächtliche Kopfschmerzen und andere schmerzhafte Erkrankungen
  • Störungen des Tagesrhythmus
  • Schlafwandeln und/oder nächtliche Wutanfälle
  • Probleme mit dem Tagesrhythmus, die durch zu frühes Schlafengehen verursacht werden

Wenn eine dieser Ursachen für das Schlafengehen oder nächtliche Aufwachen deines Kindes verantwortlich sind, ist es wichtig, eine geeignete Lösung zu finden. Ansonsten riskierst du, die Probleme deines Kindes zu verschlimmern oder potenziell gefährliche Krankheitsbilder zu ignorieren.

Das Schlaftraining erübrigt sich, wenn diese Erkrankungen behandelt werden. Wenn sich dein Kind zum Beispiel gegen das Schlafengehen wehrt, weil es nicht müde ist, kann die Behandlung einer Störung des Tagesrhythmus oder das Anpassen des Schlafengehens das Problem vollständig lösen.

Punkt 4: Die Ferber Methode lehrt Kinder nicht, wie sie einschlafen können

Wie Richard Ferber selbst einräumt, bringt seine Methode Kindern nicht bei, wie sie von alleine einschlafen können. Den Kindern wird einfach der Zugang zu ihren Eltern verwehrt, und sie müssen es selbst lernen.

Wenn du deinem Kind wirklich beim Einschlafen helfen willst, solltest du diese Alternative zur Ferber Methode ausprobieren. Ein Programm zum Schlaftraining, das als „positive Routinen mit verblassendem Schlafgehen“ bekannt ist. Im Gegensatz zu dem Training mit der Ferber Methode bringt das Programm „positive Routinen“ deinem Kind bei, sich zu entspannen und sich auf das Schlafengehen vorzubereiten.

Du kannst deinem Kind auch beim Einschlafen helfen, indem du diese Praktiken befolgst:

  • Dimme das Licht am Abend
  • Vermeide Sport und anregende Aktivitäten vor dem Schlafengehen
  • Vermeide Aufputschmittel (wie Koffein) und schwer verdauliche Nahrungsmittel vor dem Schlafengehen
  • Hilf deinem Kind, mit nächtlichen Ängsten umzugehen

Greife nicht sofort ein, wenn du etwas hörst. Babys seufzen, zucken oder stoßen während des Schlafs häufig Laute aus. Du willst ein schlafendes Baby nicht aus Versehen aufwecken. Selbst wenn dein Baby wach wird, kann es selbstständig wieder einschlafen, solange du ihm die Chance dazu gibst.

Punkt 5: Studien lassen wichtige Fragen ungeklärt

Forscher/innen sind sich einig, dass Babys unter 6 Monaten nicht mit der Ferber Methode trainiert werden sollten. Doch was ist mit älteren Babys? Gibt es irgendwelche Risiken oder langfristige Folgen?

Die Befürworter/innen weisen darauf hin, dass bislang keine Studien gezeigt haben, dass die Ferber Methode für Kinder im Alter von über 6 Monaten schädlich ist. Allerdings fehlen uns gut durchdachte, kontrollierte Studien, um diese Fragen abschließendzu klären.

In einigen Fällen besteht das Problem darin, dass es keine Studien gibt.

Studien an Babys bestätigen zum Beispiel, dass Weinen körperlich anstrengend ist. Es erhöht den Blutdruck, die Herzfrequenz und den Cortisolspiegel des Babys. Stellen die verstärkten Weinanfälle – die so genannten „Extinction Bursts“ – im Zusammenhang mit der Ferber Methode eine unmittelbare Gefahr für Babys dar? Diese Frage wurde bisher noch nicht beantwortet.

In anderen Fällen wurden zwar Studien durchgeführt, aber diese Studien sind nicht so konzipiert, dass wir unsere Fragen damit klären können. Um zu verstehen, was ich meine, schau dir das Folgende an.

