Wahrscheinlich hast du schon einmal Schlafmangel erlebt. Du weißt, wie es ist, morgens benommen aufzuwachen und dich dann durch den Tag zu schleppen. Wahrscheinlich kennst du auch den “ Sekundenschlaf“, diese kurzen Momente, in denen dein Körper in den Schlaf abgleitet. Du weißt, wie schwer es ist, in diesem Zustand wach zu bleiben und aufmerksam zu sein. Du erinnerst dich an das Gefühl der Müdigkeit und Krankheit. Und du weißt sicher auch, wie Schlaflosigkeit dein Wohlbefinden beeinträchtigt.

Doch was ist mit Kindern? Was sind die Anzeichen und die Auswirkungen von Schlafmangel bei Kindern und Jugendlichen? Wenn Jugendliche nicht genug Schlaf bekommen, zeigen sie oft die gleichen Symptome wie Erwachsene:

  • Es ist schwer, sie morgens aufzuwecken.
  • Sie neigen dazu, tagsüber spontan einzuschlafen und ungeplante Nickerchen zu machen.
  • Sie sind schlecht gelaunt oder reizbar und haben größere Schwierigkeiten, ihre Impulse zu kontrollieren.
  • Es fällt ihnen schwerer, aufmerksam zu sein und sich zu konzentrieren. Ihre Reaktionszeit ist beeinträchtigt.
  • Sie zeigen ein geringeres Interesse oder weniger Elan beim Lernen
  • Ihre Gedankengänge wirken träge, abgelenkt oder verwirrt.
  • An Wochenenden oder in den Ferien „schlafen sie aus“ – der Versuch des Körpers, den Schlafmangel aufzuholen, der während der Schulwoche aufgebaut wurde.

Das sind zumindest einige der direkten Anzeichen – also die Symptome, die du kurzfristig beobachten kannst. Was passiert auf lange Sicht, wenn Kinder regelmäßig zu wenig Schlaf bekommen?

Laut einer aktuellen landesweiten Umfrage in den Vereinigten Staaten schlafen 36 % der amerikanischen Kinder im Alter von 6 bis 12 Jahren nicht genug. Fast 32% der amerikanischen Teenager schlafen nicht ausreichend. Studien legen nahe, dass Kinder mit chronischem Schlafmangel ein höheres Risiko haben:

  • bei der Einschulung eine geringere Schulreife zu haben;
  • sich Verletzungen zuziehen, die medizinisch behandelt werden müssen;
  • mehr Schmerzen und Magen-Darm-Beschwerden zu erleiden;
  • ihre Hausaufgaben seltener zu erledigen;
  • sie nehmen in der Kindheit übermäßig an Gewicht zu; und
  • psychische Probleme wie Angstzustände, Depressionen, Aggressionen oder eine Tendenz zur Missachtung von Regeln zu entwickeln

Wenn ein Kind also regelmäßig zu wenig schläft, steht viel mehr auf dem Spiel, als dass es sich mürrisch, schläfrig oder sonstwie schlecht fühlt. Im weiteren Verlauf dieses Beitrags gehen wir näher darauf ein, was aus Studien über die sozialen, emotionalen und kognitiven Folgen von Schlafmangel abgeleitet werden kann.

Die sozio-emotionalen Folgen von Schlafmangel

In zahlreichen Studien bestätigen Forscher, was wir aus unserer täglichen Erfahrung wissen. Menschen, die unter Schlafmangel leiden, neigen dazu, schlechte Laune zu haben.

Dieser Zusammenhang lässt sich bereits im Säuglingsalter erkennen. Bei Babys, die über einen Zeitraum von 24 Stunden zu wenig schlafen, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass sie als Kleinkinder Symptome von Angst und Depression entwickeln.

Es ist auch eindeutig, dass bei älteren Kindern und Jugendlichen ein Zusammenhang zwischen Schlaf und Emotionalität besteht.

Natürlich lässt sich aus diesem Zusammenhang noch kein Beweis dafür ableiten, was Ursache und was Folge ist. Wenn ein Kind emotionale Probleme hat, können wir nicht davon ausgehen, dass Schlaf daran schuld ist. Es könnte genauso gut auch andersherum sein: Emotionale Probleme erschweren es einem Kind, einzuschlafen oder durchzuschlafen.

Zudem deuten Studien darauf hin, dass sich bestimmte Gene überschneiden und Kinder gleichzeitig einem höheren Risiko für Schlafprobleme und emotionalen Problemen ausgesetzt sind. Die Sache ist also kompliziert.

Es gibt jedoch einige gute Anhaltspunkte für die Annahme, dass zu wenig Schlaf schädliche Auswirkungen auf die sozio-emotionalen Fähigkeiten hat.

Junge Freiwillige haben an Experimenten teilgenommen, bei denen Forscher Kindern unterschiedliche Schlafdauern auferlegten und dann die Effekte auf ihr Verhalten untersuchten. Die Ergebnisse deuteten stark darauf hin, dass Schlafmangel die Emotionsregulierung beeinträchtigt.

