Schlafmangel bei Babys: Woran du erkennst, dass dein Baby nicht genug schläft

Gibt es so etwas wie „Schlafmangel bei Babys“ ?

Es ist offensichtlich, dass Babys Schlafmangel bei anderen verursachen können. Aber ob Babys selbst an Schlaflosigkeit leiden, ist weniger klar. Bei meiner Suche nach veröffentlichten Studien über Babys mit Schlaflosigkeit habe ich fast nichts gefunden.

Forscherinnen und Forscher kennen alle möglichen Arten von Schlafproblemen bei Babys, wie z. B. Schwierigkeiten einzuschlafen, häufiges nächtliches Aufwachen, schlafbezogene Atmungsstörungen und Krankheiten, die den Schlaf beeinträchtigen können, wie Reflux.

Forscherinnen und Forscher kennen auch die so genannte „verhaltensbedingte Schlaflosigkeit“ bei Kleinkindern. Verhaltensbedingte Schlaflosigkeit bezieht sich auf Probleme, die dadurch verursacht werden, dass ein Kind sich weigert, ins Bett zu gehen, oder dass ein Kind auf eine langwierige oder aufwändige Betreuung angewiesen ist, um abends einschlafen zu können.

Aber bis jetzt habe ich noch keine wissenschaftlichen Berichte über chronischen Schlafmangel bei Babys gefunden.

Schlafmangel bei Babys ist sehr selten

Das ist vielleicht auch gut so, denn es beweist, dass Schlafmangel bei Babys sehr selten ist. Wenn du eine Perspektive der Evolution einnimmst – und bedenkst, wie viele Babys gelernt haben, in Tragetüchern zu schlafen, während ihre Eltern ihren täglichen Aufgaben nachgingen -, erscheint das ziemlich plausibel. Babys können ihr eigenes Schlafbedürfnis sehr gut regulieren, sogar inmitten von Hektik und Trubel.

Trotzdem hast du vielleicht Fragen. Wieviel Schlaf benötigt dein Baby? Woran erkennst du, dass dein Baby nicht genug Schlaf bekommt? Und hat ein chronischer Schlafmangel im Säuglingsalter langfristige Folgen?

Wie viel Schlaf braucht ein Baby?

Das Bedürfnis von Babys nach Schlaf ist sehr unterschiedlich, vor allem im ersten Lebensjahr.

Mehr als die Hälfte aller sechs Monate alten Babys schlafen zum Beispiel mindestens 12 Stunden pro Tag. Doch ein beträchtlicher Anteil der Babys, die ansonsten gesund zu sein scheinen, schläft deutlich weniger. Wenn dein Baby weniger als der Durchschnitt schläft, heißt das also nicht gleich, dass ein Problem vorliegt.

Doch auch wenn die Gesamtschlafdauer deines Babys innerhalb des Normbereichs liegt, ist es möglich, dass etwas schief läuft.

Es kann zum Beispiel sein, dass dein Baby sehr lange braucht, um einzuschlafen, oder dass es häufiger aufwacht als die meisten anderen Babys. Ist das ein Hinweis auf ein Problem? Ist es etwas, das du ändern kannst?

Wie ich an anderer Stelle erkläre, gibt es viele Faktoren aus der Umgebung, die zu Schlafstörungen und häufigem nächtlichen Aufwachen beitragen können.

Unabhängig davon, ob sich dein Baby gegen das Schlafengehen sträubt oder sehr häufig aufwacht, solltest du dir Gedanken über den Schlafbedarf deines Babys machen.

Manche Babys brauchen nur neun bis zehn Stunden Schlaf pro Tag und scheinen keinerlei gesundheitliche Probleme zu haben. Doch sollten wir davon ausgehen, dass alle Babys, die so wenig schlafen, den Schlaf bekommen welchen sie brauchen? Nein, das sollten wir nicht.

Woran erkennst du, dass dein Baby nicht genug Schlaf bekommt?

Kinderärzte und erfahrene Eltern haben diese Anzeichen von „Übermüdung“ bei sehr jungen Babys festgestellt:

  • Ein auffälliger Mangel an Interesse an anderen und an der Umgebung
  • Eine Tendenz, sich von aufregenden Dingen abzuwenden
  • Hand zu Kopf Gesten: Ziehen an den Ohren, Reiben der Augen
  • Flatternde Augenlider
  • Gähnen

Bei älteren Babys und Kleinkindern können die Anzeichen auch sein:

  • Sie werden ungeschickter und unfallanfälliger
  • Babys werden „anhänglicher“
  • Sie werden immer lebhafter, je später in der Nacht es ist.

