Die Schwierigkeit, ADHS bei Kindern zu erkennen

Die Diagnose von ADHS, der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung, ist an sich schon problematisch.  

Die Symptome – Unkonzentriertheit, Impulsivität und Hyperaktivität – entsprechen dem normalen Verhalten kleiner Kinder.

Wenn also kleine Kinder eine Diagnose erhalten, dann bedeutet das, dass sie ablenkbarer, impulsiver oder hyperaktiver sind, als sie es in ihrem Alter normal ist.

Doch wo ziehen wir die Grenze zwischen einem normalen Verhalten und einer medizinischen Störung?

Das ist eine wichtige Frage, denn die Zahl der Diagnosen steigt bei sehr kleinen Kindern, und viele Kinder bekommen Medikamente.

Laut Gesundheitsdaten, aus den USA, ist der Anteil der 2- bis 5-Jährigen, bei denen ADHS festgestellt wurde, zwischen 2008 und 2012 um 50 % gestiegen.

Und eine Studie des U.S. Center for Disease Control zeigt, dass ADHS bei Kindern, in dieser Altersgruppe öfter verschreibungspflichtige Medikamente erfordert.

Studien zu ADHS bei Kindern

In einer aktuellen Übersicht über veröffentlichte Studien berichten Luis Kazda und ihre Kolleg/innen, dass ADHS zu oft diagnostiziert und übermäßig behandelt wird.

Zudem stellen sie fest, dass Medikamente Nebenwirkungen haben. Und mit dem Stempel ADHS versehen zu werden? Das kann manchmal negative psychische Folgen haben.

Bei fälschlich diagnostizierten Kindern – oder die nur unter leichten oder grenzwertigen ADHS-Symptomen leiden – können Diagnose und Behandlung eher schaden als nützen.

Im Folgenden gebe ich einen Überblick über die aktuellen Vorstellungen über ADHS bei Kindern, einschließlich der Gründe für Zweifel und Vorsicht.

Das ist keine umfassende Darstellung von ADHS bei Kindern und soll nicht abstreiten, dass einige Kinder unter erheblichen Schwierigkeiten bei der Aufmerksamkeit oder an Hyperaktivität leiden. Wenn du denkst, dass dein Kind ADHS haben könnte, solltest du diese Bedenken mit einem Arzt besprechen.

Der folgende Artikel gibt jedoch einen Überblick über die Gründe, warum Eltern eine gesunde Skepsis an den Tag legen sollten, wenn es darum geht, ADHS bei Kindern zu diagnostizieren und zu behandeln.

Was bedeutet ADHS bei Kindern?

Aufmerksamkeitsdefizitstörung (ADHS) wird definiert als „das gleichzeitige Auftreten von Aufmerksamkeitsproblemen und Hyperaktivität“.

Laut der AACAP (Amerikanische Akademie für Kinder- und Jugendpsychiatrie) bedeutet dies, dass ein Kind, das

  • ständig in Bewegung zu sein scheint – es zappelt und hampelt herum und bewegt sich durch den Raum;
  • sich impulsiv verhält und Aussagen macht, ohne sie vorher zu überdenken;
  • seine Gefühle hemmungslos zur Schau stellt; und
  • sich schnell langweilt, es sei denn, es handelt sich um eine Aktivität, die dem Kind besonders viel Freude bereitet.

Das Kind mit ADHS „lässt sich leicht ablenken, macht Flüchtigkeitsfehler, vergisst Dinge, hat Schwierigkeiten, Anweisungen zu befolgen oder wechselt von einer Aktivität zur nächsten, ohne etwas zu beenden.“

Zudem muss das Kind seit mindestens 6 Monaten Symptome aufweisen und diese müssen die Fähigkeit des Kindes, in mindestens zwei verschiedenen Bereichen des Alltags, beeinträchtigen:

  • zu Hause,
  • im Unterricht,
  • auf dem Spielplatz und
  • in anderen sozialen Zusammenhängen.

In einem Online-Artikel legt die AACAP außerdem fest, dass die Symptome bis zum siebten Geburtstag des Kindes auftreten sollten.

Kann man ADHS schon bei kleinen Kindern feststellen?

