Kleine Kinder sagen die albernsten Dinge. Manchmal sagen sie Dinge, die nicht wahr sind. Aber albern zu sein oder sich zu irren, ist nicht dasselbe wie vorsätzlich zu lügen.

Um zu lügen, muss man nach allgemeinem Verständnis sowohl unehrlich sein als auch die Absicht haben, jemanden zu täuschen. Mit anderen Worten: Du musst eine Aussage machen, von der du selbst nicht überzeugt bist, und du musst die Absicht haben, eine andere Person dazu zu bringen, diese Aussage als wahr zu erkennen.

Ab wann erfüllen Kinder diese Voraussetzungen?

Studien zufolge lügen manche Kleinkinder schon, bevor sie zweieinhalb Jahre alt sind. Und im Alter von vier Jahren lügen mehr als 70% der Kinder – zumindest gelegentlich.

Der genaue Zeitpunkt ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich, und nein, das ist kein Anzeichen des moralischen Charakters eines Kindes. Es kann viele Jahre dauern, bis Kinder ein differenziertes, erwachsenes Verständnis für die Moral des Lügens entwickeln.

Vielmehr deutet vieles darauf hin, dass Kinder mit dem Lügen als ganz normale Folge ihrer kognitiven Entwicklung experimentieren.

Das Lügen hängt vor allem mit den Fähigkeiten des Kindes zusammen, die Gedanken anderer zu verstehen: Je früher Kinder fortgeschrittene Einsichten in die Denkweise anderer Menschen entwickeln, desto eher beginnen sie, ihre Fähigkeiten zur Täuschung zu erproben.

Studien deuten auch darauf hin, dass Lügen mit der Entwicklung von “ Reaktionshemmung“ zusammenhängen, einer exekutiv Funktion, die uns hilft, unseren Impulsen zu widerstehen. Kleine Kinder mit mehr Reaktionshemmung neigen eher zum Lügen.

Lügen ist ein normales Phänomen

Vor Jahrzehnten haben Forscher/innen eine clevere Methode entwickelt, um das Lügen bei Kindern zu untersuchen. Sie heißt “ Widerstand gegen die Versuchung“, aber du könntest sie auch als “ Guck nicht hin“ Szenario bezeichnen, denn es soll Kinder dazu verleiten, einen Blick auf ein verstecktes Objekt zu werfen.

Viele Lügenexperimente haben sich auf dieses Szenario gestützt, deshalb wollen wir uns einmal ansehen, wie es funktioniert.

Es beginnt damit, dass ein Kind eingeladen wird, ein Ratespiel zu spielen. Das Spiel läuft wie folgt ab:

  1. Ein Kind sitzt auf einem Stuhl, mit seinem Rücken zu einer Erwachsenen. Die Erwachsene weist das Kind an, geradeaus zu blicken. Dreh dich nicht um!
  2. Dann erklärt die Erwachsene, dass sie ein Spielzeug hochhalten wird – und zwar so, dass das Kind es nicht sehen kann – und ein Geräusch vorspielen wird. „Das Geräusch hilft dir zu erraten, was ich in der Hand halte.“
  3. Das Kind hört auf das Geräusch – was tatsächlich hilfreich ist. Ist das Spielzeug zum Beispiel eine Quietscheente, hört das Kind ein quietschendes Geräusch.
  4. Nachdem es noch einmal daran erinnert wird, nicht zu gucken, rät das Kind. Liegt es mit seiner Vermutung daneben, gibt der Erwachsene weitere Hinweise, bis das Kind Erfolg hat.

Die Forscher/innen lassen das Kind ein paar Runden spielen, damit sie sicher sein können, dass das Kind den Ablauf versteht. Und dann führen sie eine Unterbrechung ein: Die Erwachsene erklärt, dass sie das Kind für einen Moment alleine lässt.

Sie sagt dem Kind, dass sie das Spiel fortsetzen werden, wenn sie zurückkommt. In der Zwischenzeit legt sie das nächste Spielzeug auf einen Tisch hinter dem Kind. Außerdem spielt sie das dazugehörige Geräusch vor.

„Guck nicht, wenn ich weg bin“, erinnert sie das Kind. „Wenn ich zurückkomme, kannst du raten, was das Spielzeug ist.“

Dann verlässt die Erwachsene den Raum und lässt das Kind allein mit einer versteckten Kamera zurück.

Das Geräusch beginnt zu ertönen, aber dieses Mal liefert es unwichtige Informationen – nämlich Töne, die nichts mit der Identität des Spielzeugs zu tun haben. Was macht das Kind nun?

