Fünftklässler:innen sind seltsam. Okay, das ist vielleicht etwas übertrieben. Aber du musst zugeben, dass sie manchmal ein bisschen schwer zu verstehen sind.
In der einen Minute tun sie so, als würden sie dich lieben,
aber im nächsten ignorieren sie dich.
Sie spielen mit Kinderspielzeug,
und betteln dich gleichzeitig um ein Handy an.
Sie sehnen sich nach deiner Bestätigung,
aber sie sind völlig entsetzt und verlegen, wenn du sie gibst.
Dein:e Fünftklässler:in ist immer noch ein Kind. Und doch bekommst du an manchen Tagen einen kleinen Eindruck davon, wie sie oder er in den kommenden Teenagerjahren sein könnte. Sicher, Fünftklässler sind noch jung, aber es gibt etwas an der Kindheit, das in dieser Phase langsam entgleitet. Du kannst es nicht genau sagen, aber es gibt eine aufkeimende Reife unter der Oberfläche – fast sichtbar, aber noch nicht ganz da.
Sie befinden sich im Übergang. Ihre kleinen Körper verändern sich körperlich und hormonell (vor allem bei den Mädchen), aber es gibt noch viele Entwicklungen, die vor ihnen liegen. Sie mögen zwar jetzt die Grundschule gemeistert haben, aber sie blicken auch auf eine neue akademische und soziale Realität, die weiterführende Schule, voraus.
Nach elf Jahren Arbeit mit Kindern im Grundschulalter habe ich diese Übergangsgruppe besonders liebgewonnen. Sie sind sich ihrer selbst und ihrer Mitschüler:innen sehr bewusst. Sie stehen auf einem schmalen Grat zwischen der Person, die sie glauben, sein zu wollen, und der Person, von der sie glauben, dass alle anderen sie haben wollen. Positive Aufmerksamkeit von der richtigen Person kann ihren Tag retten, während eine kritische Bemerkung eines Gleichaltrigen ihren Sinn für Mode oder ihre Musikvorliebe in Sekundenschnelle auf den Kopf stellen kann.
Die Wahrheit ist, dass jede:r Fünftklässler:in ein bisschen Erfolg und ein bisschen Misserfolg erleben muss. Natürlich ist das in jeder Phase der Fall, ganz allgemein gesprochen. Aber für Fünftklässler:innen ist es besonders wichtig.
Jede:r Fünftklässler:in muss erfolgreich sein, damit er/sie weiß, wie es ist, zu gewinnen. Es gibt wohl nichts Motivierenderes als das Hochgefühl, das mit einem Sieg einhergeht – egal, ob es sich um eine Eins im Mathetest, die Aufnahme in den Computer-Club oder einen Rückwärtssalto auf dem Trampolin handelt.
Jede:r Fünftklässler:in muss einmal scheitern, damit er/sie weiß, was es heißt, sich aufzuraffen und weiterzumachen. Nichts stärkt den Charakter, den Mut und das Durchhaltevermögen so sehr wie das Scheitern. Und die kommenden Jahre werden alle drei erfordern.
In dieser Hinsicht ist die Erziehung eines Fünftklässlers oder einer Fünftklässlerin wie eine Aufwärmübung für die Teenagerjahre. Anstatt ständig mit der Spannung zwischen Loslassen und Festhalten umzugehen, suchst du nach Möglichkeiten, sie zum Gewinnen zu bringen, während du ihnen gelegentlich erlaubst zu scheitern. Das alles gehört dazu, um sie vorzubereiten.
Vergiss nicht: Der Übergang kann Spaß machen. Sicher, er ist unvorhersehbar. Sicher, du weißt vielleicht nicht genau, welches Elternteil du in einem bestimmten Moment sein sollst. Aber die Welt eines Fünftklässlers bzw. einer Fünftklässlerin ist voller Potenzial. Der Einfluss, den du in einem Übergangsjahr ausübst, wird sich in den kommenden Jahren exponentiell auszahlen. Schon eine kleine Kurskorrektur kann ihre Zukunft buchstäblich neu ausrichten. Also halte dich gut fest. Mach dich bereit. Diese Phase wird sicher einige Überraschungen mit sich bringen – für dich und deine:n Fünftklässler:in!
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