Wie bringst du Kindern bei, hilfsbereit zu sein? Großzügig und freundlich? Studien zufolge sollten wir auf strenge Taktiken und Schmiergelder verzichten. Stattdessen müssen wir die natürliche Neigung unserer Kinder zu prosozialen Verhalten respektieren und fördern.

Hilfsbereit? Großzügig? Fürsorglich? Psychologen und Psychologinnen nennen diese Verhaltensweisen „prosozial“, und man schätzt es weltweit sehr. Prosoziales Verhalten ist der Grundstein der Moral. Es ist das Material, das die Gesellschaft stärkt.

Außerdem ist prosoziales Verhalten entscheidend für den Erfolg des Einzelnen. Freundschaften schließen, gemeinsame Projekte angehen, Vertrauen und Wohlwollen aufzubauen … all dies hängt von unserer Fähigkeit ab, etwas beizusteuern, zu helfen und zu teilen.

Es ist also nicht überraschend, dass Gesellschaften auf der ganzen Welt danach streben, die Hilfsbereitschaft zu fördern und zu lehren. Doch welche Ansätze sind am wirksamsten?

Ich denke, es ist wichtig, zunächst die Grundlagen des prosozialen Verhaltens zu verstehen.

Kinder – selbst Babys – neigen von Natur aus zu prosozialem Verhalten. Sie sind spontan freundlich und hilfsbereit. Sie fühlen sich von Mitgefühl und den positiven Gefühlen angespornt, die sich aus prosozialen Handlungen ergeben.

Wir können diese natürlichen Neigungen fördern, doch Vorsicht. Kinder unter Druck zu setzen, kann nach hinten losgehen.

Betrachten wir also zunächst diese grundsätzlichen Erkenntnisse und werfen dann einen Blick auf gute Schritte, die wir ergreifen können, um die Hilfsbereitschaft von Kindern zu fördern.

Experimentelle Beweise für die natürliche Hilfsbereitschaft von Babys

Kinder – selbst Babys – sind aus freien Stücken freundlich und hilfsbereit.

Manche Menschen denken, dass Babys keine Empathie empfinden, doch das ist falsch. Wie ich an anderer Stelle erkläre, antworten Babys auf unseren emotionalen Zustand.

Sind wir gestresst, überträgt sich der Stress auf sie. Sehen sie, dass wir traurig oder niedergeschlagen sind, zeigt ihr Gesicht Mitgefühl und Sorge um uns.

Wenn sie Zeugen von Mobbing werden, zeigen sie eine Bevorzugung der Opfer – und auch von Personen, die Opfern zu Hilfe kommen.

Ja, Babys entwickeln Einfühlungsvermögen – noch bevor sie laufen oder sprechen können.

Sobald Babys laufen, können sie ihre motorischen Fähigkeiten nutzen, um zu helfen. In der Tat erkennen Babys die Frustration anderer und reagieren darauf mit Hilfsbereitschaft.

Woran können wir das erkennen?

Am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie testeten Felix Warneken und Michael Tomasello 14 Monate alte Babys, indem sie ihnen einen Fremden vorstellten, der Hilfe benötigte.

Der Mann versuchte, einen Gegenstand aufzuheben, obwohl er ihn nicht erreichen konnte. Die Babys halfen ihm ungefragt, den Gegenstand aufzuheben und die Kinder waren sehr schnell darin:

In den meisten Fällen reagierten die Babys innerhalb von 7 Sekunden – noch bevor der Mann Blickkontakt mit ihnen aufnahm oder den gesuchten Gegenstand nannte.

Experimente mit 18 Monate alten Babys führten zu ähnlichen Ergebnissen. Die Babys halfen einer Frau, einen unzugänglichen Gegenstand (einen Filzstift) zu finden, auch wenn sie dafür erst mehrere Hindernisse überwinden mussten.

Bereits im Kindergartenalter sind Kinder zu noch komplexeren Hilfeleistungen fähig, wie z. B. einem Fremden zu helfen, die Aufmerksamkeit einer anderen Person zu gewinnen oder Menschen das zu geben, was sie wirklich brauchen, anstatt das, worum sie bitten.

Experimentelle Beweise: Kinder sind von Natur aus hilfsbereit

Es ist wichtig, dies zu verstehen. Menschen sind gerne hilfsbereit. Und kleine Kinder auch.

Studien zeigen, dass sich 22 Monate alte Babys freuen, wenn sie anderen etwas geben.

Stellt man Kindergartenkinder vor die Wahl zwischen Teilen und Sammeln, zeigen sie mehr Freude, wenn sie teilen.

