Oxytocin wird oft als „Hormon der Beziehungen“ bezeichnet, weil es Menschen dabei hilft, sich mit anderen Mitgliedern der eigenen Bezugsgruppe zu verbinden.

Ein Oxytocin-Schub lässt uns unserem Gegenüber vertrauensvoller und großzügiger erscheinen. Es ermutigt uns, Freundschaften zu schließen und zu pflegen. Es hilft uns, uns in der Gegenwart des anderen zu entspannen. Oxytocin steuert den Effekten von Stress entgegen und senkt Blutdruck, Angst und Furcht.

Wenn du schon einmal ein Kind geboren oder gestillt hast, dann ist Oxytocin sicher kein Fremdwort für dich. Das Hormon ist für die Geburt notwendig und hilft dabei, die Stillzeit zu steuern. Oxytocin steht aber auch auf andere Weise mit der Erziehung in Verbindung.

In Experimenten mit Tieren motiviert Oxytocin Mütter dazu, sich ihren Jungen zu nähern und für sie zu sorgen. Gilt das auch für Menschen?

Bislang gibt es keine experimentellen Beweise für einen ähnlichen Effekt bei Müttern: Doch Mütter, die einen hohen Oxytocinspiegel aufweisen, behandeln ihre Babys mit höherer Sensibilität und Aufmerksamkeit.

Es gibt zudem experimentelle Belege für einen faszinierenden Effekt bei Männern. Eine kürzlich durchgeführte Studie ergab, dass die Verabreichung von zusätzlichem Oxytocin bei Vätern dazu führte, dass sie sich durch den guten Kontakt mit ihren Kindern stärker belohnt fühlten. Außerdem schien der Oxytocinschub Gehirnregionen zu aktivieren, die mit Empathie in Verbindung stehen. Möglicherweise sorgt Oxytocin also dafür, dass sich Väter ihren Kindern gegenüber einfühlsamer verhalten.

Natürliche Ausschüttung von Oxytocin

Mütter erleben einen Anstieg, wenn sie stillen und wenn sie ihre Babys oft liebkosen.

Väter erleben einen erhöhten Oxytocinspiegel nach einem anregenden, heiteren Spielen mit ihren Babys.

Und eins muss klar sein. Man braucht keine Babys, damit Oxytocin ausgeschüttet wird.

Es ist erwiesen, dass Erwachsene auf verschiedenste Arten von angenehmen sozialen Interaktionen positiv reagieren, auch auf solche, die mit anderen Erwachsenen stattfinden.

Untersuchungen zeigen, dass wir durch zärtliches Berühren und freundliche Gespräche Spitzenwerte von Oxytocin auslösen können. In einigen Experimenten konnten Wissenschaftler/innen den Oxytocinspiegel von Menschen erhöhen, indem sie sie aufforderten, an ihre Liebsten zu denken.


Doch was ist mit unseren Kindern? Können wir etwas tun, um den Oxytocinspiegel von Babys und Kindern zu steigern?

Babys können schon vor ihrer Geburt Oxytocin produzieren, und es scheint, dass sie darauf ganz ähnlich wie Erwachsene reagieren. So scheint der Hautkontakt den Oxytocin-Spiegel sowohl bei Eltern als auch bei Babys zu erhöhen.

Ein Experiment mit Kindern im Schulalter bestätigt, dass auch ältere Kinder einen Oxytocin-Schub erhalten, wenn ihre Eltern ihnen emotionale Unterstützung anbieten. Zärtlicher Körperkontakt wirkt dabei. Das gilt ebenso für liebevolle Gespräche.

Wir haben also guten Grund zu der Annahme, dass eine einfühlsame, aufmerksame Erziehung bei Babys und Kindern einen sofortigen Anstieg des Oxytocinspiegels auslösen kann.

Doch das ist noch nicht alles. Neue Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass Eltern die Ausprägung des Systems zur Produktion von Oxytocin bei Babys beeinflussen können.

