Möchte dein Kind sich nur von Zucker und Stärke ernähren? Oder weigert es sich, etwas Neues zu probieren?
Für wählerische Esser zu kochen ist oft frustrierend. Doch ihre Macken und Vorlieben sind nicht vollkommen beliebig. Einfach ausgedrückt: Die Geschmackswahrnehmungen deines Kindes können sich von deinen unterscheiden. Hierfür gibt es mehrere Gründe.
Die Wahrnehmung vom Geschmacksrichtungen
Verglichen mit kleinen Kindern, sind Erwachsene toleranter gegenüber bitteren und sauren Geschmacksrichtungen.
Möglicherweise liegt das daran, dass Erwachsene im Laufe ihres Lebens viele verschiedene Geschmäcker kennengelernt haben. Experimente zeigen, dass Kinder ihre Vorliebe für bittere oder saure Lebensmittel steigern, wenn sie sie zum ersten Mal in Kombination mit etwas Süßem zu sich nehmen. Du kannst dir dieses Phänomen zunutze machen, um die Ernährung deines Kindes zu bereichern.
Der springende Punkt ist jedoch, dass Erwachsene bereits viele Möglichkeiten hatten, solche Vorlieben zu entwickeln. Wählerischen Kindern fehlt es womöglich an solchen wichtigen Erfahrungen.
Erwachsene sind vielleicht auch weniger empfindlich.
Ein bitterer Geschmack ist ein Anzeichen für mögliche giftige Substanzen, und Kinder mit ihren kleineren Körpern und geringeren Fähigkeiten zur Entgiftung sind anfälliger für die Auswirkungen von Giftstoffen.
Man könnte meinen, dass Früchte, Gemüse und Gewürze, die wir essen, ungefährlich sind, doch viele Pflanzen, die wir essen, enthalten natürliche Giftstoffe. Biologen glauben sogar, dass viele der Gifte in Pflanzen genau deshalb entstanden sind, um Tiere davon abzuhalten, sie zu essen.
Einige Giftstoffe machen dich krank. Andere binden sich an die Nährstoffe in deiner Nahrung und machen diese unverdaulich. Egal wie, Toxine können Lebensmittel ungesünder machen.
Das heißt allerdings nicht, dass alle bitteren Lebensmittel schlecht für uns sind. Viele bittere Kräuter und „scharfe“ Gewürze haben heilende Eigenschaften. Doch es erklärt, warum Tiere – vor allem solche, die keine speziellen Systeme zur Entgiftung haben – möglicherweise besser dran sind, wenn sie bittere Lebensmittel vermeiden. Es sollte deshalb nicht sonderlich verwundern, wenn die natürliche Auslese Kinder mit einem besonders empfindlichen System ausstattete, um bittere Geschmäcker zurückzuweisen.
Die Bedürfnisse von Kindern
Kleine Kinder sind vielleicht so „verdrahtet“, dass sie die reichhaltigsten Lebensmittel auswählen.
Kinder brauchen proportional zu ihrer Körpergröße mehr Energie als wir. Sie brauchen nicht nur mehr Essen, um zu wachsen, sondern auch, weil sie weniger energieeffizient sind.
Das liegt an ihrer Größe. Kleinere Körper haben in der Regel eine größere Oberfläche im Verhältnis zum Umfang, so dass sie mehr Körperwärme verlieren. Kleinere Lebewesen haben auch einen kleineren und kürzeren Verdauungstrakt, der es ihnen erschwert, ballaststoffreiche und/oder giftige Nahrung zu verdauen.
Die natürliche Auslese hat also den Druck auf die Kleinen erhöht: Sie müssen sich auf Lebensmittel konzentrieren, die viel Energie mit wenig Masse liefern. Das ist der Trend, den wir bei den Primaten beobachten. Kleine Totenkopfaffen greifen nach dem „Fast Food“ der Natur, also nach Früchten und Insekten. Gorillas hingegen können sich die zusätzliche Zeit der Verdauung von markhaltigen Blättern und Stängeln leisten.
Heißt das, dass unsere Kinder von Natur aus wählerisch sind? Nicht unbedingt. Aber ich denke, es ist vernünftig, sich zu fragen, warum Kinder eine besondere Vorliebe für die süßesten und/oder energiereichsten Lebensmittel haben.