Überprüfung der Ferber Methode

Wie du eine Studie gestaltest, die die wesentlichen Fragen beantwortet

Eine gut konzipierte experimentelle Studie isoliert die Faktoren, die uns interessieren, und vergleicht sie mit einer Kontrollbedingung, die diese Parameter nicht enthält.

In diesem Fall ist eines der Hauptprobleme, dass ein weinendes Baby in einer Umgebung gelassen wird, in der es keine Bezugsperson sehen, hören oder anderweitig wahrnehmen kann.

Wie nachfolgend beschrieben, steht diese Eigenschaft der Ferber Methode in deutlichem Widerspruch zur kultur- und entwicklungsübergreifenden Norm für die Fürsorge von Säuglingen, die darin besteht, dass Babys in der wohltuenden Gegenwart von Bezugspersonen einschlafen.

Verändert dieser Unterschied die Entwicklung der Kinder?

Um das zu erfahren, brauchen wir ein Experiment, das die Isolation von Babys mit dem Gegenteil vergleicht: Babys, die mit dem Bewusstsein ins Bett gehen, dass ihre Bezugspersonen anwesend (d. h. im selben Raum) und ansprechbar sind (d. h. dass sie bereit sind, sich um Babys zu kümmern, die in Not geraten, anstatt sie zu ignorieren).

Wir sollten auch darauf achten, dass andere Komponenten gleich bleiben. Dazu gehören die Ausgangsbedingungen, wie z. B. Stresssituationen im Haushalt, aber auch Veränderungen während des Experiments.

Wenn die Eltern einer Gruppe zum Beispiel speziell darin geschult werden, wie sie das Stillen zeitlich optimal gestalten können, sollte das gleiche Training auch für die Eltern der Kontrollgruppe durchgeführt werden. Andernfalls können wir die Zusammenhänge nicht erkennen. Wir werden nicht wissen, welche Komponenten der experimentellen Maßnahmen (das Erlernen des zeitlich abgestimmten Stillens oder das Üben der Ferber Methode) das Ergebnis beeinflusst haben.

Schließlich müssen wir uns auch mit wichtigen Aspekten der Qualitätskontrolle befassen:

  • Haben alle Eltern in der Untersuchungsgruppe die gleichen Verfahren angewendet?
  • Wenn einige Eltern aus der Studie ausgestiegen sind, wissen wir dann, wie dies die Ergebnisse beeinflusst haben könnte?
  • Haben die Forscher/innen objektive Maßstäbe für die Ermittlung langfristiger Ergebnisse (wie die Entwicklung der emotionalen Kontrolle, der Persönlichkeit und der Bindungssicherheit) entwickelt?
  • Wie groß ist die Studie und welche Art von Familien nahmen daran teil?

Und bevor wir irgendwelche allgemeinen Schlussfolgerungen ziehen, müssen wir die besonderen Merkmale der Untersuchungsgruppe berücksichtigen. Können wir die Ergebnisse auf andere Gruppen übertragen – auch auf Menschen, die in anderen Kulturen leben?

Es gibt also viel zu bedenken, doch das ist notwendig, wenn wir relevante Fragen beantworten wollen. Wie ich weiter unten anmerke, hat leider noch keine Studie das erste Kriterium (die Gegenüberstellung von abgestuftem Eleminieren und der normalen Schlafenszeit) erfüllt, geschweige denn alle Kriterien. Trotz jahrzehntelanger Forschung wissen wir also immer noch verblüffend wenig darüber, wie die wichtigsten Merkmale der Ferber Methode das Verhalten, die Entwicklung und die Beziehungen eines Kindes zu seiner Familie beeinflussen können.

So funktioniert die Ferber Methode

Die Ferber Methode ist eigentlich eine Variante des Schlaftrainings mit dem Namen „Extinktion“.

