Aggression bei Kindern kann viele verschiedene Erscheinungsformen haben: Wutausbrüche; Schläge, Tritte oder Bisse; hitzköpfige Wutanfälle, die Eigentum zerstören; kaltherziges Mobbing; Beschimpfungen oder Versuche andere durch Drohungen oder Gewalt zu kontrollieren.

Was regt Kinder auf?

In manchen Fällen schlagen Kinder um sich, weil sie frustriert durch ein Problem sind, das sie überfordert. Außerdem haben sie noch nicht gelernt, ihre Impulse zu kontrollieren oder Konflikte auf eine alternative akzeptable Weise zu lösen.

In anderen Fällen haben Kinder mit besonderen Herausforderungen zu kämpfen – z. B. mit stressigen Lebensereignissen, Problemen bei der Bewältigung von Emotionen, Aufmerksamkeitsdefiziten, autistischen Merkmalen oder Hyperaktivität.

Doch in allen Fällen – auch wenn Kinder schwere Verhaltensstörungen aufweisen – können Eltern viel Einfluss auf ihre Kinder nehmen.

Menschen sind nicht so vorprogrammiert, dass sie der Welt mit Feindseligkeit gegenübertreten. Wir haben alle die Fähigkeit, uns aggressiv zu verhalten. Die Entscheidung, ob wir es tun oder nicht, liegt an uns und unserer Weltanschauung.

Aggressive Tendenzen werden durch die Rahmenbedingungen geformt- dem alltäglichen Druck, den Gefahren, den Chancen und den Folgen, denen Kinder ausgesetzt sind. Wenn wir diese Bedingungen beeinflussen, können wir ihr Verhalten verbessern und den Verlauf ihrer Entwicklung ändern.

Das heißt aber nicht, dass es deine Schuld ist, wenn dein Kind sich daneben benimmt. Manche Kinder haben aufgrund ihrer Erbanlagen ein höheres Risiko für Probleme. Außerdem wird die Aggression von Kindern durch das Umfeld außerhalb des Elternhauses beeinflusst. Gleichaltrige, Lehrer/innen, die Wohngegend, Medienbotschaften, Ideologien und kulturelle Faktoren spielen alle eine Rolle.

Doch egal, welche Faktoren ein Kind besonders gefährden, das Ergebnis ist nicht unvermeidlich. Wenn Bezugspersonen die nötige Beratung erhalten, können sie einen entscheidenden Beitrag leisten.

Randomisierte, kontrollierte Studien zeigen, dass sich die Entwicklung aggressiver Kinder ändert, wenn die Eltern ein praxisorientiertes Training und emotionale Rückendeckung erhalten.

Die Maßnahmen funktionieren zum einen, weil die Eltern spezielle Strategien zum Umgang mit Aggressionen lernen. Doch sie funktionieren auch, da Eltern lernen, ihre Einstellung zu verändern.

Sich mit den Verhaltensproblemen eines Kindes auseinanderzusetzen, ist stressig und zermürbend. Es zehrt an deiner Widerstandskraft, deinem Optimismus, deiner Kompetenz und deinem Wohlwollen. Es kann die Eltern-Kind-Beziehung auf zerstörerische Weise verändern und neu definieren, was dich dazu bringen kann, über dein Kind auf eine Weise zu denken, die deine Fähigkeit beeinflusst, die Probleme zu bewältigen.

Und diese kontraproduktiven Gedanken heizen den Konflikt an und verschlimmern die Verhaltensprobleme.

Ersetze die schädlichen Denkweisen durch gute, konstruktive, problemlösende Gedanken. Dadurch kannst du schlechtes Verhalten verhindern, bevor es entsteht.

Egal, ob Kinder nur die Trotzphase durchmachen oder schwierige Probleme haben, es gibt etwas, dass uns Mut machen sollte: Mit den richtigen Hilfsmitteln können wir alles zum Guten wenden.

Nachfolgend werden einige faktenbasierte Tipps für den Umgang mit Aggressionen bei Kindern vorgestellt. Im ersten Teil geht es darum, deine Einstellung als Elternteil zu ändern. Der zweite Teil enthält praktische Tipps, die Kindern helfen, ihre aggressiven Impulse zu überwinden.

1. Nimm es nicht persönlich

Wenn dein Kind einer Bitte nicht nachkommt, kann man sich leicht missachtet fühlen. Es ist leicht, sich als Zielscheibe zu fühlen, wenn dein Kind wütend wird. Aber diese emotionalen Reaktionen, so normal sie auch sind, funktionieren nicht.