Indem man Babys viel einfühlsame, aufmerksame Zuwendung bietet, kann man dazu beitragen, dass wichtige Gene – die Oxytocin-Rezeptorgene – aktiv bleiben. Das trägt wiederum dazu bei, dass unsere Kinder auch im Alter die Wirkung von Oxytocin genießen können.

Die Beweise hierfür stammen aus zwei Untersuchungen – einem Experiment an Tieren (Präriewühlmäusen) und einer Studie zur Epigenetik, die die Entwicklung von menschlichen Babys verfolgt.

Die Details sind recht fachlich, aber die Grundgedanken sind leicht nachvollziehbar.

Studien zu Oxytocin

Beide Studien konzentrieren sich auf ein Phänomen namens Methylierung, ein Prozess, der die Funktion von Teilen unserer DNA blockiert.

In diesem Fall ist das Gen, um das es geht, ein Gen für die Herstellung von Oxytocin-Rezeptoren – kleine Proteine, die es unserem Gehirn und Körper ermöglichen, Oxytocin zu nutzen.

Einige Zellen im Gehirn sind kleine Fabriken zur Herstellung von Oxytocin-Rezeptoren. Doch wenn die DNA in einer Zelle methyliert wird – wenn der genetische Code für die Herstellung der Oxytocin-Rezeptoren blockiert wird -, kommt die Produktionskette ins Stocken. Die Zelle hört auf, Oxytocin-Rezeptoren zu produzieren.

Das kann durchaus in einigen Zellen passieren, ohne dass dies spürbare Auswirkungen auf die Nutzung von Oxytocin im Gehirn auslöst. Wenn die Methylierung sich aber weit verbreitet, werden in der Regel Auswirkungen spürbar. Die Wahrscheinlichkeit, dass du den Effekt von Oxytocin, nämlich „sich zu umarmen und sich anzufreunden“, erlebst, wird geringer. Und du wirst ein Mittel weniger haben, um Stress abzubauen.

Das ist die Theorie, und es gibt Hinweise darauf, dass die Methylierung des Oxytocin-Rezeptorgens tatsächlich unser Verhalten beeinflusst. Menschen, die einen höheren Grad an Methylierung aufweisen, haben eher Probleme mit sozialen, kognitiven und emotionalen Fähigkeiten.

Warum findet die Methylierung statt? Jahrzehntelange Forschung deutet darauf hin, dass Methylierung – und Umkehrungen der Methylierung – durch Umweltfaktoren ausgelöst wird. Und rate mal?

Im Fall des Oxytocin-Rezeptorgens scheint die Erziehung ein wichtiger Faktor zu sein.

Ein Beispiel ist die Studie über Wühlmäuse – niedliche, hamsterartige Nagetiere, die für ihre intensiven sozialen Bindungen bekannt sind.

In Experimenten variierten die Forscher/innen das Ausmaß der elterlichen Fürsorge, die die Jungtiere von ihren Eltern erhielten. Dann beobachteten sie langfristige Tendenzen in der Methylierung der Oxytocin-Rezeptorgene. Wie haben sich die Jungtiere entwickelt?

Wenn Jungtiere wenig Zuwendung von ihren Müttern erhielten – also relativ wenig Kuscheln, Pflegen und Ablecken – kam es zu einer stärkeren Methylierung.

Wenn sie jedoch viel Zuwendung bekamen, war die Methylierung bei den Jungtieren geringer. Das ist eine gute Nachricht für die Entwicklung eines aktiven, bedarfsgerechten Systems der Produktion von Oxytocin.

Wie sieht es beim Menschen aus?

Aus ethischen Gründen wird niemand Babys nach dem Zufallsprinzip unterschiedliche Niveaus elterlicher Fürsorge zuweisen. Daher gibt es keine Experimente. Forscher/innen haben allerdings einen anderen Ansatz versucht:

  1. Sie haben Mütter und kleine Babys bei der Interaktion beobachtet.
  2. die individuellen Unterschiede im Verhalten der Mütter gegenüber ihren Babys notiert.
  3. Dann wird überprüft, ob sich diese Unterschiede in der Methylierung der Babys widerspiegeln, die sich mit der Zeit entwickelt.