Das Schlaftraining basiert auf der Annahme, dass Kinder Probleme mit dem Einschlafen haben, weil sie gelernt haben, sich auf die elterliche Beruhigung zum Einschlafen zu verlassen. Wenn Kindern diese Beruhigung verweigert wird, können sie das Schlafengehen durch Hinauszögern, Flehen, Weinen oder Wutanfälle hinauszögern. Da sie nicht eigenständig einschlafen können, werden sie unruhig, wenn sie mitten in der Nacht aufwachen.

Eltern, die den Forderungen ihrer Kinder nach Aufmerksamkeit „nachgeben“, verstärken das problematische Verhalten. Die Lösung besteht also darin, dass die Eltern ihre Kinder ins Bett bringen (solange sie noch wach sind) und sie dann allein lassen. Wenn Kinder weinen, sollen die Eltern es ignorieren. Die Eltern sollen nur dann wieder nach dem Kind schauen, wenn es zwingend nötig erscheint.

Die Ferber Methode unterscheidet sich in einem wichtigen Punkt von dem Training mit der Extinktion: Sie erlaubt Eltern, nach ihren Kindern zu sehen – aber nur kurz und nach einem strengen Zeitplan.

Zur Verdeutlichung: Die erste Nacht des Trainings nach Ferber sieht so aus:

  • Die Eltern bringen ihr Kind ins Bett und gehen dann für 3 Minuten weg.
  • Nach einer kurzen Überprüfung (während der die Eltern ihr Kind nicht in den Arm nehmen oder halten) gehen die Eltern erneut weg – diesmal für 5 Minuten.
  • Anschließend warten die Eltern 10 Minuten zwischen den einzelnen Kontrollen, bis das Kind endlich eingeschlafen ist.

In den folgenden Nächten erhöhen die Eltern schrittweise die Zeit zwischen den Kontrollgängen.

Die zweite Nacht warten die Eltern zum Beispiel 5 Minuten vor dem ersten Besuch, 10 Minuten vor dem zweiten und 12 Minuten vor allen weiteren Besuchen. In den folgenden Nächten verlängert man diese Abstände auf 20 Minuten oder mehr.

Manche Eltern, die das Training nach Ferber ausprobieren, stellen schon nach wenigen Tagen Verbesserungen fest. In Studien, in denen die die abgestufte Extinktion testeten, können Eltern das Training innerhalb von 4 Wochen abschließen.

Aber manche Eltern – die sich an der Vorstellung stören, ihre Kinder zu ignorieren, und die sich Sorgen über die potenziell schädlichen Auswirkungen des Trainings machen – brechen das Training ab, bevor sie eine deutliche Wirkung wahrnehmen.

Babys, die mit der Ferber Methode trainiert werden, können während des Trainings wesentlich verzweifelter werden als zuvor. Diese so genannten „Auslöschungsschübe“, zu denen häufigeres und intensiveres Weinen, Proteste und Wutausbrüche gehören, bringen manche Eltern dazu, aufzugeben.

Außerdem kann das Training scheitern, wenn Eltern inkonsequent sind und den Bitten ihrer Kinder regelmäßig „nachgeben“. Ferber rät den Eltern, an der Routine festzuhalten, auch wenn das Kind sich so sehr aufregt, dass es erbricht. In diesem Fall sollten die Eltern schnell aufwischen und dann den Raum verlassen, um mit dem Training fortzufahren.

Vorteile der Ferber Methode

Ist die Ferber Methode effektiv?

Wissenschaftlichen Studien zufolge ist das Training – einschließlich der Ferber Methode – mit den folgenden guten Ergebnissen verbunden:

  • Kinder, die das Training abgeschlossen haben, haben seltener Wutanfälle beim Schlafengehen
  • Kinder, die das Training absolviert haben, kommen nachts eher innerhalb von zehn Minuten zur Ruhe.
  • Kinder, die das Training abgeschlossen haben, wecken ihre Eltern seltener in der Nacht auf.
  • Eltern, die das Training abgeschlossen haben, berichten, dass sich ihr eigener Stresspegel, ihre Stimmung und die Beziehungen zu ihren Kindern verbessert haben.