Und im Alter von 3 bis 6 Jahren wissen Kinder, dass Teilen ihnen ein Glücksgefühl gibt. Sie rechnen damit, dass sie sich gut fühlen, und das veranlasst sie dazu, großzügig zu sein.

Druck schränkt prosoziales Verhalten ein

Die Bereitschaft von Kindern zu teilen ist geringer, wenn sie ein Erwachsener unter Druck setzte.

Vor einigen Jahren fragten sich Nadia Chernyak und Tamar Kushnir, was geschehen würde, wenn Kinder dazu gezwungen wurden, etwas zu verschenken. Würde diese Erfahrung ihre Großzügigkeit fördern oder sie hemmen?

In Experimenten mit 72 kleinen Kindern im Alter von 3 bis 5 Jahren gaben die Forscher/innen jedem Kind einen Sticker und stellten dann einen traurigen Charakter (eine Puppe) vor, die sie aufheitern sollten. Einige Kinder forderte man auf, der Figur ihren Sticker zu geben. Anderen wurde freie Wahl gelassen.

Später bekamen die Kinder drei Sticker und konnten einer weiteren traurigen Figur helfen.

Die Kinder in beiden Gruppen verschenkten mindestens einen Sticker. Einige verschenkten jedoch zwei oder drei, und das waren hauptsächlich die Kinder, denen eine freie Wahl gelassen wurde.

Diejenigen Kinder, die man zuvor zum Geben zwang, verschenkten nur halb so viele Sticker.

Wieso führt das erzwungene Verschenken dazu, dass Kinder seltener eigenständig teilen? Eine plausible Erklärung ist, dass es den Lernprozess unterbricht.

Als Forscher/innen das freiwillige Teilen mit dem erzwungenen Teilen verglichen, stellten sie etwas fest. Kinder erleben nicht das gleiche, natürliche Hochgefühl, wenn man sie zum Teilen nötigte.

Erzwungenes Teilen kann also dazu führen, dass Kinder nicht lernen, dass Teilen mit guten Gefühlen verbunden ist.

Belohnungen können prosoziales Verhalten einschränken

Es ist keine gute Idee, Kindern Belohnungen und Geschenke zu geben, wenn sie helfen.

In kontrollierten Studien testete man diese Annahme. Betrachte zum Beispiel die Forschung mit Kleinkindern.

Felix Warneken und Michael Tomasello teilten 20 Monate alte Kleinkinder in eine von drei Gruppen ein.

  • Eine Gruppe wurde durch eine materielle Belohnung für das Helfen belohnt.
  • Einer anderen Gruppe wurde beigebracht, dass sie ein verbales Lob erwartet.
  • Die dritte Gruppe erhielt überhaupt keine Belohnung.

Dann bekamen die Kleinkinder die Möglichkeit, einem Fremden zu helfen. Das Ergebnis?

Im Vergleich zu den Kindern in der Gruppe des “ verbalen Lobes“ und der Gruppe, die keine Belohnung erhielt, halfen die Kinder, die eine greifbare Belohnung erhielten, seltener.

Ein zweites Experiment mit älteren Kindern – 3-Jährigen – lieferte ähnliche Ergebnisse. Kleine Kinder teilen seltener, wenn sie zuvor bestochen wurden.

Und auch in Bezug auf Kinder im Schulalter gibt es Anhaltspunkte.

In einem von Richard Fabes und Kollegen durchgeführten Experiment wurde Grundschulkindern (2. bis 5. Klasse) angeboten, farbige Papierstapel zu sortieren.

Allen Kindern wurde gesagt, dass diese Aufgabe Kindern im Krankenhaus zugute kommen würde.

Einigen Kindern wurde zusätzlich gesagt, dass sie ein kleines Spielzeug für ihre Hilfe bekommen würden.

Nach der ersten Gelegenheit zu helfen, bekamen die Kinder eine zweite Chance, dieselbe Aufgabe fortzusetzen. Diesmal war weder von den Kindern im Krankenhaus noch von der materiellen Belohnung die Rede. Den Kindern wurde einfach die Möglichkeit gegeben, ihre „freiwillige Arbeit“ eigenständig fortzusetzen.

Was geschah?

Die Kinder, die Spielzeug für ihre Hilfe bekamen, waren bei der nächsten Gelegenheit weniger hilfreich. Sie verbrachten weniger Zeit mit dem Sortieren von Papier und erledigten weniger Aufgaben.

Zudem hingen die Auswirkungen auch mit der Erziehung zusammen. Die Motivation war bei den Kindern am geringsten, deren Eltern zu Hause routinemäßig materielle Belohnungen einsetzten.