Es ist möglich, doch problematisch. Warum? Kleine Kinder sind von Natur aus unruhig, impulsiv und neigen zu Gefühlsausbrüchen. Sie haben eine kürzere Konzentrationsfähigkeit. Es fällt ihnen schwer, Anweisungen zu befolgen und am Ball zu bleiben.

Mit anderen Worten: Es ist normal, dass kleine Kinder ein Verhalten an den Tag legen, das ADHS ähnelt. Das sind typische Verhaltensweisen für ihr Alter. Mit ein bisschen Geduld können wir feststellen, dass kleine Kinder aus diesen Verhaltensweisen herauswachsen.

Um zu verstehen, was ich meine, schau dir die Ergebnisse einer schwedischen Studie an. Forscher/innen untersuchten 422 Erstklässler auf Anzeichen von ADHS, indem sie Eltern und Lehrkräfte baten, einen Standardfragebogen mit zehn Kriterien (die „Conners Skala“) zu beantworten.

Nach drei Jahren untersuchten sie die Entwicklung der Kinder.

Sagte das frühe Screening voraus, welche Kinder in der vierten Klasse eine offizielle ADHS-Diagnose erhielten?

Ja, allerdings mit einer großen Fehlerquote. Der beste Faktor zur Vorhersage – eine Kombination aus hohen Wertungen von Eltern und Lehrer/innen – hatte einen Prognosewert von 50 %, was bedeutet, dass nur die Hälfte der Kinder, die man in der ersten Klasse positiv auf ADHS testete, in der vierten Klasse eine offizielle Diagnose erhielten.

Wann kann man ADHS bei Kindern feststellen?

Westliche Organisationen, wie die American Academy of Pediatrics, schlagen vor, dass man Kinder bereits im Alter von 4 Jahren diagnostizieren kann.

Doch es scheint, dass man einige Kinder noch früher testete und diagnostizierte. Eine aktuelle Umfrage unter mehr als 45.000 Kindern in den Vereinigten Staaten ergab, dass etwa 2,4 % der Kinder zwischen 2 und 5 Jahren an ADHS litten.

Warum wurde ADHS bei Kindern so früh getestet?

Stellen wir unrealistische Anforderungen an sie und diagnostizieren bei ihnen dann ADHS, wenn sie diese Anforderungen nicht erfüllen?

Ich bin kein Psychiater und sage auch nicht, dass wir alle frühzeitigen Diagnosen als fehlerhaft abtun sollten. Doch ich denke, dass wir die Möglichkeit in Betracht ziehen müssen, dass kulturelle Aspekte eine wichtige Rolle bei der Diagnose von ADHS spielen.

In Ländern wie den Vereinigten Staaten – wo ADHS-Diagnosen immer häufiger werden – stehen kleine Kinder möglicherweise vor besonderen Herausforderungen.

Sie gehen in Kitas oder Vorschulen, wo Erwachsene ihnen ständig sagen, wo sie hinzugehen und wie sie sich zu verhalten haben.

Sie gehen in den Kindergarten, wo der Unterricht anspruchsvoller und akademischer ist als in früheren Generationen.

Mir scheint, dass viele kleine Kinder dazu angehalten werden, sich wie junge Bürokräfte zu verhalten. Setz dich an deinen Tisch. Höre auf meine Anweisungen. Konzentriere dich auf deine Aufgabe. Sprich nicht ungefragt.

Einige Kinder fühlen sich in solchen Umgebungen wohl. Sie sind in ihrer Entwicklung weiter fortgeschritten als ihre Altersgenossen und es fällt ihnen relativ leicht, sich daran zu halten.

Doch anderen Kindern fällt es womöglich schwer. Nicht, weil sie ADHS haben, sondern weil sie in der Entwicklung normal sind und noch nicht die Anforderungen erfüllen können, die Erwachsene an sie stellen.

Wir verlangen schlichtweg zu viel. Kinder erfüllen unsere Anforderungen nicht, und wir nehmen wahr, dass diese Kinder unter Verhaltensproblemen – und möglicherweise unter ADHS – leiden.

Wie komme ich darauf, dass dies so ist? Ein Indiz ist anthropologischer Natur.