Zusätzlich zu diesen guten Ergebnissen berichteten Eltern über Verbesserungen im Verhalten ihrer Kinder am Tag, vielleicht weil die „Absolvent/innen“ des Trainings nachts mehr Schlaf bekommen.

Für Eltern, die nachts unter Schlaflosigkeit und emotionalem Aufruhr leiden, sind diese Ergebnisse äußerst bedeutungsvoll. Befürworter/innen der Ferber Methode weisen darauf hin, dass Eltern, die unter Schlafmangel leiden, ein höheres Risiko für Depressionen und Beziehungskonflikte haben. Solche Eltern können Abneigungen gegenüber ihren Kindern entwickeln und die Beziehung zwischen Eltern und Kind leidet infolgedessen. Wenn Eltern das „störende“ nächtliche Verhalten ihrer Kinder beenden oder reduzieren können, profitiert die ganze Familie davon.

Doch die Ferber Methode ist nicht das einzige Trainingsprogramm zum Einschlafen, das diese Vorteile bietet.

Wie weiter unten erwähnt, haben Alternativen zur Ferber Methode – Trainingsprogramme, bei denen die Kinder nicht allein gelassen werden, um sich auszuweinen – ähnliche Erfolge erzielt. Aus diesem Grund ist es wichtig, die potenziellen Risiken der Ferber Methode zu berücksichtigen.

Nachteile der Ferber Methode

Ist die Ferber Methode schädlich?

Obwohl Studien zeigen, dass das Training sehr effektiv sein kann, um Proteste und Hinhaltetaktiken beim Schlafengehen zu unterbinden, machen sich viele Sorgen über mögliche Nebenwirkungen.

Kinder beim Weinen allein zu lassen, scheint einen Widerspruch zu unseren tiefsten Instinkten darzustellen, und das ist nicht überraschend.

Während des Großteils der Menschengeschichte war das größte „Schlafproblem“ unserer Vorfahren höchstwahrscheinlich das Vermeiden von Gefahren durch Raubtiere. Wie die heutigen Jäger und Sammler schliefen unsere Vorfahren in einer Gemeinschaft und teilten sich die “ Wachdienste“. Kinder kuschelten sich an ihre Eltern und Geschwister. Wenn Kinder weinten, war es wichtig, sie schnell zu beruhigen.

Außerdem war es für Babys wichtig, eine enge, persönliche Beziehung zu ihren Bezugspersonen aufzubauen. Sie mussten jahrelang gepflegt und genährt werden, bevor sie selbstständig überleben konnten. In einer Gesellschaft, in der 40 % der Kinder vor ihrem 15. Geburtstag starben, hing der Erfolg davon ab, dass sich jemand um sie kümmerte – jemand, der die Bedürfnisse der Kinder verstand und sich dafür einsetzte, sie zu erfüllen. Kein Zögern. Keine Vernachlässigung.

Die Not eines Babys zu ignorieren ist also ein Zeichen dafür, dass irgendetwas nicht stimmt. Und ein Kind allein zu lassen, wäre als Vernachlässigung, wenn nicht sogar als Mordversuch gewertet worden. Es sollte uns also nicht verwundern, dass unsere Vorfahren emotionale und verhaltensbezogene Reaktionen entwickelt haben, um Eltern und Kinder eng beieinander zu halten.

Unsere evolutionäre Vergangenheit hinterließ ihre Spuren in unseren Gehirnen. Lässt man kleine Kinder nachts allein, können sie einen der ursprünglichsten und stärksten Stressfaktoren erleben, den junge Lebewesen kennen – Trennungsangst. Trennungsangst ist eine panische Reaktion, die von einem primitiven Teil des Gehirns ausgeht, der auch Informationen über körperliche Schmerzen verarbeitet.