Zunächst ist es wichtig immer zu Bedenken, dass Kinder Gefühle und Informationen nicht so wie Erwachsene verarbeiten (siehe unten). Wenn dein Kind noch sehr klein ist, versteht es viele Dinge bezüglich seiner eigenen Gefühle noch nicht, ganz zu schweigen von deinen. Ist dein Kind älter, ist es wahrscheinlich, dass das Fehlverhalten deines Kindes auf Impulsivität oder fehlende Kompetenzen zurückzuführen ist – nicht auf Boshaftigkeit.

Zweitens hat die Forschung ergeben, dass unsere pessimistischen sozialen Überzeugungen – die Tendenz, feindliche Absichten zu vermuten, wo es keine gibt – zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung werden. Menschen, die das Schlimmste annehmen, neigen dazu, negative Verhaltensweisen bei anderen zu fördern und zu provozieren. Eltern, die feindselige Unterstellungen machen, können am Ende also genau die Probleme schaffen, die sie lösen wollen.

In einer Studie zeigte sich, dass Mütter, die feindselige Unterstellungen gegenüber ihren Kleinkindern äußerten, dreieinhalb Jahre später mit höherer Wahrscheinlichkeit Kinder mit aggressiven Verhaltensauffälligkeiten hatten. Dieser Zusammenhang zwischen den mütterlichen Überzeugungen und der Aggression der Kinder blieb auch dann noch bestehen, wenn die Forscher/innen bereits bestehende Schwierigkeiten der Kinder sowie das negative elterliche Verhalten, das oft mit feindseligen Unterstellungen einhergeht, berücksichtigten.

Denk daran, Dinge nicht zu persönlich zu nehmen. Die Verhaltensweisen zu persönlich zu nehmen ist nicht gut für deinen Gemütszustand. Wenn es dir gelingt die Dinge nicht zu persönlich zu nehmen hilft das auch eurer Beziehung und ist gut für die längerfristige Entwicklung des Kindes.

2. Realistische Erwartungen

Habe realistische Erwartungen bezüglich den Fähigkeiten deines Kindes, Regeln zu befolgen und Aufforderungen nachzukommen.

Kleine Kinder haben eine geringere Aufmerksamkeitsspanne und sind schnell abgelenkt. Sie brauchen mehr Zeit, um Anweisungen zu verstehen. Die Kapazität ihres Arbeitsgedächtnisses – also die Anzahl der Dinge, die sie sich auf einmal merken können – ist recht gering.

Es dauert länger, als man denkt, neue Informationen zu verstehen und sich an neue Regeln oder Vorgehensweisen zu gewöhnen. Kleine Kinder brauchen mehr Übung als ältere Kinder, und ältere Kinder brauchen mehr Übung als Erwachsene.

Wenn wir also Anweisungen geben, sollten wir von kleinen Kindern nicht erwarten, dass sie schnell und zuverlässig reagieren. Sie sind langsamer und es ist schwieriger für sie, von einer Tätigkeit zur nächsten zu wechseln. Wir müssen ihnen klare, einfache Anweisungen geben und ihnen dann die Zeit lassen, die sie brauchen, um umzuschalten.

Ältere Kinder können zwar mit mehr komplexen Aufgaben in einem höheren Tempo umgehen, aber die Spanne ihrer Aufmerksamkeit, ihr Arbeitsgedächtnis, ihre Impulskontrolle und die Fähigkeit, zwischen verschiedenen Aufgaben zu wechseln, befinden sich noch in der Entwicklung.

Indem du dich auf das Tempo und die Fähigkeiten deines Kindes einstellst und es geduldig und ruhig erinnerst, kannst du Aufgaben so gestalten, dass das Kind sie mit sie eigenständig lösen kann. Zudem erfährt dein Kind, dass es für seine Mitarbeit sozial und emotional belohnt wird – eine wichtige Erfahrung für die langfristige Entwicklung deines Kindes. Du musst mehr Zeit investieren, doch diese Investition wird sich lohnen.

3. Setze realistische Erwartungen an die Entwicklung von Empathie und Freundlichkeit

Während der gesamten Kindheit lernen Kinder immer noch über Gefühle – wie sie ihre eigenen Gefühlslagen regulieren und die Gedanken anderer nachvollziehen können. Kleine Kinder sind abhängig, ungeübt und verletzlich. Sie fühlen sich schneller bedroht und achten daher eher auf ihre eigenen Interessen.

Ältere Kinder reagieren möglicherweise auch so, wenn sie die Welt als feindlich oder ungerecht empfinden. Manche Kinder sind auch körperlich im Nachteil. Sie sind zwar in der Lage, soziale Impulse zu verarbeiten, doch ihr Gehirn belohnt sie nicht so stark dafür. Das hat zur Folge, dass Kinder seltener aus eigener Kraft lernen. Sie brauchen unsere Hilfe.