Um die Anforderungen an „kleine Bürokräfte“ ins rechte Licht zu rücken, solltest du dir überlegen, wie man Kinder in anderen Kulturen behandelt.

Weltweit zeigen Menschen, die in traditionellen Kulturen leben, eine bemerkenswerte Übereinstimmung. Sie erwarten nicht viel Selbstdisziplin von Kindern, bevor sie 6 oder 7 Jahre alt sind.

In einer berühmten Studie untersuchten die Psychologin Barbara Rogoff und ihre Kolleg/innen die Haltung gegenüber Kindern in 50 verschiedenen traditionellen Kulturen – darunter auch Gesellschaften, in denen die Menschen von der Nahrungssuche, der Viehzucht und der Landwirtschaft leben.

Die Forscher/innen stellten eine Vielzahl von Fragen. In welchem Alter denken die Befragten, dass Kinder in der Lage sind, vernünftige Entscheidungen zu treffen und gesunden Menschenverstand zu zeigen? Wann sollten Eltern erwarten, dass ihre Kinder Regeln befolgen? Ab welchem Alter sollten Erwachsene versuchen, Kindern Manieren und Umgangsformen beizubringen?

Die Antworten waren ziemlich einheitlich.

In den meisten Regionen erwarteten die Erwachsenen nicht, dass Kinder regelgebundene Spiele spielen, bevor sie 6 Jahre alt sind.

Sie erwarteten nicht, dass Kinder gesunden Menschenverstand oder Vernunft an den Tag legen, bevor sie mindestens 6 Jahre alt sind.

Erst mit etwa 7 Jahren hat man sich besonders bemüht, Kindern soziale Umgangsformen beizubringen.

Wir sehen hier also eine völlig andere Erwartungshaltung als bei den „kleinen Bürokräften“, die manche Vorschulkinder in den Vereinigten Staaten haben.

Ein 4- oder 5-Jähriger, der im Kindergarten in den USA Schwierigkeiten hat, hat möglicherweise keine Schwierigkeiten, die Standards einer traditionellen, vorindustriellen Gesellschaft zu erfüllen.

In den Vereinigten Staaten fragt man sich direkt, ob ADHS bei Kindern vorliegt. In einer traditionellen, vorindustriellen Kultur nehmen die Menschen nichts Auffälliges oder Krankhaftes wahr. Sie betrachten das Verhalten des Kindes als entwicklungsmäßig normal.

Der Unterschied ist kulturell bedingt.

Was noch?

Häufigkeit der Falschdiagnosen von ADHS bei Kindern

Der erste Blick auf ein besorgniserregendes Muster

Todd Elder von der Michigan State University wollte wissen, ob man Kinder fälschlicherweise mit ADHS diagnostiziert, wenn sie ein normales Maß an Ablenkung und Hyperaktivität für ihr Alter aufweisen.

Also durchforstete er einige alte Daten: eine umfangreiche Längsschnittstudie über Kinder im Kindergartenalter, die vom U.S. National Center for Education Statistics durchgeführt wurde. Und er hat sich zwei Gruppen von Kindergartenkindern angesehen:

  • die jüngsten Kinder, die im Monat vor dem jeweiligen Stichtag für den Kindergarteneintritt Geburtstag hatten, und
  • die ältesten Kinder, deren Geburtstag im Monat unmittelbar nach dem Stichtag lag.

Elders Überlegungen lauteten wie folgt. Wenn ADHS bei Kindern diagnostiziert wird, weil sie eine echte psychische Störung haben und nicht, weil sie entwicklungsbedingte Anzeichen von mangelnder Reife zeigen, dann sollte es keinen Zusammenhang zwischen dem Alter eines Kindes und seiner Diagnose geben.

Mit anderen Worten: Bei den jüngsten Kindergartenkindern sollte die Wahrscheinlichkeit, dass ADHS diagnostiziert wird, nicht höher sein als bei den ältesten Kindergartenkindern.

Doch das ist nicht der Fall. Im Gegenteil, bei den jüngsten Kindergartenkindern war die Wahrscheinlichkeit, dass ADHS diagnostiziert wurde, um 60 % höher als bei den ältesten Kindergartenkindern.