In der wissenschaftlichen Literatur habe ich auch einige Anzeichen für Schlafmangel gefunden:

  • Schlechte Erholung nach negativen Gefühlen
  • Schwierigkeiten bei der Nahrungsaufnahme
  • Schwer aufzuwecken
  • Eine niedrigere Schmerztoleranz

Gehen wir im Detail auf diese Punkte ein.

Schlechte Erholung von negativen Gefühlen

Du hast es sicher schon selbst erlebt: Bei Schlafmangel fällt es uns schwerer, uns von schlechten Gefühlen zu erholen.

Wir werden launischer und impulsiver, wenn wir zu wenig Schlaf bekommen haben. Es fällt uns schwerer, die Gefühle anderer zu deuten, und wir empfinden harmlose Eindrücke schneller als bedrohlich.

Diese Schwierigkeiten wurden sowohl bei Kindern im Vorschulalter als auch bei Erwachsenen nachgewiesen. Aber was ist mit Babys? Auch sie scheinen betroffen zu sein.

In einer Studie haben Forscher den Schlaf von 14 Monate alten Babys während einer einzigen Labor-„Übernachtung“ absichtlich gestört. Am nächsten Tag zeigten diese Babys eine schlechtere „Regulierung von Gefühlen“, d.h. sie hatten Schwierigkeiten, sich von negativen Gefühlen zu erholen.

Schlafprobleme sind mit Problemen bei der Nahrungsaufnahme verbunden

Forscher/innen, die über 600 amerikanische Babys im Alter von 6 bis 36 Monaten untersuchten, fanden heraus, dass Babys mit Problemen bei der Nahrungsaufnahme (z. B. Nahrungsverweigerung) nachts später einschliefen und kürzere Schlafintervalle aufwiesen. Außerdem wurde bei ihnen häufiger eine „verhaltensbedingte Schlaflosigkeit“ diagnostiziert.

Verursacht Schlafmangel Probleme bei der Nahrungsaufnahme? Führen Probleme bei der Nahrungsaufnahme zu Schlafmangel? Oder gibt es einen anderen Grund, warum diese Probleme gemeinsam auftreten?

Diese Studie liefert uns keine Antwort. Sie berichtet nur über Zusammenhänge. In einer weiteren Studie fanden die Forscher jedoch heraus, dass beide Arten von Problemen dazu führen, dass sich die Eltern gestresster fühlen, und dass Stress bei den Eltern Schlafprobleme verstärken kann.

Übermüdete Babys haben Schwierigkeiten aufzuwachen

Studien legen nahe, dass Erwachsene mit Schlafmangel mehr Zeit im Tiefschlaf verbringen, einem Zustand, der durch weniger Erregungen und größere Schwierigkeiten beim Aufwachen gekennzeichnet ist. Auch Babys scheinen diesem Muster zu folgen.

In einem Experiment mit acht Wochen alten Babys setzten Forscher/innen die Babys kurzen Phasen des Schlafmangels aus und versuchten dann, sie mit weißem Rauschen zu wecken. Im Vergleich zu einer Kontrollgruppe (ohne Schlafentzug) benötigten die Babys einen höheren Geräuschpegel, um aufzuwachen.

Eine ältere Studie mit drei Monate alten Babys kam zu ähnlichen Ergebnissen.

Ist das ein Grund zur Besorgnis? Ich glaube ja.

In einem anderen Experiment wurde festgestellt, dass Babys, die kurzzeitig unter Schlafmangel litten, häufiger an schlafbezogenen Atmungsstörungen, einschließlich obstruktiver Schlafapnoe, litten.

Obstruktive Schlafapnoe wird mit einer Vielzahl von Gesundheitsproblemen und einem erhöhten Risiko für plötzlichen Kindstod in Verbindung gebracht.

Schlafmangel kann Babys schmerzempfindlicher machen

Kontrollierte Experimente bestätigen, dass chronischer Schlafmangel unsere Schmerzstoleranz senken kann.

So ergab ein Experiment mit jungen Erwachsenen, dass Menschen nach dreiwöchigem Schlafmangel empfindlicher auf schmerzhafte Reize reagierten. Die Probanden, die wochentags nur vier Stunden schlafen durften, berichteten außerdem von häufigeren, plötzlichen Schmerzen wie Kopfschmerzen, Rückenschmerzen und Muskelschmerzen.

Haben Babys mit Schlafentzug ähnliche Probleme? Ich denke nicht, dass dies jemals an menschlichen Babys getestet wurde (und vielleicht wird dies auch nie geschehen, da die ethischen Bedenken offensichtlich sind).

Ein kürzlich durchgeführtes Experiment an Baby-Mäusen ist jedoch besorgniserregend.