In einer Studie mit 50 Teenagern (im Alter von 14 bis 17 Jahren) haben Forscher die Jugendlichen zum Beispiel dazu gebracht, jede Nacht etwa 2,5 Stunden weniger zu schlafen. Die Veränderung führte zu erhöhter Reizbarkeit und Anspannung. Die Jugendlichen berichteten von mehr Wut, Verbitterung und Trotz. Zudem hatten sie Schwierigkeiten, sich selbst zu zügeln, was zu Gefühlsausbrüchen und übertriebenen Reaktionen auf kleine Anreize führte“.

In einem anderen Experiment durften Jugendliche im Durchschnitt nur 4 Stunden pro Nacht schlafen und es wurde festgestellt, dass sie anschließend in einem Gespräch mehr negative Gefühle ihren Freunden gegenüber äußerten. In einer dritten Studie zeigten Jugendliche, die nur 4 Stunden Schlaf bekamen, einen starken Rückgang positiver Gefühle und einen deutlichen Anstieg von Ängsten.

Wie sehen die Auswirkungen bei jüngeren Kindern aus?

Selbst ein geringfügiger Schlafverlust kann bei Kindern im Grundschulalter emotionale Probleme auslösen.

In einer Studie veränderten Forscher das Schlafverhalten von 32 Grundschülern im Alter von 8-12 Jahren. Jedes Kind durchlief zwei verschiedene Abläufe:

  • Während einer Woche erlebten die Kinder 4 aufeinanderfolgende Tage mit einer eingeschränkten Schlafdauer, wobei sie etwa 45 Minuten weniger schliefen als sonst.
  • In der anderen Woche verbrachten die Kinder die gleiche Anzahl von Tagen mit einer erhöhten Schlafdauer – sie schliefen fast 30 Minuten länger als gewöhnlich.

So konnten die Forscher den Unterschied zwischen eingeschränktem und erhöhtem Schlaf bei jedem Teilnehmer direkt vergleichen. Die Ergebnisse waren eindeutig: Bei zu wenig Schlaf hatten die Kinder mehr Mühe, ihre negativen Gefühle zu kontrollieren. Außerdem hatten sie weniger Freude und zeigten weniger Interesse an Dingen.

Das ist ein ziemlich beunruhigendes Ergebnis, vor allem wenn man bedenkt, dass etwa ein Drittel der Schulkinder in den USA nicht genug Schlaf bekommt. Ein kürzlich durchgeführtes Experiment von Fiona Davidson und ihren Kollegen sind sogar noch aufschlussreicher.

Die Forscher untersuchten die Reaktionen von 6- bis 11-Jährigen auf eine sehr geringe Verkürzung der Schlafdauer – nur 20 Minuten pro Nacht. Wie sich herausstellte, reichte bereits diese Verkürzung aus, um eine erkennbare Auswirkung auf das emotionale Wohlergehen der Kinder zu haben. Nach nur 6 Tagen mit dieser reduzierten Schlafdauer erlebten die Kinder mehr Stimmungsschwankungen.

Gibt es Kinder, die stärker von den emotionalen Auswirkungen des Schlafmangels betroffen sind?

Ja. Experimente deuten darauf hin, dass Schlafmangel die Emotionen von Kindern mit ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung) besonders stark beeinflusst. Es scheint auch so, dass die emotionalen Auswirkungen von Schlafmangel bei Kindern mit bereits bestehenden Angstproblemen stärker sind.

Was ist mit Stress? Reagieren Kinder mit Schlafentzug anders auf Stresssituationen mit anderen Menschen?

Ja, das kann man mit Sicherheit sagen. Wie wir bereits gesehen haben, ergab eine Studie, dass Jugendliche mit Schlafmangel negativer auf eine Auseinandersetzung mit Gleichaltrigen reagierten. Experimente deuten darauf hin, dass Schlafentzug die Hirnaktivität bei Erwachsenen und Kindern gleichermaßen verändert – so dass die Gehirnregionen, die Emotionen verarbeiten, stärker auf mögliche bedrohliche soziale Eindrücke reagieren.

Die kognitiven Auswirkungen von Schlafmangel

Auf einem Bildschirm blitzt kurz etwas auf. Hast du es bemerkt? Wie schnell reagierst du? Das ist die Grundlage für die psychomotorische Wachheitsaufgabe, ein Test, mit dem Psychologen Wachheit und Reaktionszeit messen. Es überrascht nicht, dass Menschen mit Schlafmangel bei diesem Test schlechter abschneiden: Verschlechterte Reaktionszeiten sind ein bekanntes Anzeichen für Schlafmangel.

Das führt zu einer Menge Schwierigkeiten und kann sogar beim Autofahren gefährlich werden. Deshalb werden wir oft davor gewarnt. Doch das ist nicht das einzige kognitive Symptom, das Schlafmangel auslöst. Es ist nicht einmal das einzige Anzeichen, das unsere Fähigkeit, aufmerksam zu sein, beeinträchtigt.