In allen Experimenten stellt sich heraus, dass es dasselbe tut. Unabhängig vom Alter geben die meisten Kinder der Versuchung nach und werfen einen Blick auf das Spielzeug. Besonders interessant ist jedoch, was danach passiert, wenn der Erwachsene zurückkommt.

Der Erwachsene fragt das Kind dann. „Hast du dich umgedreht? Hast du geguckt, was es war?“

Jetzt sehen wir einen deutlichen Unterschied zwischen den Altersgruppen. Bei den jüngsten untersuchten Kindern – Kleinkindern unter 30 Monaten – gestehen die meisten, dass sie geguckt hatten. Nur etwa ein Drittel von ihnen lügt.

Sobald sich die Kinder ihrem vierten Geburtstag nähern, kippt die Statistik aber. In mehreren Studien haben mehr als 70 % dieser Kinder gelogen. Mit anderen Worten: Es ist nicht nur entwicklungsbedingt normal, dass 4-Jährige lügen. In bestimmten Situationen ist es sogar die gängigste Reaktion!

Zwischen zwei und vier Jährigen steigt die Lügenquote also rapide an. Warum?

Das liegt wahrscheinlich daran, dass Kinder wichtige Fähigkeiten entwickeln.

Wie wir sahen, ist eine Lüge nicht das Gleiche wie eine Unwahrheit zu sagen. Der potenzielle Lügner muss das Ziel haben, eine andere Person zu täuschen, und er muss in der Lage sein, dies durchzuziehen. Er muss mehrere verschiedene Repräsentationen der Realität gleichzeitig im Auge behalten.

  • den tatsächlichen Sachverhalt, den der Lügner für wahr hält
  • den gefälschten Sachverhalt, den er darstellen will, und
  • die Ansichten der Person, die er täuschen will.

Das ist ziemlich komplex, vor allem der letzte Aspekt. Was geht im Kopf der anderen Person vor?

Als absolutes Minimum muss ein Kind einschätzen können, ob die andere Person bereits Bescheid weiß und daher ein ungeeignetes Opfer für die Täuschung ist oder nicht.

In den „Nicht gucken“-Experimenten müssen die Kinder, die gelogen haben, das geschafft haben. Sie schienen zu denken, dass sie mit der Lüge davonkommen, weil kein Erwachsener im Raum war, der ihr Nachschauen beobachten konnte.

Diese Kinder zeigten also eine gewisse Begabung für das „Gedankenlesen“ oder das, was Psychologen „Theory of Mind“ nennen. Sie nahmen an, dass der Erwachsene die Wahrheit nicht kannte. Doch es gibt noch viel mehr über die Wahrnehmung anderer Menschen zu verstehen. Wie kommt es zum Beispiel dazu, dass andere Menschen Unwahrheiten glauben?

Das klingt, als ob man das unbedingt begreifen müsste, wenn man jemanden täuschen will, und wie sich herausstellt, ist das ein Aspekt der Theory of Mind, mit dem die meisten kleinen Kinder zu kämpfen haben.

Das wissen wir aus Experimenten, bei denen Kinder die so genannte „False Belief Task“ lösen mussten, eine Aufgabe, bei der sie die Handlungen einer fiktiven Figur nachvollziehen sollten.

In der Geschichte legt die Figur einen Gegenstand (z. B. eine schwarze Kiste) in ein Versteck und verlässt dann die Bühne. Eine zweite Figur kommt hinzu, nimmt den Gegenstand weg und versteckt ihn in einem anderen Versteck (z. B. in einer weißen Kiste).

Die Kinder werden dann gebeten, eine Vermutung abzugeben: Wo wird die erste Figur nach ihrem Gegenstand suchen, wenn sie zurückkommt?

Erwachsenen und älteren Kindern fällt es nicht schwer, diese Frage zu beantworten. Die erste Figur wird natürlich nicht wissen, dass der Gegenstand versteckt wurde. Sie wird es dort suchen, wo sie es zuletzt hingelegt hat.

Doch die jüngsten Kinder behaupten meist etwas anderes. Sie sagen, dass die Figur in dem neuen Versteck suchen wird. Es ist, als ob sie den Unterschied zwischen ihrem eigenen, korrekten Wissen und dem Irrglauben der Figur nicht begreifen können.

Warum kleine Kinder so etwas durcheinander bringen? Das ist unklar. Möglicherweise passen sie einfach noch nicht gut genug auf.

