Haben gewalttätige Videospiele negative Auswirkungen auf Kinder? Diese Frage wird seit Jahrzehnten diskutiert und ist immer noch umstritten. Eines der Hauptprobleme ist der Beweis der Ursache, da es keine randomisierten, kontrollierten Experimente gibt, die die langfristigen Ergebnisse verfolgen. Diese Art von Erkenntnissen liegen uns einfach nicht vor.

Vielmehr fallen die meisten Studien in eine von zwei Kategorien:

  • Experimentelle Studien, die kurzfristige Entwicklungen messen. Wenn wir Menschen nach dem Zufallsprinzip zuweisen, gewalttätige Spiele zu spielen, verhalten sie sich dann anschließend anders?
  • Korrelationsstudien, die Verfechter von Gewaltspielen mit anderen Menschen vergleichen. Sind begeisterte Spieler/innen gewalttätiger Videospiele im wirklichen Leben aggressiver oder gewalttätiger?

Bei beiden Arten der Studien haben Forscherinnen und Forscher einen Zusammenhang zwischen dem Spielen und Aggression festgestellt, und das ist ein Grund zur Besorgnis. Aber es gibt wichtige Vorbehalte:

  1. Die kurzfristigen Effekte sind genau das – kurzfristige Effekte, die nach ein paar Minuten abklingen. Es ist nicht klar, ob und wie sie mit langfristigen Verhaltensproblemen zusammenhängen.
  2. Der Zusammenhang zwischen langem Spielen und Aggression ist zwar vorhanden, doch der Effekt ist schwach und daher schwer zu interpretieren. Zum Beispiel ist es wahrscheinlich, dass ein Teil des Einflusses die Tatsache widerspiegelt, dass aggressive Menschen dazu neigen, sich aggressive Unterhaltungsangebote zu suchen. Es ist nicht klar, ob die langfristige Beschäftigung mit gewalttätigen Spielen die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass Spieler/innen in der Wirklichkeit körperliche Gewalt ausüben.
  3. Was verstehen wir darunter, wenn wir von einem „gewalttätigen“ Videospiel sprechen? Es gibt verschiedene Arten und Ausprägungen von Gewalt, und es ist anzunehmen, dass diese unterschiedliche Auswirkungen auf die Spieler/innen haben. Studien kombinieren oft viele verschiedene Arten von Spielen. Das erschwert es, herauszufinden, welche Spiele wirklich problematisch sind, sofern sie das überhaupt sind. Um diese Frage zu beantworten, brauchen wir mehr Forschung.
  4. In Bezug auf die Auswirkungen auf Kinder gibt es viel mehr zu bedenken als die Frage, ob Spiele Kinder körperlich gewalttätiger machen oder nicht. Es könnte sein, dass gewalttätige Spiele nicht die körperliche Gewalt an sich fördern, sondern stattdessen schädliche Auswirkungen auf die Gemütslage haben. Sind manche Spiele zu stressig oder verstörend? Es ist auch gut möglich, dass bestimmte Gewaltspiele Kinder dazu bringen, negative Klischees über Herkunft und Geschlecht zu übernehmen. Und es gibt Grund zur Annahme, dass Spiele, in denen Gewalt mit Waffen dargestellt wird, Kinder zu gefährlichen Handlungen mit echten Waffen animieren könnten.

Die Studien lassen also keine klaren Schlussfolgerungen zu, und sie begünstigen auch keine radikalen Ansichten.

Einerseits haben die Skeptiker/innen Recht, wenn sie behaupten, dass die Beweise für die langfristigen Folgen entweder nicht schlüssig sind oder auf einen geringfügigen Einfluss hindeuten. Insbesondere gibt es keine überzeugenden Beweise dafür, dass das Spielen dieser Spiele Kinder dazu bringt, ernsthafte Gewalttaten zu begehen.

Andererseits zeigen Experimente, dass gewalttätige Videospiele die Spieler/innen zumindest vorübergehend in einen aggressiveren Zustand versetzen. Dies steht im Gegensatz zu sozialen Spielen, die dazu führen, dass Menschen sich freundlicher verhalten.

Viele wichtige Fragen müssen noch geklärt werden. Besonders für Kinder, die in der Regel nicht in Experimenten über die Auswirkungen von gewalttätigen Videospielen untersucht werden.

Das Fazit ist, dass Eltern am besten die Spiele vorher prüfen und sicherstellen sollten, dass der Inhalt für ihre Kinder geeignet ist und mit ihren Wertvorstellungen übereinstimmt.

Hier ist ein genauerer Einblick in die Beweise.