Was geschieht, wenn wir diese Angstreaktion ignorieren? Und was geschieht, wenn Eltern so tun, als wären sie der Not ihrer Kinder gegenüber gleichgültig? Wie wirkt sich die Ferber Methode auf das System der Stressreaktion aus? Auf die Entwicklung von Bindungsbeziehungen, emotionalen Fähigkeiten und Persönlichkeitsmerkmalen?

In diesem Zusammenhang ist es wichtig, sich vor Augen zu halten, dass wir nicht annehmen dürfen, dass alles in Ordnung ist, wenn ein Baby nicht weint.

In einem aktuellen Experiment mit Babys in einem Krankenhaus zeichneten Forscher/innen die EEGs der Gehirne auf, während die Säuglinge verschiedene Arten von Reizen erfuhren, darunter einen schmerzhaften Fersenstich.

Die Forscherinnen und Forscher fanden heraus, dass es keinen Zusammenhang zwischen dem Weinen von Babys und den Anzeichen von Schmerzsignalen im Hirn gibt. Einige Babys weinten, wenn sie Schmerzen hatten, andere nicht. Einige Babys weinten stärker, wenn sie Schmerzen hatten, andere hingegen nicht.

Die Abwesenheit des Weinens war kein verlässlicher Indikator für die Notlage eines Babys. Könnte das auch bei Babys der Fall sein, die ein „Cry it out“-Schlaftraining absolvieren? Wenn ein Baby aufhört zu weinen, bedeutet das vielleicht, dass es nicht mehr verzweifelt ist. Möglicherweise bedeutet es aber auch nur, dass sie es aufgegeben haben, nach einer Bezugsperson zu rufen, die nicht reagiert.

Diese Themen beschäftigen eine Vielzahl von Eltern, Kinderärzten, Forschern und Therapeuten. Und wie bereits erwähnt, benötigen wir weitere Untersuchungen, um diese Fragen zu beantworten. Doch warum ist das so?

Warum die Wissenschaft das noch nicht herausgefunden hat

Wenn du die Berichte in den populären Medien verfolgt hast, hast du vielleicht den Eindruck gewonnen, dass die Kontroverse abgeschlossen ist. Haben die Studien nicht gezeigt, dass die Ferber Methode eine harmlose und kostenfreie Möglichkeit ist, die Schlafprobleme eines Kindes zu lösen?

Die Antwort lautet eindeutig nein, denn der Grund dafür ist ganz einfach: Derzeit fehlen uns Studien, die unsere Kriterien für den Aufbau einer guten Studie erfüllen.

In einer Studie, die in den Medien viel Lob erhielt, konnten beispielsweise die Ergebnisse von mehr als 250 australischen Babys über einen Zeitraum von 5 Jahren nachverfolgt werden.

Das klingt sehr vielversprechend, doch es gibt ein Problem.

In dieser Studie wurden die Auswirkungen der Ferber Methode nicht wirklich getestet.

Die Eltern, die an der Studie teilnahmen, erhielten verschiedene Formen von Hilfe und Beratung:

  • Sie wurden über das Schlafverhalten ihres Babys aufgeklärt.
  • Sie wurden angewiesen, den Schlaf ihres Babys zu verbessern, indem sie den Zeitpunkt der Mahlzeiten änderten.
  • Ihnen wurde geraten, die Babys ins Bett zu bringen, wenn sie noch wach sind.
  • Ihnen wurde eine Krankenschwester zugewiesen, die sie im Umgang mit Schlafproblemen coachte.

Dann wurden die Eltern ermutigt, sich für eines von zwei Programmen zum Schlaftraining zu entscheiden – der Ferber Methode und einer alternativen Methode, bei der die Babys nicht alleingelassen wurden.

Die Kombination der beiden Methoden war also eine Mischung. Die Eltern erhielten nicht nur die Ferber Methode an die Hand, sondern auch Schulungen, Unterstützung und Coaching in einer Reihe anderer Vorgehensweisen.