Und die Einstufung als ADHS schien dauerhafte Folgen zu haben. Als Elder ältere Kinder untersuchte, stellte er fest, dass die jüngsten Schüler in der fünften und achten Klasse doppelt so häufig wegen ADHS medizinisch behandelt wurden.

Auf der Grundlage seiner Analyse schätzt Elder, dass bis zu 20% der 4,5 Millionen amerikanischen Kinder mit ADHS falsch diagnostiziert wurden.

Was sagen internationale Studien zu ADHS bei Kindern?

Die Ergebnisse von Elder wurden von Forscher/innen in anderen Ländern bestätigt.

So fanden Forscher/innen in Taiwan heraus, dass Jungen und Mädchen, die im August (dem letzten Monat vor der offiziellen Einschulung) geboren wurden, eine um 63 % höhere Wahrscheinlichkeit hatten, eine Diagnose zu erhalten, als Kinder, die im September geboren wurden. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie Medikamente bekamen, war um 76 % höher.

In Schweden hatten sechsjährige Kinder, die zwei Monate vor dem Stichtag geboren wurden, eine 80 % höhere Wahrscheinlichkeit, Medikamente für ADHS verschrieben zu bekommen, als Kinder, die zwei Monate nach dem Stichtag geboren wurden.

Dieser Effekt auf Grund des unterschiedlichen Alters wurde auch in Kanada und Israel nachgewiesen.

Und generell gibt es Grund zu der Annahme, dass einige Kinder falsch diagnostiziert werden.

In einer aktuellen Übersicht der wissenschaftlichen Literatur haben Luise Kazda und Kollegen 334 veröffentlichte Studien über ADHS bei Kindern und Jugendlichen analysiert. Die Forscher/innen kamen zu dem Schluss, dass es stichhaltige Beweise dafür gibt, dass ADHS zu häufig diagnostiziert wird.

Was tun gegen Falschdiagnosen von ADHS bei Kindern?

In der schwedischen Studie, die ich gerade erwähnte, fiel den Forscher/innen ein interessantes Muster auf: Die jüngsten Kinder einer Klasse schienen zu Hause nicht mehr Probleme zu haben. Die Berichte der Eltern über ADHS-ähnliche Symptome standen in keinem Zusammenhang mit dem Alter des Kindes.

Der Druck, Kinder mit ADHS zu diagnostizieren, kam also hauptsächlich von den Schulen. Was können wir tun, um diesen Druck zu verringern?

Ein Ansatz ist, die Einschulung von Kindern zu verzögern, die noch nicht so weit sind. Die schwedischen Forscher/innen erklären dazu:

„Eine flexible Staffelung des Einschulungsalters entsprechend der individuellen Reife könnte die entwicklungsbedingten Herausforderungen der Kinder verringern und somit die Genauigkeit der ADHS-Diagnose und der medizinischen Behandlung verbessern.“

Dieser Ansatz ist in Dänemark üblich, was erklärt, warum Forscher/innen in diesem Land fast keinen Einfluss des Alters auf den Gebrauch von Medikamenten fanden.

Eine andere Alternative wäre, unsere Erwartungen an die Fähigkeiten der Kinder anzupassen.

Können wir die Schule so umgestalten, dass sie die unterschiedlichen Reifegrade der Kinder anerkennt? Oder wäre das zu kostspielig und schwer zu handhaben? Das sind wichtige Fragen, die es zu erforschen und zu diskutieren gilt.

Was ist mit Genetik und Gehirnchemie von ADHS bei Kindern?

Ist es nicht erwiesen, dass unkonzentrierte, hyperaktive Kinder ein medizinisches Problem haben? Reicht das nicht aus, um zu beweisen, dass ein Kind Medikamente braucht? Nicht ganz. Vielmehr zeigt die Biologie, dass es ein breites Spektrum gibt.

Zugegeben, es stimmt, dass ADHS stark vererbbar ist.

Das wissen wir aus Zwillingsstudien, in denen eineiige Zwillinge (die fast 100 % ihrer genetischen Polymorphismen teilen) mit zweieiigen Zwillingen (die im Durchschnitt nur 50 % ihrer genetischen Polymorphismen teilen) verglichen werden.