Weitere Faktoren, die Kinder zu wählerischen Essern machen
Erbanlagen
Manche Menschen haben genetisch bedingt eine erhöhte Empfindlichkeit gegenüber Bitterem.
Wir haben gesehen, wie Jugend und Körpergröße Kinder zu wählerischen Essern machen können. Doch es gibt auch noch weitere Faktoren. Neueste Forschungen zeigen, dass Menschen – sogar innerhalb derselben Familie – unterschiedliche Erbanlagen bezüglich der Bitterkeit haben.
In einer Studie stellten Julie Mennella und Kolleg:innen Kindern (im Alter von 5 bis 10 Jahren) eine Reihe von bitter und süß schmeckenden Getränken vor. Die Forscher:innen fanden heraus, dass die Vorlieben der Kinder mit ihren Gentypen am TAS2R38-Lokus zusammenhingen, einer Region, die die Empfindlichkeit einer Person für verschiedene ähnliche, bitter schmeckende Verbindungen wie PTC kontrolliert.
Die Forscher:innen fanden heraus, dass Kinder, die mindestens eine Variante des empfindlichen Allels besaßen, eher Bitterstoffe in niedrigen Konzentrationen wahrnahmen. Außerdem gaben diese Kinder an, dass sie süßere Getränke und Müsli mit viel Zucker bevorzugten. Sie nannten auch seltener Milch oder Wasser als Lieblingsgetränk.
Und nun noch ein besonders interessanter Aspekt für Eltern:
Kinder mit dem empfindlichen Genotyp für Bitterkeit wurden von ihren Müttern als „emotionaler“ eingestuft, wenn ihre Mütter nur Allele für Unempfindlichkeit gegenüber Bitterkeit besaßen.
Vielleicht sind also einige der Konflikte zwischen wählerischen Essern und ihren Eltern auf eine genetische Unstimmigkeit zurückzuführen. Eltern, die bestimmte bittere Substanzen nicht schmecken können, haben mehr Schwierigkeiten nachzuvollziehen, wie ihre Kinder auf bittere Lebensmittel reagieren.
Andere Menschen haben möglicherweise eine genetisch bedingte Veranlagung, neue Lebensmittel zu vermeiden.
Eine kürzlich durchgeführte Zwillingsstudie untersuchte die Möglichkeit, dass die Abneigung gegen neue Lebensmittel genetisch bedingt sein könnte. Die Forscher:innen fanden heraus, dass eineiige Zwillinge häufiger neophobische Züge aufweisen als zweieiige Zwillinge. Insgesamt waren etwa zwei Drittel der Unterschiede zwischen den Individuen auf die Vererbung zurückzuführen.
Frühe Geschmackserlebnisse
Frühzeitige Geschmackserlebnisse können wählerische Esser beeinflussen.
Forschungen deuten darauf hin, dass Föten die Lebensmittel schmecken, die ihre schwangeren Mütter essen. Der Geschmack von Lebensmitteln wird auch durch die Muttermilch weitergegeben.
Diese frühen Geschmackserlebnisse können die Vorlieben von kleinen Kindern prägen und dazu führen, dass Kinder Geschmacksrichtungen lieber mögen, die sie bereits im Fruchtwasser oder in der Muttermilch kennengelernt haben.
Wählerische Esser werden auch durch soziales Verlangen, die Ernährungsstrategie der Eltern und die Art und Weise, wie neue Lebensmittel präsentiert werden, beeinflusst.
Eine Studie mit mehr als 7800 britischen Kindern untersuchte zum Beispiel den Zusammenhang zwischen der Einführung von fester Beikost im Säuglingsalter und dem späteren Essverhalten. Im Vergleich zu Babys, die zwischen 6 und 9 Monaten stückige feste Nahrung bekamen, hatten Babys, die diese später bekamen, im Alter von 7 Jahren eine weniger abwechslungsreiche Ernährung und mehr Probleme bei der Nahrungsaufnahme.
Weitere Studien deuten darauf hin, dass es sich gut auf die Annahme neuer Lebensmittel auswirkt, wenn man Kleinkinder mit neuen Lebensmitteln vertraut macht, indem man ihnen Bilderbücher zeigt. Und es gibt noch viele weitere praktische Strategien, die Eltern anwenden können, um ihre Kinder zum Essen zu motivieren.
Bildquelle: https://www.freepik.com/free-photo/little-girl-refusing-healthy-food_5474924.htm