Die kurzfristigen Auswirkungen

Eine Reihe von Experimenten zeigt, dass sich Erwachsene nach dem Spielen von Gewaltspielen feindseliger fühlen. Insbesondere bei Spielen, die echte Lebenssituationen nachahmen.

Es gibt auch Beweise dafür, dass das Spielen von gewalttätigen Spielen dazu führen kann, dass sich die Menschen unmittelbar danach aggressiver benehmen.

In einem Experiment haben Forschende zum Beispiel 77 erwachsene Freiwillige nach dem Zufallsprinzip entweder ein gewalttätiges Videospiel oder eine gewaltfreie Alternative spielen lassen. Nach 20 Minuten gaben die Forscher/innen den Spieler/innen dann die Möglichkeit, einen Fremden mit Lärm zu bombardieren. Die Spieler/innen, die Zeit mit dem Gewaltspiel verbracht hatten, wählten längere und lautere Töne.

Andere Experimente ergaben, dass die Auswirkungen von persönlichen Charakterzügen abhängen, z. B. von der Tendenz, schnell wütend zu werden. Menschen, die dazu neigen, wütend zu sein, reagieren auf Gewalt in Videospielen eher mit Aggression im Anschluss an das Spiel. Es gibt auch Hinweise darauf, dass das Spielen eines gewalttätigen Helden weniger Aggressionen hervorruft als das Spielen eines gewalttätigen Verbrechers.

Reagieren Kinder in ähnlicher Weise? Forscherinnen und Forscher haben keine vergleichbaren Experimente mit Kindern durchgeführt, daher wissen wir nicht, ob sie Fremde mit erschreckend lauten Geräuschen bombardieren würden.

Doch in einer Studie verhielten sich Jungen, die ein gewalttätiges Videospiel spielen sollten, anschließend ungewöhnlich. Während des freien Spiels wurden sie von ihren Mitschüler/innen als aggressiver eingeschätzt. Die gleiche Erfahrung schien keinen Einfluss auf das Verhalten von Mädchen zu haben.

In einer anderen Studie ließen die Forscher/innen einige Kinder nach dem Zufallsprinzip ein gewalttätiges Videospiel und andere Kinder ein gewaltfreies Spiel spielen, in dem der Spieler die Rolle eines Haushaltshelfers übernimmt.

Unmittelbar nach dem Spielen des Videospiels bekamen die Kinder die Möglichkeit, einem Gleichaltrigen beim Geld verdienen zu helfen oder ihn daran zu hindern. Kinder, die gerade das helfende Spiel spielten, entschieden sich dafür, hilfreich zu sein. Kinder, die das gewalttätige Videospiel gespielt hatten, entschieden sich eher für die feindselige Variante.

Es gibt auch Forschungsergebnisse, die darauf hindeuten, dass Gewalt in Videospielen einen kurzfristigen Einfluss auf die Haltung des Spielers/der Spielerin im Hinblick auf Menschen in Not haben kann.

In einem Experiment mit Schüler/innen wiesen die Forschenden Brad Bushman und Craig Anderson den Teilnehmer/innen entweder

  • ein gewaltätiges Kampfspiel(z. B. Duke Nukem oder Mortal Kombat) oder,
  • ein gewaltfreies Videospiel mit wenig oder gar keinem sozialen Inhalt (z. B. Glider Pro, 3-D Pinball) zu.

Nach 20 Minuten Spielzeit wurden die Teilnehmer/innen allein in einem Raum gelassen, während sie einen langen (und verfälschten) Fragebogen über Videospiele ausfüllten.

Dann wendeten die Forschenden einen kleinen Trick an: Sie inszenierten im Flur draußen mit professionellen Schauspieler/innen eine Auseinandersetzung. Sie war laut und störend. Man hörte, wie Darsteller 1 Darsteller 2 bedrohte. Es gab ein polterndes Geräusch. Jemand trat gegen die Tür.

Und die Teilnehmer/innen der Studie hörten folgenden Dialog:

Darsteller 2: (stöhnt)

Darsteller 1: Ohhhh, habe ich dir wehgetan?

2: Es ist mein Knöchel, du Mistkerl, er ist verstaucht oder so… Ich kann nicht mal aufstehen!

1: Mitleid brauchst du bei mir nicht zu suchen.

2: Du könntest mir wenigstens helfen, aufzustehen.

1: Das soll wohl ein Scherz sein. Dir helfen? Ich haue ab [knallt die Tür zu und geht].

Die Teilnehmer/innen wussten nicht, dass die Auseinandersetzung vorgetäuscht war. Wie reagierten sie?

Das hing davon ab, welches Videospiel sie spielten.