Trotzdem zeigen die Experimente eine interessante Veränderung in der Entwicklung: Während nur relativ wenige Dreijährige diese Aufgabe bestehen, gelingt dies den meisten Vierjährigen mit Bravour.

Dies führte die Forscher zu einer Hypothese über das Lügen bei Kindern: Vielleicht spiegelt das Muster der Lügen in den “ Guck nicht hin“ -Experimenten eine Veränderung in der Entwicklung des Verständnisses von falschen Überzeugungen bei Kindern wider. Die Rate der Lügen steigt im Alter von vier Jahren sprunghaft an – zu dem Zeitpunkt, an dem die meisten Kinder beginnen, die Aufgabe über falsche Überzeugungen zu bestehen.

Wäre die Hypothese richtig, würde man erwarten, dass die Leistung einer Person im “ Guck nicht hin“ Experiment mit ihren Theory of Mind Fähigkeiten korreliert. Genau das haben die Forscher festgestellt.

Es gibt auch Hinweise dafür, dass Kinder Täuschungsmanöver schneller erlernen, wenn sie bereits ein gutes Verständnis für falsche Überzeugungen haben.

In einer Studie nahmen Forscher eine Gruppe kleiner Kinder, die noch keine Anzeichen von Lügen zeigten. Dann gaben sie diesen Kindern die Möglichkeit, ein Spiel zu spielen, das Täuschungsmanöver erforderte.

Mit etwas Übung lernten die Vorschulkinder spontan, zu täuschen – am schnellsten lernten jedoch die Kinder, die bereits ein Verständnis für falsche Überzeugungen gezeigt hatten.

Doch der vielleicht überzeugendste Beweis stammt aus einer pädagogischen Maßnahme: Was passiert, wenn wir kleine Kinder unterrichten, die das Lügen noch nicht entdeckt haben, und ihnen das Verständnis für Geisteszustände und falsche Überzeugungen beibringen?

Genau das wollten Xiao Pan Ding und ihre Kollegen wissen. Also führten sie ein Experiment durch.

Studie: Kinder lügen sofort, wenn sie stärkere „Theory of Mind“-Fähigkeiten entwickeln

Die Forscherinnen und Forscher rekrutierten zunächst eine Gruppe von Kindern, die in ersten Tests nicht gelogen hatten – insgesamt 42 Kinder im Alter zwischen 34 und 40 Monaten.

Dann teilten die Forscher jedes Kind nach dem Zufallsprinzip einer von zwei Arten von Training zu:

  • Die Hälfte der Kinder erhielt 6 Einheiten zur Theory of Mind.
  • Die andere Hälfte erhielt 6 Einheiten zu Konzepten, die nichts mit der Theory of Mind zu tun hatten (wie z. B. Piagets Zahlenverständnis).

Das Theory of Mind Training wurde speziell entwickelt, um die Kinder dazu zu bringen, über die Möglichkeiten nachzudenken, wie Menschen sich irren oder sich täuschen können.

Bei einer Aufgabe des Trainings wurde den Kindern zum Beispiel eine Schachtel mit Bleistiften gezeigt, und sie sollten erraten, was sich darin befand. Bleistifte? Nein. Als die Kinder die Schachtel öffneten, um nachzusehen, entdeckten sie, dass keine Bleistifte drin waren. Dann sollten sie eine Vorhersage treffen. Wenn du diese ungeöffnete Schachtel jemandem zeigst, was würde er oder sie denken, was sie enthält?

Anfangs neigten die Kinder dazu, vorherzusagen, dass andere Leute (irgendwie) die richtige Antwort wüssten.

Aber mit Hilfe von Erklärungen und praktischen Übungen begannen die Kinder, das Prinzip falscher Überzeugungen anderer zu verstehen, und im Gegensatz zu Kindern in der Kontrollgruppe beendeten sie die 6 Trainingseinheiten mit dem Bestehen der Aufgabe.

Die Kinder, die mit dem Training der Theory of Mind beschäftigt waren, unterschieden sich noch in einer anderen, entscheidenden Hinsicht: Sie logen bei einem Täuschungstest nach dem Training viel häufiger.

Zudem war der Effekt von Dauer. Als die Kinder 36 Tage später erneut getestet wurden, war die Wahrscheinlichkeit, dass sie gezielt logen, immer noch höher als bei den Kindern der Kontrollgruppe.

Es gibt also gute Gründe für die Annahme, dass fortgeschrittene Theory of Mind-Fähigkeiten die Fähigkeit von Kindern zum Lügen fördern. Falsche Überzeugungen zu verstehen, könnte Kindern helfen, die Gelegenheit zum Lügen zu erkennen. Es könnte ihnen helfen herauszufinden, wie sie erfolgreich lügen.

