Kinder stellen in jeder Phase Fragen. Nun, ich meine, sie stellen immer eine Menge Fragen.
Was ist schneller: Feuer oder Staub? Woher kommen die Gedanken? Was gibt es zu essen? Kann ich mir das Auto ausleihen?
Das ist aber nicht die Art von Fragen, die ich meine.
Kinder sind von ihrer Entwicklung her so verdrahtet, dass sie unbewusst mit einer bestimmten Spannung ringen. Und die Art und Weise, wie wir diese Spannung lösen (oder auch nicht), hat die Macht, das Selbstvertrauen eines Kindes aufzubauen oder zu zerstören. Es gibt nur wenige allgemeingültige Wahrheiten, wenn es um Erziehung geht, aber ich denke, wir sind uns alle einig, dass wir wollen, dass unsere Kinder zu selbstbewussten, selbstsicheren Erwachsenen heranwachsen. Aber nicht nach dem Motto „Ich bin größer und besser als du“, sondern eher nach dem Motto „Ich weiß, wer ich bin und wofür ich stehe“.
Ein Selbstvertrauen, das andere beruhigt und ihnen die Erlaubnis gibt, ebenfalls selbstbewusst zu sein.
Wie sieht das nun für jede Lebensphase deines Kindes aus?
In der Neugeborenenphase fragt sich dein Baby: Bin ich sicher?
In der Phase der Ein- und Zweijährigen fragt dein Kind: Bin ich fähig?
In der Phase der Drei- und Vierjährigen fragt dein Kind: Geht es mir gut?
Du löst die Spannungen in der Vorschulphase, indem du auf die körperlichen Bedürfnisse deines Kindes eingehst. Indem du z.B. jedes Mal die Kruste vom Pausenbrot deines Kleinkindes abschneidest oder ein weiteres Wehwehchen deines Vorschulkindes behandelst, baust du sein Vertrauen auf.
In der Kindergarten- und Erstklässlerphase fragt dein Kind: Habe ich deine Aufmerksamkeit?
In der zweiten und dritten Klasse fragt dein Kind: Habe ich das Zeug dazu?
In der vierten und fünften Klasse fragt dein Kind: Habe ich Freunde?
Diese Spannungen der Grundschulphase löst du, indem du ihre Interessen ansprichst. Wenn du deinem Kindergartenkind die ganze Zeit in die Augen schaust, ihm nach dem ersten Fußballspiel ein High-Five gibst oder eine Verabredung zum Spielen für deine/n Fünftklässler/in vereinbarst, tankst du sein/ihr Selbstvertrauen auf.
In der sechsten Klasse fragt sich dein/e Mittelschüler/in: Wen mag ich?
In der siebten und achten Klasse fragt sich dein Teenager: Wer bin ich?
In der Mittelstufe löst du die Spannungen auf, indem du ihre persönliche Reise bestätigst. Wenn du deiner Schülerin oder deinem Schüler erlaubst, zum sechsten Mal in einem Monat mit ihrer/seiner Frisur zu experimentieren, und sie/er dann wieder zu genau demselben Schnitt zurückkehrt, mit dem sie/er angefangen hat, stärkt das ihr/sein Selbstvertrauen (und belastet gleichzeitig dein Bankkonto).
In der neunten Klasse fragt sich dein/e Neuntklässler/in: Wo gehöre ich hin?
In der zehnten Klasse fragt sich deine Schülerin oder dein Schüler: Warum sollte ich glauben?
In der elften Klasse fragt sich dein/e Schüler/in: Wie kann ich wichtig sein?
In der zwölften Klasse fragt sich dein/e Schulabgänger/in: Was werde ich tun?
Du löst die Spannungen in dieser Phase, indem du ihr Potenzial mobilisierst. Wenn du deine Schülerin oder deinen Schüler ermutigst, ein neues Hobby auszuprobieren, ihr oder ihm erlaubst, ihre oder seine Meinung zu äußern. Helfe ihr oder ihm dabei, Schilder für ihr oder sein neuestes Anliegen zu basteln oder bringe einen Stapel College-Broschüren mit nach Hause, die ihr euch gemeinsam anschaut. So erschaffst du einen selbstbewussten jungen Erwachsenen.
Vielleicht hört sich das für dich kompliziert an. Vielleicht tust du diese Dinge bei dir zu Hause bereits. Die Wahrheit ist, dass wir unseren Kindern am meisten dabei helfen können, in jeder Phase echtes Selbstvertrauen zu gewinnen, indem wir sie immer wieder daran erinnern, wie wertvoll und einzigartig sie sind.
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