Kathleen Krol und ihre Kolleg/innen haben diese Art von Studie an 101 Mutter-Kind-Paaren durchgeführt.

Als die Babys 5 Monate alt waren, beobachteten die Forscher/innen Mütter und Babys mehrere Minuten lang beim gemeinsamen Spiel. Die Forscher/innen notierten, wie gesprächig und engagiert die Mütter waren, während sie miteinander spielten.

Die Forscher/innen maßen auch die Methylierung des Oxytocin-Rezeptorgens sowohl bei den Müttern als auch bei den Babys. Ein Jahr später maßen die Forscher/innen die Methylierung erneut. Gab es irgendwelche Veränderungen?

Bei den Müttern gab es keine großen Veränderungen. Ihre Methylierungswerte waren während der gesamten Studie ziemlich konstant.

Bei den Babys sah das jedoch anders aus. Es war bei ihnen viel wahrscheinlicher als bei ihren Müttern, dass sich die Methylierung veränderte.

Bei einigen Babys stieg die Methylierung im Laufe der Zeit an. Bei anderen Babys nahm sie ab.

Als die Forscherinnen und Forscher die Daten der Eltern auswerteten, stellten sie fest, dass diese 5 Monate alten Spielsitzungen aussagekräftig waren. Wenn sich die Mutter während des Spiels sehr engagiert hatte, war die Methylierung bei ihrem Baby ein Jahr später tendenziell geringer.

Interessanterweise fanden die Forscher/innen auch einen Zusammenhang zwischen der Methylierung und dem Temperament des Babys im Alter von 18 Monaten. Babys mit einer höheren Methylierung der Oxtytocin-Rezeptoren zeigten eine größere Reizbarkeit als Reaktion auf sensorische Reize. Sie reagierten eher negativ auf helles Licht, knirschende Geräusche, kratzende Stoffe und andere ausgeprägte sensorische Reize.

Kann man sicher sein, dass es Unterschiede im Verhalten der Mütter waren, die bei einigen Babys zu einer verminderten Methylierung führten? Nein. Das kann man im Rahmen einer Studie wie dieser nicht direkt nachweisen. Es handelte sich nicht um ein randomisiertes, kontrolliertes Experiment.

Doch Krols Team hat zumindest nach einer alternativen Erklärung gesucht.

Vielleicht hat das Verhalten der Babys selbst zu einer erhöhten Methylierung geführt. Gereizte Babys erleben möglicherweise mehr Stress und auch Stress kann die Methylierung beeinflussen. Es könnte also sein, dass ein sehr reizbares 5 Monate altes Baby im Laufe der Zeit eher eine Methylierung erfährt, unabhängig davon, wie sich seine Mutter verhält.

Doch das ist nicht der Fall. Die Forscher/innen fanden heraus, dass das Verhalten des Babys im Alter von 5 Monaten keinen wesentlichen Einfluss auf die Methylierungswerte ein Jahr später hatte.

Was ist also die Schlussfolgerung?

Angesichts der Ergebnisse dieser Studie – und der experimentellen Arbeit an Wühlmäusen – haben wir guten Grund zu der Annahme, dass Eltern die Entwicklung des Oxytocin-Systems eines Babys beeinflussen können.

Es gibt auch stichhaltige Beweise dafür, dass wir bei unseren Kindern sofortige, kurzfristige Oxytocin-Schübe auslösen können.

Das ist ein weiterer Hinweis darauf, dass eine einfühlsame, aufmerksame Erziehung einen tiefgreifenden Einfluss auf unsere Kinder haben kann – auf ihr emotionales, kognitives und körperliches Wohlbefinden. Also kuschle dich mit deinem Kleinen ein und kümmere dich um dein eigenes psychisches Wohlbefinden. Elternschaft kann stressig sein, und wenn du gestresst bist, ist es schwieriger, die Vorteile von Oxytocin zu erleben – und weiterzuleiten.

Bildquelle: https://www.freepik.com/free-photo/happy-parents-enjoying-with-their-small-daughters-who-are-coloring-paper-home_28998788.htm

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