Bei eineiigen Zwillingen ist die Wahrscheinlichkeit, dass beide eine ADHS-Diagnose erhalten, viel größer als bei zweieiigen Zwillingen.

Vermutlich liegt das daran, dass es Gene gibt, die bei der Entwicklung von ADHS eine Rolle spielen. Diese Gene können Aspekte enthalten, die die Konzentration von Botenstoffen (Neurotransmittern) im Gehirn verändern.

Forscher/innen haben Medikamente entwickelt, die auf bestimmte Botenstoffe abzielen, und einige dieser Medikamente helfen ADHS-Patienten zumindest kurzfristig, ihre Symptome zu kontrollieren.

Das beweist aber nicht, dass jeder Mensch, bei dem ADHS diagnostiziert wird, eine Störung hat. Und es bedeutet auch nicht, dass jeder von Medikamenten profitiert.

Die Beobachtung, dass Kinder mit ADHS bestimmte Gene – oder sogar bestimmte Profile von Botenstoffen – teilen, ist interessant, aber nicht ungewöhnlich. Das Gleiche können wir über Kinder sagen, die schüchtern, immer fröhlich oder ungewöhnlich aggressiv sind.

Menschen sind zum Teil deshalb unterschiedlich, weil sie unterschiedliche Gene besitzen und verschiedene Gehirnchemie entwickeln. Das heißt aber nicht, dass alle Unterschiede als krankhaft gelten. Es ist auch nicht von besonderer Bedeutung, warum sich individuelle Unterschiede entwickelten – nicht, wenn es darum geht, zu entscheiden, ob Marcus oder Sylvia Medikamente brauchen.

Einige Forscher/innen vermuten, dass die Evolution bestimmte „ADHS-Genotypen“ begünstigt hat. Eine Theorie besagt zum Beispiel, dass alte Gesellschaften davon profitierten, Mitglieder mit ADHS zu haben. Die hyperaktiven, ablenkbaren Menschen waren die Wegbereiter/innen – diejenigen, die manchmal neue Überlebenstaktiken entdeckten.

Das ist eine interessante Theorie. Doch sie sagt uns nicht, ob das Verhalten einer bestimmten Person mit einer Diagnose von ADHS einhergeht. Und selbst wenn wir zu dem Schluss kommen, dass ein Kind ADHS hat, müssen wir die Nachteile bestimmter Behandlungen (z. B. die Risiken und Nebenwirkungen der Einnahme eines bestimmten Medikaments) gegen die offensichtlichen Vorteile abwägen.

Wir können beispielsweise feststellen, dass ein Kind an Schlaflosigkeit leidet, doch diese Diagnose bedeutet nicht, dass Medikamente die beste Lösung sind. Nach Prüfung der besten vorhandenen Erkenntnisse können wir zu dem Schluss kommen, dass die Nachteile der Medikamente (die Risiken und Nebenwirkungen) die offensichtlichen Vorteile überwiegen.

Das gilt auch für eine Diagnose von ADHS. Die am häufigsten verschriebenen Medikamente gegen ADHS stehen mit Schlafproblemen, Appetitlosigkeit und Bauchschmerzen in Verbindung. Manche Menschen lehnen daher die Einnahme dieser Medikamente ab.

Zudem ist es wichtig zu wissen, dass diese Medikamente von der FDA als Liste II eingestuft werden, das bedeutet, dass ein hohes Potenzial für Missbrauch und starke Abhängigkeit besteht. Wenn diese Medikamente missbraucht oder in hohen Dosen eingenommen werden, können sie Psychosen verursachen.

Und schließlich sollten wir uns Gedanken darüber machen, was noch alles unklar ist. Wie die Autoren der führenden Meta-Analysen feststellten, basiert nahezu all unser Wissen über Nebenwirkungen auf „sehr schlechten Beweisen“. Studien sind schlecht kontrolliert und beobachten Kinder meist nur über kurze Zeiträume.