Obwohl Kinder sich manchmal egoistisch verhalten, heißt das nicht, dass sie zutiefst selbstsüchtig sind. Kinder zeigen schon sehr früh die Fähigkeit zu Empathie und Freundlichkeit. Sogar Babys scheinen sich für Benachteiligte einzusetzen.

Nehmen Kinder keine Rücksicht auf andere, liegt das oft daran, dass sie die jeweilige Situation anders wahrnehmen oder nicht wissen, wie sie ihre Impulse kontrollieren können. Sie brauchen Möglichkeiten, das zu lernen – indem sie sichere Bindungsbeziehungen zu uns aufbauen, über Gefühle und die emotionalen Signale anderer kommunizieren, positive Vorbilder haben und in einem Umfeld aufwachsen, das Selbstbeherrschung und Kooperation wertschätzt.

4. Baue eine gute Beziehung auf

Benimmt sich dein Kind dauernd daneben, hältst du es womöglich für wichtig, auf jedes Vergehen mit Kritik, Warnungen oder Strafen zu reagieren. Doch ist das wirklich sinnvoll? Das Endergebnis ist eine Beziehung zwischen Eltern und Kind, die vor allem durch negative Wortwechsel geprägt ist.

Das ist nicht nur bedauerlich, sondern sogar schädlich. Studien zeigen, dass Kinder soziale Kompetenzen besser erlernen, wenn wir ihnen positives Feedback geben, wenn sie gute Entscheidungen treffen – und nicht drohen oder strafen, wenn sie etwas falsch machen.

Zudem kann ständige Negativität dazu führen, dass Kinder aufmüpfiger werden. Eine negative Erziehung kann zu einer Abwärtsspirale aus Fehlverhalten, Bestrafung, Gegenwehr, noch mehr Bestrafung und noch mehr Fehlverhalten führen. Besonders unvernünftig sind körperliche Strafen. Wenn Eltern körperliche Strafen verhängen, verschlimmern sich die Probleme des aggressiven Verhaltens des Kindes in der Regel noch.

Wie bleibt man ruhig und gelassen? Das ist nicht einfach, vor allem nicht, wenn dein Kind im „Trotzmodus“ feststeckt. Du brauchst Unterstützung und vielleicht auch etwas fachliche Hilfe. Studien zeigen, dass Therapeuten und Therapeutinnen, die speziell im Umgang mit Aggressionen bei Kindern geschult sind, helfen können, Stress abzubauen und das Verhalten zu verbessern.

Ein international angewandter Lösungsweg ist das so genannte „Oregon-Modell“ des Parent Management Training. In wöchentlichen Sitzungen mit Coaching und Rollenspielen lernen Eltern, wie sie Grenzen setzen, die Zusammenarbeit fördern, Streit auf konstruktive Weise schlichten und den Alltag mit angenehmen, liebevollen Aktivitäten füllen können.

Doch der erste Schritt besteht darin, richtige Prioritäten zu setzen. Es ist wichtiger, eine gute Beziehung aufrechtzuerhalten, als jeden Misserfolg zu ahnden. Du solltest dir deine Schlachten weise aussuchen.

5. An das eigene Wohlbefinden denken

Der Umgang mit Aggression ist sehr anstrengend und Stress ist schädlich. Er macht uns krank, trübt unser Denken und schadet unseren Beziehungen. Wie ich an anderer Stelle erkläre, ist Stress ansteckend: Selbst kleine Babys nehmen unsere negative Stimmung auf. Sind Eltern gestresst, gießt das Öl ins Feuer: Die Verhaltensprobleme der Kinder verschlimmern sich meist.

Sich um das eigene Wohlbefinden zu kümmern, sollte also kein Hintergedanke sein, ein Luxus, der aufgeschoben wird, bis sich die Verhaltensprobleme deines Kindes lösen. Es ist ein wichtiges Thema, ein zentraler Bestandteil der Krise.

Zögere nicht, dich von einem Therapeuten, einer Therapeutin oder einer Erziehungsberatungsstelle beraten zu lassen, welche im Umgang mit aggressivem Verhalten bei Kindern spezialisiert sind.

Dein Therapeut bzw. deine Therapeutin oder dein Arzt bzw. deine Ärztin kann dir die Teilnahme an einer faktengestützten Selbsthilfegruppe für Eltern empfehlen; solche Programme haben eine gute Erfolgsquote.

Bildquelle: https://www.freepik.com/free-photo/cute-adorable-boy-studio_28884950.htm

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