Nehmen wir zum Beispiel den Fall des Abschweifens von Gedanken. Wir alle haben das schon einmal erlebt – die Gedanken driften von der eigentlichen Aufgabe ab. Doch manche Kinder schweifen mit ihren Gedanken oft ab. Sie können scheinbar nichts dagegen tun.

Man könnte annehmen, dass es sich dabei um eine charakterliche Eigenart handelt. Doch das ist nicht der Fall, wie Forscher herausgefunden haben. In einer Studie mit mehr als 520 Kindern im Alter von 6 bis 18 Jahren untersuchten Karen Spruyt und ihre Kollegen, ob die Gedanken während einer computergesteuerten Aufmerksamkeitsaufgabe abschweifen. Sie fanden heraus, dass fast 50 % der Unterschiede zwischen den Teilnehmern auf die Schlafgewohnheiten zurückzuführen sind, z. B. wie lange ein Kind insgesamt im Bett liegt.

Dann gibt es noch die Kapazität des Arbeitsgedächtnisses. Das Arbeitsgedächtnis ist der mentale „Notizblock“, den wir nutzen, um bestimmte Informationen während des Denkens oder Lösens eines Problems bereitzuhalten. Die Kapazität des Arbeitsgedächtnisses ist bestenfalls begrenzt, doch Schlafmangel verschlimmert sie noch.

In einer kürzlich durchgeführten Studie wurden 36 gesunde Teenager einer Reihe unterschiedlicher Schlafzeiten zugewiesen, darunter eine Woche mit wenig Schlaf (6,5 Stunden pro Nacht) und eine Woche mit genügend Schlaf (9 Stunden pro Nacht). Der eingeschränkte Schlaf forderte eindeutig seinen Tribut: Die Jugendlichen zeigten Beeinträchtigungen des Arbeitsgedächtnisses bei den schwierigsten Aufgaben.

Und wie sieht es mit der allgemeinen Geschwindigkeit der Denkprozesse aus? Die Zeit, die der Verstand braucht, um eine Rechenaufgabe zu bearbeiten, ein Rätsel zu lösen oder die Antwort auf die Frage eines Lehrers zu finden? Wenn man die bisher genannten Symptome bedenkt – verlangsamte Reaktionszeit, Abschweifen der Gedanken und Probleme mit dem Arbeitsgedächtnis – kann man leicht nachvollziehen, wie Schlafmangel dein Gehirn quasi in Zeitlupe versetzen kann.

June Lo und ihre Kollegen machten sich darüber Gedanken, vor allem im Zusammenhang mit Jugendlichen, die nur wenig schlafen. Diese Jugendlichen schlafen während der Schulwoche weniger und schlafen an den Wochenenden länger, um den Rückstand aufzuholen. Wie wirkt sich dieser Lebensstil auf ihre kognitiven Fähigkeiten aus?

Um das herauszufinden, wiesen die Forscher gesunden Teenagern einem solchen Rhythmus aus Schlafeinschränkung und Erholung zu- fünf aufeinanderfolgende Nächte mit Schlafeinschränkung (nur 5 Stunden im Bett), gefolgt von zwei Nächten mit Erholung (9 Stunden im Bett).

Außerdem unterzogen sie die Kinder einer Reihe von Tests, in denen sie die Veränderungen der psychomotorischen Wachsamkeit, der Leistung des Arbeitsgedächtnisses und der Verarbeitungsgeschwindigkeit maßen. Wie waren die Ergebnisse?

Während des gesamten Zeitraums mit wenig Schlaf zeigten die Kinder schlechtere Leistungen bei allen kognitiven Aufgaben. Welche Auswirkungen hatte der“ Erholungsschlaf“ am Wochenende? Er half. Doch selbst nach zwei erholsamen Nächten waren die Leistungen immer noch schlechter als vor Beginn der Schlafeinschränkung.

Noch bedenklicher war, was danach passierte, denn das Experiment war noch nicht an seinem Ende. Unmittelbar nach den beiden erholsamen Nächten setzten die Kinder den schlafreduzierten Zeitplan drei weitere Tage fort. Es war eine Simulation des Alltags, bei der Kinder von Montag bis Freitag zu wenig schlafen, um dann am Wochenende den Rückstand aufzuholen und anschließend wieder zu ihrem eingeschränkten Schlafverhalten zurückzukehren.

Die Ergebnisse waren ziemlich ernüchternd. In der zweiten Woche der schlafarmen Nächte waren die kognitiven Defizite der Kinder noch höher als in der ersten Woche. Das wirft ein düsteres Bild auf die Situation von Kindern, die in der Wirklichkeit oft wochenlang zu wenig schlafen.

Bildquelle: https://www.freepik.com/free-photo/front-view-tired-boy-trying-eat-his-cereals_5430084.htm

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