Diese Schlussfolgerung über den Stand der Forschung zu Amphetaminen, die bei ADHS verschrieben werden, fasst die Art des Problems zusammen:

„Die meisten der Studien wiesen ein hohes Risiko für Voreingenommenheit auf und die Gesamtqualität der Beweise war bei den meisten Endpunkten gering bis sehr gering. Obwohl Amphetamine die zentralen Symptome von ADHS kurzfristig effektiv reduzieren, wurden sie mit einer Reihe von unerwünschten Nebenwirkungen in Verbindung gebracht… Künftige Studien müssen länger dauern (d.h. länger als 12 Monate), mehr psychosoziale Ergebnisse beinhalten (z.B. Lebensqualität und Stress der Eltern) und transparent berichtet werden.“

Wie lassen sich die Symptome von ADHS bei Kindern erklären?

Sind manche Kinder einfach „übermüdet“?

Nicht nur kleine Kinder haben Probleme damit, ihre Impulse zu kontrollieren und stillzuhalten.

Studien zeigen, dass Grundschulkinder launischer werden, wenn sie weniger schlafen. Auch Erwachsene sind bei Schlafmangel abgelenkter und aufgewühlter. Leiden manche Kinder, bei denen ADHS diagnostiziert wird, tatsächlich nur an Schlaflosigkeit?

Das ist möglich. Studien belegen, dass Kinder mit einer ADHS-Diagnose häufiger an Schlafstörungen leiden. Und in einer Studie wurde festgestellt, dass sich die Symptome von ADHS bei Kindern, die eine Behandlung bestimmter Schlafprobleme wie obstruktive Schlafapnoe erhielten, verbesserten. Könnten die Probleme deines Kindes durch Schlafmangel entstehen? Es ist eine Untersuchung wert.

Andere Erkrankungen, die die Symptome von ADHS bei Kindern hervorrufen können, sind

  • Schilddrüsenprobleme
  • Klinische Angstzustände oder Depressionen
  • emotionale Traumata und plötzliche Lebensveränderungen
  • Bleivergiftung
  • unentdeckte Krampfanfälle

Es ist auch möglich, dass einige Fälle von ADHS bei Kindern auf ein schlechtes Arbeitsgedächtnis zurückzuführen sind.

Was ist mit der Behauptung ADHS existiere nicht?

Du hast vielleicht schon die Behauptung gehört, dass ADHS nicht existiert. Es sei eine „Lüge“, die von speziellen Interessen, wie z. B. denen der Pharmaunternehmen, verbreitet wird. Ist das ein berechtigter Ansatz?

Wie bei den meisten Behauptungen kommt es darauf an, was man darunter versteht. Es ist nicht falsch, dass manche Menschen abgelenkter, impulsiver oder hyperaktiver sind als andere. Es stimmt auch, dass einige dieser Menschen unter erheblichen Beeinträchtigungen in ihrem Alltag leiden. Und es ist klar, dass Aufmerksamkeitsdefizite und Hyperaktivität – wie auch andere Eigenschaften – mit Differenzen in der Gehirnchemie zusammenhängen.

Es steht also außer Frage, dass Millionen von Menschen die medizinische Definition erfüllen und viele der Betroffenen ernsthafte Probleme haben. Was weniger eindeutig ist, ist die Ursache. Hat ADHS bei allen Menschen mit dieser Diagnose die selbe Ursache? Oder ist die Gruppe der ADHS-Patienten eine bunt gemischte Gruppe? Eine Ansammlung von Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen unter ähnlichen Verhaltensproblemen leidet?

Hängt deine Definition von ADHS davon ab, dass es eine einzige Ursache gibt, die die Symptome aller diagnostizierten Personen erklärt, dann gibt es Grund, an der Existenz von ADHS zu zweifeln. Die Wissenschaft ist noch nicht so weit, jedenfalls bislang nicht.

Doch das ist eine sehr beschränkte Definition. Würden wir dieselbe Definition beispielsweise auf Schlaflosigkeit anwenden, müssten wir die Existenz von Schlaflosigkeit anzweifeln.

Wenn du eine weniger einschränkende Definition wählst, erfasst die Bezeichnung ein reales Problem: Menschen, die mit Verhaltensstörungen zu kämpfen haben, die sie in ihrem Alltag stark einschränken.

Bildquelle: https://www.pexels.com/de-de/foto/kinder-spielen-auf-aufblasbarem-schloss-296308/

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