Personen, die gewalttätige Spiele spielten, taten eher so, als hätten sie den Kampf nicht gehört. Wenn sie die Auseinandersetzung bemerkten, stuften sie sie als harmlos ein und ließen sich mehr Zeit, um dem Opfer zu helfen.

Andere Experimente zeigen, dass soziale Spiele einen gegenteiligen Effekt haben. Es ist also möglich, dass Spiele unsere Reaktionen auf Menschen in der Wirklichkeit verändern können – zumindest kurzfristig.

Die Betonung liegt jedoch auf „kurz“, denn diese Experimente sagen nichts über die langfristigen Auswirkungen aus. Studien deuten sogar darauf hin, dass diese kurzfristigen Effekte innerhalb von zehn Minuten abklingen. Wie ist es mit den langfristigen Auswirkungen?

Tragen gewalttätige Spiele zu langfristigen Verhaltensproblemen bei?

Die langfristigen Auswirkungen

Christopher Ferguson hat argumentiert, dass die Beweise bezüglich längerfristiger Auswirkungen unzureichend sind. Er weist darauf hin, dass in den veröffentlichten Experimenten nur die kurzfristigen Effekte getestet wurden und es keine experimentellen Studien zu den langfristigen Auswirkungen von Videospielen gab.

Einige Beobachtungsstudien – in denen dieselben Kinder monatelang begleitet wurden – haben Zusammenhänge zwischen Spielen und Aggression festgestellt. Natürlich müssen wir bei der Auswertung dieser Studien vorsichtig sein. Es ist wahrscheinlich, dass Aggression das Interesse an gewalttätigen Spielen erhöht.

So ergab eine Studie mit Kindern in Belgien und den Niederlanden, dass Jungen, die als weniger mitfühlend und aggressiver eingestuft wurden, besonders gerne gewalttätige Videospiele spielten.

Und eine Studie unter koreanischen Jugendlichen ergab, dass aggressive und narzisstische Personen eher zu Computerspielsucht neigen.

Möglicherweise spiegelt der Zusammenhang zwischen Aggression und gewalttätigen Videospielen also nur die Tatsache wider, dass aggressive Menschen eher nach gewalttätigen Inhalten suchen.

Um diese Idee zu prüfen, hat Ferguson mehrere Langzeitstudien durchgeführt, bei denen er versuchte, individuelle Unterschiede bei der Aggression zu berücksichtigen. In keiner dieser Studien wurde ein Zusammenhang zwischen dem Spielen gewalttätiger Spiele und Gewalttaten in der Wirklichkeit hergestellt.

Andere Forschende kamen jedoch zu anderen Erkenntnissen.

Craig Anderson und seine Kolleg/innen haben bei der Beobachtung von Kindern und Jugendlichen in zwei Ländern – Japan und den Vereinigten Staaten – Hinweise darauf gefunden, dass Kinder, die gewalttätige Videospiele spielen, mit höherer Wahrscheinlichkeit auch in der Realität aggressives Verhalten zugeben. Das galt selbst dann, wenn man das anfängliche Ausmaß an Aggression berücksichtigte.

Und Forscher/innen in Deutschland fanden heraus, dass Jugendliche, die zu Beginn einer Studie mehr Zeit mit gewalthaltigen Videospielen verbrachten, 30 Monate später mit höherer Wahrscheinlichkeit körperliche Gewalttaten begingen. Im Gegensatz dazu spielten Jugendliche, die zu Beginn der Studie gewalttätiger waren, 30 Monate später nicht vermehrt gewalttätige Videospiele.

Mit anderen Worten: Das Spielen von gewalttätigen Videospielen war ein Hinweis auf spätere Aggression. Aggressivität war jedoch kein Indiz für das Spielen von gewalttätigen Spielen.

Ferguson widerspricht solchen Studien mit dem Argument, dass Selbsteinschätzungen nicht dasselbe sind wie objektive Messwerte für Aggression und dass – in jedem Fall – die von den Studien gemeldeten Effekte eher dürftig sind und nicht mehr als 2% des Unterschieds zwischen aggressiven und nicht-aggressiven Jugendlichen ausmachen.

Als Ferguson eine Metaanalyse von 101 veröffentlichten Studien durchführte, fand er eine statistisch signifikante, aber sehr geringe Wirkung auf Aggressivität, sowohl bei Videospielen im Allgemeinen als auch bei gewalttätigen Videospielen im Speziellen.

In seiner neuesten Studie fand er einen Effekt, der so schwach war, dass es 27 Stunden Spielzeit pro Tag in der Kategorie M braucht, um klinisch spürbare Auswirkungen auf die Aggression zu haben.