Als die Mäuse neugeboren waren, schränkten die Forscher ihren Gesamtschlaf auf zwei Stunden pro Tag ein. Die Prozedur dauerte zehn Tage, danach durften die Mäuse normal schlafen. Als die Mäuse heranwuchsen, testeten die Forscher ihre Reaktion auf Schmerz, indem sie sie auf eine heiße Platte legten.

Im Vergleich zu den Mäusen einer Kontrollgruppe zeigten die Mäuse, deren Schlaf im Babyalter eingeschränkt worden war, eine geringere Schmerztoleranz. Ihre Schwelle für Hitzeschmerz war fast 25 % niedriger.

Was bedeutet das? Mäuse sind keine Menschen, und es ist gut zu wissen, dass die erhöhte Schmerzempfindlichkeit nachlässt, wenn die Mäuse ausgewachsen sind. Aber in Zusammenhang mit den Forschungen an erwachsenen Menschen unterstreicht diese Studie die Vermutung, dass Schlafverlust im Babyalter die Entwicklung beeinflussen kann.

Gibt es langfristige Folgen von Schlafmangel im Säuglingsalter?

Es gibt einige Belege für diese Annahme. Wir haben bereits festgestellt, dass kurzfristiger Schlafmangel die emotionalen Reaktionen eines Babys beeinflusst. Und eine aktuelle Studie weist darauf hin, dass chronischer Schlafmangel ein Risikofaktor für die Entstehung von Problemen bei der Selbstregulierung sein könnte. Kinder, die im Alter von drei Monaten weniger schliefen als Gleichaltrige, wiesen im Alter von 24 Monaten mit größerer Wahrscheinlichkeit Defizite bei der Selbstkontrolle auf.

Wohin kann diese Entwicklung führen? Ein Kleinkind, das gereizt oder überaktiv ist, neigt dazu, bei anderen Menschen schlechte Reaktionen hervorzurufen. Und das könnte es dem Kind erschweren, gute Beziehungen zu entwickeln und soziale Kompetenzen zu erlernen.

Eine Studie mit Kindern im Vorschulalter ergab, dass Kinder, die weniger schliefen, seltener von Gleichaltrigen angenommen wurden. Sie neigten dazu, schlechtere soziale Kompetenzen und einen geringeren Wortschatz zu haben. Sie zeigten auch ein geringeres Bewusstsein für die Hintergründe von Gefühlen.

Es ist also nicht auszuschließen, dass chronischer Schlafmangel, beginnend im Säuglingsalter, zur Entwicklung von Verhaltensproblemen beiträgt.

Und die heutigen Forscherinnen und Forscher spekulieren, dass der frühe Schlafverlust das Wachstum von Myelin, der weißen Substanz im Gehirn, die unsere Neuronen isoliert, beeinträchtigen könnte.

Was ist die Schlussfolgerung?

Hast du den Verdacht, dass dein Baby regelmäßig übermüdet ist und ungewöhnlich schwer zu wecken ist, solltest du deine Bedenken mit deinem Arzt oder deiner Ärztin besprechen. Er oder sie wird dein Baby vielleicht auf Anzeichen von unregelmäßiger Atmung oder Schlafapnoe untersuchen wollen.

Wenn dein Kind außerdem Probleme beim Essen hat oder Schwierigkeiten hat, mit Enttäuschungen, Frustrationen und anderen negativen Gefühlen umzugehen, könnte es sein, dass du es mit einem Bündel von Problemen zu tun hast, die oft gemeinsam auftreten. Obwohl die Forscher die Ursache für diese zusammenhängenden Probleme noch nicht herausgefunden haben, ist es für besorgte Eltern sinnvoll, einige wichtige Schritte zu gehen:

  • Sprich mit deinem Arzt über die Beschwerden deines Babys. Besteht der Verdacht, dass eine Krankheit den Schlaf deines Kindes beeinträchtigt?
  • Informiere dich über die Möglichkeiten der Anpassung des Verhaltens, um die Entwicklung eines reiferen Schlafverhaltens zu fördern.
  • Sei einfühlsam gegenüber den Gefühlen und Unsicherheiten deines Babys zur Schlafenszeit. Eltern, die dies tun, berichten von weniger Schlafproblemen.
  • Achte auf deine eigenen negativen Gefühle. Sich um ein scheinbar schlafloses Baby zu kümmern, ist stressig. Doch wenn dein Baby deine Verzweiflung spürt, wirst du vielleicht noch unruhiger und es entsteht ein Teufelskreis.

Bildquelle: https://www.freepik.com/free-photo/baby-girl-crying-rubbing-her-eyes_18060497.htm


Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Seite verwendet Cookies, um die Nutzerfreundlichkeit zu verbessern. Mit der weiteren Verwendung stimmst du dem zu.

Datenschutzerklärung