Und Theory of Mind-Fähigkeiten sind nicht der einzige Faktor. Es gibt auch Hinweise darauf, dass die Reaktionshemmung eine Rolle bei der Entwicklung von Lügen spielt.

Wie bereits erwähnt, nutzen wir die Reaktionshemmung, um unsere spontanen, reflexartigen Impulse außer Kraft zu setzen. Sie hilft uns auch, irrelevante Informationen auszublenden und uns auf unsere Ziele zu konzentrieren.

Solche Fähigkeiten helfen dem Möchtegern-Lügner eindeutig. Um eine Lüge aufrechtzuerhalten, müssen Kinder ihr eigenes Verhalten kontrollieren – sie müssen sicherstellen, dass sie ihre Lügengeschichte aufrecht erhalten und vermeiden, dass die Wahrheit aus Versehen durchsickert.

Ist die Wahrscheinlichkeit, dass kleine Kinder lügen, größer, wenn sie über eine bessere Reaktionshemmung verfügen? Das haben Forscher/innen in einer Reihe von “ Guck nicht hin“ -Studien herausgefunden:

Kleine Kinder, die eine bessere Reaktionshemmung haben, lügen häufiger, selbst wenn man ihr Alter berücksichtigt.

Experimente mit neuen Hilfsmitteln

Diese Forschungsergebnisse vermitteln uns einen starken Eindruck von der Entwicklung des Lügens bei kleinen Kindern. Es scheint eine normale Entwicklung zu sein, sobald Kinder die erforderlichen kognitiven Fähigkeiten entwickelt haben.

Das macht auch Sinn, denn es ist wie bei der Entwicklung anderer Fähigkeiten. Kinder erreichen Meilensteine – entdecken neue Fähigkeiten – und probieren sie sofort aus.

Die Anreize zum Täuschen sind ja bereits vorhanden: Kinder erkennen, dass sie durch Täuschung Ärger vermeiden können. Sie entdecken, dass sie Menschen beeinflussen können, um zu bekommen, was sie wollen. Sie müssen das ganze nur noch ausprobieren.

Sollten wir angesichts dieser Erkenntnisse enttäuscht sein? Beunruhigt, dass die Entwicklung der kognitiven Reife mit der Entwicklung des Lügens Hand in Hand geht?

Nein, das denke ich nicht. So etwas tun Heranwachsende, wenn sie neue Fähigkeiten entdecken. Babys lassen gerne Gegenstände von ihren Hochstühlen fallen, sobald sie die nötige Koordination entwickelt haben. Sie beobachten die Wirkung der Schwerkraft und testen unsere Reaktionen. Mit dem Lügen ist es ähnlich. Wenn sie diese neue kognitive Fähigkeit entwickeln, experimentieren sie mit Lügen und überprüfen, wie wir darauf reagieren.

Es gibt noch weitere Parallelen. Ein Kind wacht nicht eines Morgens auf und ist plötzlich in der Lage, eine neue Fähigkeit zu beherrschen. Es erlangt den Meilenstein schrittweise, im Laufe der Zeit. Das Gleiche gilt für kognitive Fähigkeiten, einschließlich der Fähigkeiten, die mit Täuschung zu tun haben.

Wenn kleine Kinder zum ersten Mal lügen, sind ihre Lügen oft nicht überzeugend. Zum Beispiel bei diesen “ Guck nicht hin“ -Experimenten. Wenn du mit einer Lüge durchkommen willst, musst du eine stimmige Darstellung aufrechterhalten. Es reicht nicht aus, darauf zu bestehen, dass du nicht heimlich geguckt hast. Du musst auch so tun, als wüsstest du nicht, um welches Spielzeug es sich handelt. Wenn du aufgefordert wirst, es zu erraten, solltest du entweder darauf bestehen, dass du es nicht weißt, oder absichtlich eine falsche Antwort geben.

Doch genau das geschieht nicht. Gleich nachdem sie behauptet haben, dass sie nicht geschaut hätten, platzen sie normalerweise mit der richtigen Antwort heraus. „Es ist Barney! Es ist Barney, der lila Dinosaurier.“ In einer Studie haben 90% der 3-, 4- und 5-Jährigen, die gelogen haben, diesen großen Fehler gemacht.