Was ist mit der Kontrollgruppe? Die Eltern der Kontrollgruppe wurden von einer Krankenschwester nicht dazu ermutigt, ein Schlaftraining zu wählen. Es stand den Eltern in der Kontrollgruppe jedoch frei, sich von ihren Ärzten oder Ärztinnen beraten zu lassen und jede beliebige Strategie bezüglich des Einschlafens anzuwenden.

Haben einige Eltern in der Kontrollgruppe versucht, ihr Kind durch stufenweise Extinktion zu beruhigen?

Wir wissen es nicht, weil die Forscher keine Informationen darüber gesammelt haben.

Aber wir wissen, dass die Eltern möglicherweise motiviert waren und die Gelegenheit dazu hatten.

Alle Eltern, die an dieser Studie teilnahmen, wurden ausgewählt, weil sie sich über die Schlafgewohnheiten ihrer Babys beklagten. Und die Eltern der Kontrollgruppen suchten nicht nur Rat bei ihren Ärzten oder Ärztinnen. Fast zwei Drittel von ihnen gaben an, dass sie Hilfe und Rat von Dritten erhielten.

Es wäre also nicht überraschend, wenn einige Babys in der Kontrollgruppe ein Schlaftraining im Stil von Ferber erhalten hätten.

Diese Studie ermöglicht es uns also nicht, die langfristigen Auswirkungen der Ferber Methode zu beurteilen.

Die Testgruppe umfasst mehrere verschiedene Strategien, die in einen Topf geworfen wurden, darunter viele Taktiken, bei denen die Babys nicht allein gelassen werden. Außerdem haben die Babys in der Kontrollgruppe wahrscheinlich einige der gleichen Trainingsbedingungen erlebt wie die Babys in der Testgruppe.  Was diese Studie wirklich untersuchte, war die Wirkung eines Bildungs- und Unterstützungspakets für Eltern.

Wie sieht es mit neueren Forschungsergebnissen aus?

Eine andere Gruppe von Forscher/innen in Australien hat sich mit dem Training noch intensiver beschäftigt. Sie beauftragten einige Eltern mit der Anwendung der Ferber Methode und verglichen die Ergebnisse mit denen von Familien, die entweder (1) einer Kontrollgruppe oder (2) einer Gruppe angehörten, die eine andere Schlafstrategie praktizierte.

Aber auch hier ist es aufgrund fehlender Informationen nicht möglich, Rückschlüsse zu ziehen.

Bei den Eltern der Kontrollgruppe haben die Forscher/innen keine Informationen darüber gesammelt, welche Techniken die Eltern einsetzten, um ihre Babys zum Schlafen zu bringen. Sie fragten auch nicht, ob die Babys im selben Zimmer wie ihre Eltern schliefen oder woanders.

Auch bei den Eltern, die man für die alternative Schlafstrategie auswählte, sammelten die Forscher/innen keine Daten über den Schlafplatz der Babys.

Somit blieb eine der wichtigsten Variablen, die den Forscher/innen Sorgen bereitete – nämlich ob die Babys allein weinen mussten oder nicht – unkontrolliert und ungetestet.

Darüber hinaus leidet diese Studie unter der geringen Stichprobengröße und den fehlenden Daten. Es wurden nicht mehr als 15 Familien pro Bedingung ausgewählt, und viele Familien nahmen zu bestimmten Zeitpunkten der Studie nicht teil.

Zum Beispiel meldete sich zum Zeitpunkt der 3-monatigen Datenerhebung nur etwa die Hälfte der Familien. Die Forscher/innen füllten die fehlenden Daten mit ihren eigenen Einschätzungen auf.

Fehlende Daten können erhebliche Folgen haben, vor allem, wenn wir es mit einer geringen Teilnehmerzahl zu tun haben. Das wird deutlich, wenn du dir einen Test ansiehst, den die Forscher/innen am Ende der Studie, 12 Monate nach Beginn, durchführten.