Experimentelle Beweise: Geld – und Gespräche darüber – unterdrücken den hilfsbereiten, selbstlosen Impuls.

Wie ein Team aus polnischen und amerikanischen Forscher/innen erklärt, gibt es verschiedene Möglichkeiten, unsere Wünsche zu verwirklichen.

Eine davon ist der Umgang mit Menschen im Handel. Wir kaufen und verkaufen unsere Dienstleistungen.

Eine weitere besteht darin, dass wir aus einem Gefühl der Verbundenheit, Freundschaft oder Zuneigung heraus miteinander in Kontakt treten. Wir helfen nicht, weil wir eine Gegenleistung erwarten. Wir helfen, weil wir Wert darauf legen.

Was passiert, wenn wir unsere Aufmerksamkeit auf den kommerziellen Wettbewerb lenken? Die Folgen sind nicht gut für die Gemeinnützigkeit. Als Forscher/innen kleine Kinder dazu brachten, über Geld nachzudenken (indem sie ihnen Münzen zum Spielen gaben), zeigten die Kinder direkt danach weniger Hilfsbereitschaft und Großzügigkeit.

Wie können wir die Hilfsbereitschaft unserer Kinder fördern?

Folgendes schlägt die Forschung vor.

1. Empathie und „emotionale Intelligenz“ fördern

Hilfsbereitschaft bei Kindern wird mit vielen derselben Faktoren in Verbindung gebracht, die auch Einfühlungsvermögen und Mitgefühl vorhersagen, und das ist auch logisch: Empathie erleichtert es uns, zu helfen. Sie gibt uns Einblicke in die Bedürfnisse anderer Menschen.

2. Lobe eigenständige Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit, doch beachte die Richtlinien für effektives Lob.

Lob kann motivierend sein, besonders für kleine Kinder.

In den oben erwähnten Experimenten wirkte sich Lob nicht nachteilig auf die natürliche, zwanglose Neigung der Kinder zu teilen aus.

Und in Beobachtungsstudien haben Forscher/innen einen Zusammenhang zwischen dem Lob der Eltern und prosozialem Verhalten bei kleinen Kindern festgestellt.

Mütter, die die Wohltaten ihrer Kindergartenkinder lobten, hatten mit größerer Wahrscheinlichkeit großzügige, hilfsbereite Kinder.

Auch für ältere Kinder kann Lob motivierend sein. Doch Vorsicht: Ältere Kinder sind sozial intelligenter und in der Lage, unsere Motive zu analysieren. Sie könnten das Gefühl bekommen, dass wir versuchen, sie zu manipulieren, und das geht womöglich nach hinten los.

3. Gib Kindern ein Gefühl von Sicherheit – im Alltag und in ihren Bindungsbeziehungen.

Studien bestätigen das: Kinder sind weniger hilfsbereit und teilen seltener, wenn sie sich bedroht fühlen.

Eine Studie mit Vorschulkindern hat zum Beispiel ergeben, dass Kinder, die eine unsichere Bindungsbeziehung zu ihren Eltern haben, seltener bereit sind, einen Gewinn zu teilen.

Eine andere Studie ergab, dass Kinder mit einer sicheren Bindungsbeziehung häufiger helfen, teilen und andere trösten.

Und als Forscher/innen die Reaktionen von Kindern nach einer Naturkatastrophe (einem zerstörerischen Erdbeben) untersuchten, stellten sie fest, dass die jüngsten Kinder dazu neigten, weniger großzügig zu sein.

Vor allem Kinder jünger als 6 Jahre schienen sich mehr auf den Selbstschutz zu konzentrieren. In Experimenten waren die Kinder weniger bereit, Preise mit Fremden zu teilen. Die Auswirkungen hielten bis zu einem Jahr nach der Katastrophe an.

Kinder verhalten sich also eher sozial, wenn sie ein Gefühl der Sicherheit haben. Hilf deinen Kindern, dieses Gefühl zu entwickeln, indem du sie einfühlsam erziehst und ihnen hilfst, mit schwierigen Gefühlen umzugehen.

4. Hilf deinen Kindern, prosoziales Verhalten durch Aktivitäten zu üben.

Studien zeigen, dass kooperative Spiele und Aktivitäten Kindern dabei helfen, ihre Kommunikationsfähigkeiten zu verbessern, die für eine effektive Hilfe entscheidend sind.

Bildquelle: https://www.pexels.com/de-de/foto/lebensmittel-teller-loffel-madchen-6957990/

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