Wenn gewalttätige Videospiele also einen Einfluss auf die Entwicklung aggressiver Verhaltensprobleme haben, scheint der Effekt nicht besonders groß zu sein. Nicht so, wie diese Studien es darstellen. Es gibt keine überzeugenden Beweise dafür, dass Gewalt in Videospielen Kinder dazu bringt, in der Realität ernsthafte Gewalttaten zu begehen.

Das bedeutet jedoch nicht, dass es keine negativen Auswirkungen gibt. Fergusons eigene Forschung bestätigt, dass ein gewisser Effekt vorhanden ist.

Eine Erklärung für den in allen Studien beobachteten „sehr geringen Effekt“ ist, dass nur eine Teilgruppe von Kindern einem Risiko ausgesetzt ist. Eine andere Möglichkeit ist, dass nur eine Teilgruppe von Spielen, die als „gewalttätig“ bezeichnet werden, problematisch sind. Wie Ferguson anmerkt, liegt ein Teil des Problems darin, dass „gewalttätig“ ein sehr vager Begriff ist, der auf so unterschiedliche Spiele wie World of Warcraft, Call of Duty und Pac Man angewendet wird.

Spiele mit Waffengewalt

Spiele, in denen Waffen eine Rolle spielen, können Kinder neugierig auf Waffen machen. Könnte dies dazu führen, dass Kinder in der Wirklichkeit ebenfalls ein gewalttätiges Verhalten an den Tag legen?

Justin Chang und Brad Bushman haben dies kürzlich in einem Experiment mit 242 amerikanischen Kindern (8-12 Jahre alt) getestet. Jedes der teilnehmenden Kinder wurde nach dem Zufallsprinzip einem von drei verschiedenen Spielvarianten von Minecraft zugeteilt, das es mit einem Gleichaltrigen spielen sollte:

  • Die Kinder in der Gruppe mit den Pistolen spielten ein Spiel mit Monstern, die sie mit Pistolen töten konnten.
  • Kinder in der Schwert-Gruppe hatten es ebenfalls mit Monstern zu tun, jedoch nicht mit Schusswaffen. Sie bekämpften die Monster mit Schwertern.
  • Die Kinder in der gewaltfreien Gruppe spielten ein Spiel, das völlig gewaltfrei war. Es gab keine Monster oder Waffen.

Nach 20 Minuten Spielzeit wurden die Kinder einer kleinen List ausgesetzt.

Der Versuchsleiter brachte die Kinder in ein anderes Zimmer, in dem sich ein Schrank mit Spielzeug und Spielen (wie Legosteine und Jenga) befand. Der Erwachsene sagte den Kindern, dass sie 20 Minuten in dem Raum bleiben würden und in dieser Zeit frei mit den Spielen und dem Spielzeug spielen könnten.

Der Erwachsene erklärte nicht, dass die Kinder von einer versteckten Kamera überwacht wurden. Und er erwähnte auch nicht, dass sich in der untersten Schublade des Schranks Pistolen befanden: Zwei echte, entschärfte 9-mm-Pistolen.

Was geschah?

Die Kinder, die in Zweiergruppen getestet wurden, fanden die Pistolen fast immer. Ungefähr die Hälfte der Kinder griff nach einer Waffe, und ein Drittel von ihnen drückte mindestens einmal ab. Diesbezüglich unterschieden sich die Kinder nicht von einander.

Aber es gab einen beunruhigenden Unterschied zwischen den Bedingungen: Die Frage, ob die Kinder den Abzug betätigten, während sie auf jemanden zielten.

Im Vergleich zu Kindern der gewaltfreien Gruppe war die Wahrscheinlichkeit, dass Kinder, die die Version von Minecraft mit Pistolen spielten, 18-mal höher, dass sie den Abzug drückten, während sie auf sich selbst oder auf jemanden zielten.

Im Gegensatz dazu bestand bei Kindern, die die Version mit dem Schwert spielten, keine erhöhte Neigung, den Abzug zu betätigen wenn sie die Pistole auf eine Person richteten.

Abschluss

Weitere Studien – mit den besten verfügbaren Methoden – könnten uns aufklären. In der Zwischenzeit ist eine achtsame Erziehung angebracht.

Es gibt Einstufungssysteme, die Eltern helfen zu beurteilen, ob ein Spiel für ihre Kinder geeignet ist. Aber Spiele, die als altersgerecht eingestuft sind, können trotzdem Inhalte aufweisen, die Kinder als störend empfinden oder die Erwachsene als sexistisch oder sexualisiert empfinden.

Es lohnt sich also, genauer hinzuschauen.

Bildquelle: https://www.pexels.com/de-de/foto/licht-mann-person-internet-7848992/

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