Nur 7 von 13 (54%) der Familien in der Gruppe mit der Ferber Methode hatten Babys, die eine sichere Bindung zu ihren Eltern aufwiesen. Den Babys in der Kontrollgruppe erging es dagegen etwas besser: 5 von 8 Babys (63%) hatten eine sichere Beziehung zu ihren Eltern.

Das mag für eine abgestufte Extinktion schlecht aussehen, aber beachte, dass in der Kontrollgruppe weniger Familien am Test teilnahmen. Wären die Ergebnisse anders ausgefallen, wenn sich niemand für den Bindungstest entschieden hätte?

Diese Untersuchung zielt also nicht auf die wichtigsten Fragen zur graduierten Extinktion ab und ist durch die geringe Stichprobengröße und fehlende Daten eingeschränkt. Wir warten immer noch auf Studien, die uns eindeutige Rückschlüsse auf die langfristigen Auswirkungen des Alleinseins von Babys und des absichtlichen Ignorierens ihres Weinens geben können.

Die Ferber Methode im Vergleich: Wie schneidet sie im Vergleich zu Alternativen ab?

Die Ferber Methode ist nicht die einzige Möglichkeit für Eltern, die sich für ein Schlaftraining interessieren. Zwei Alternativen sind

  • „Positive Routinen mit verblasster Schlafenszeit“, und
  • „Extinktion mit elterlicher Anwesenheit“ (bei der die Eltern mit den Kindern im selben Raum bleiben, bis sie einschlafen)

Bei der Methode der „guten Routinen“ lernen Kinder einzuschlafen, indem sie eine Reihe von entspannenden Ritualen zur Schlafenszeit durchlaufen – allerdings nur, wenn das Kind bereits Anzeichen von Schläfrigkeit zeigt.

Die „Extinktion mit elterlicher Anwesenheit“ ist eine Variante der abgestuften Extinktion, bei der die Kinder nicht allein gelassen werden.

Wie schneidet die Ferber Methode im Vergleich zu diesen beiden Alternativen ab?

In der einzigen kontrollierten, randomisierten wissenschaftlichen Studie, die die abgestuften Extinktion und „positive Routinen“ direkt miteinander verglich, gab es keine signifikanten Unterschiede in den Behandlungsergebnissen für Kinder.

Auch ein Experiment, bei dem die stufenweise Extinktion mit der „Extinktion mit elterlicher Anwesenheit“ verglichen wurde, ergab keinen Unterschied in den Behandlungsergebnissen.

Laut der Amerikanischen Akademie für Schlafmedizin scheinen diese drei Methoden „gleichwertig zu sein“.

Die Schlussfolgerung

Die Ferber Methode kann ein wirksames Mittel sein, um nächtliches Schreien, Proteste und das Verlangen nach elterlicher Beruhigung zu reduzieren. Aber sie ist nicht die einzige wirksame Methode, die es gibt.

Bevor du dich für ein bestimmtes Schlaftraining entscheidest, solltest du die folgenden Punkte beachten:

  • Achte darauf, dass das Training altersgerecht ist.
  • Untersuche das konkrete Schlafproblem deines Kindes und gehe darauf ein.
  • Berücksichtige das individuelle Temperament und die Persönlichkeit deines Kindes.
  • Wenn dein Kind eine verhaltensbedingte Angst vor dem Alleinsein hat oder Anzeichen von Erbrechen zeigt, solltest du einen Verhaltenstherapeuten aufsuchen.
  • Bevor du mit dem Training beginnst, vergewissere dich, dass alle beteiligten Erwachsenen das Verfahren verstehen. Egal für welche Methode du dich entscheidest, der Erfolg hängt davon ab, dass du konsequent bist.

Bildquelle: https://www.pexels.com/de-de/foto/bett-schlafzimmer-niedlich-wohnung-4357852/

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