Diese Art des Auffliegens wird als „semantische Lücke“ bezeichnet und ist wahrscheinlich Ausdruck einer schlechten Reaktionshemmung, einer unvollkommenen Theory of Mind oder beidem.

Je besser die kognitiven Fähigkeiten des Kindes werden, desto weniger semantische Lücken gibt es. Allerdings gibt es auch Lernschwierigkeiten, wie die Antwort dieser 5-Jährigen zeigt. Sie schien zu erkennen, dass sie ihrem Zuhörer eine plausible Begründung für das richtige „Raten“ geben musste. Doch ihr Versuch blieb erfolglos:

„Ich habe es nicht angeguckt. Ich habe es angefasst und es fühlte sich lila an. Also glaube ich, es ist Barney“.

Heißt das, dein Kind kann dich nicht austricksen? Ich denke schon. Forscher haben bei “ Guck nicht hin“ -Experimenten viele Fälle dokumentiert, in denen besonders schlaue Kinder perfekt abschnitten. Als die Forscher die Videoaufnahmen Erwachsenen zeigten, die die Wahrheit nicht kannten, konnten diese Beobachter nicht erkennen, dass die Kinder logen.

Kleine Kinder – vor allem solche mit einer ausgeprägten Fähigkeit zum „Gedankenlesen“ und zur Selbstkontrolle – können uns also manchmal an der Nase herumführen. Aber auch hier gilt: wir sollten das nicht als beunruhigend oder schlimm ansehen. Sie erforschen einfach nur die Grenzen ihrer gut entwickelten psychologischen Fähigkeiten.

Wann verstehen Kinder, dass es falsch ist, zu lügen?

Das ist eine interessante und knifflige Frage.

In einer Studie haben Forscher/innen 4- und 5-Jährigen verschiedene Szenarien vorgestellt, in denen sie die Wahrheit sagen oder lügen sollten, und sie dann nach ihrer Meinung hierzu gefragt. Die 4-Jährigen bewerteten Lügen nicht schlechter als die Wahrheit zu sagen. Die 5-Jährigen hingegen schon.

Daraus können wir schließen, dass Kinder die “ Unrechtmäßigkeit“ einer Lüge erst im Alter von 5 Jahren wirklich verstehen. Das heißt jedoch nicht, dass jüngere Kinder keine Skrupel vor dem Lügen haben. Es ist möglich, dass einige 4-Jährige eine gewisse Abneigung gegen Lügen empfinden, auch wenn sie sie nicht als „falsch“ oder „schlecht“ einstufen.

Und generell ist die Moral der Lüge eine komplexe, verworrene Angelegenheit. Sollte man seiner Großmutter eine höfliche Lüge auftischen oder schonungslos ehrlich sein und ihr sagen, dass man den Kuchen verabscheut, den sie für einen backt? Sollst du einem Mobber sagen, wo sich sein geplantes Opfer versteckt, oder sollst du lügen, um die Unschuldigen zu schützen? Solltest du über deine persönlichen Leistungen schwindeln – sie herunterspielen – um bescheiden zu wirken? Lügen, um einen Freund oder eine Freundin zu schützen, auch wenn du damit der Allgemeinheit schadest? Solltest du für das Allgemeinwohl lügen, auch wenn du damit einen Freund verletzt?

Je nach deinen Wertvorstellungen und deiner Erziehung kannst du einige oder alle dieser Arten von Lügen befürworten. Und als du aufgewachsen bist, musstest du dir darüber Gedanken machen und herausfinden, was für dich richtig ist.

Es ist also nicht einfach zu lernen, dass es falsch ist, zu lügen. Kinder müssen lernen, den Wert der Wahrhaftigkeit gegen andere Überlegungen abzuwägen, z. B. gegen das Bedürfnis, höflich zu sein. Dieses differenzierte Verständnis der Wahrheit und der Moral des Lügens entwickelt sich vielleicht erst im Alter von 6 oder 7 Jahren. Und es kann sein, dass Kinder erst mit mehr als 11 Jahren ein Verständnis ähnlich dessen von Erwachsenen erreichen.

Was kann man tun, um Kinder zu ermutigen, ehrlich zu sein?

Eine Vielzahl von Studien deutet auf dieselbe Antwort hin: Wenn wir wollen, dass Kinder ehrlich zu uns sind, müssen wir ein Umfeld schaffen, in dem Ehrlichkeit sich lohnt.

Wir sollten Kindern zeigen, dass uns Ehrlichkeit am Herzen liegt, indem wir sie ihnen vorleben, da Kinder eher lügen, wenn sie es bei Erwachsenen beobachten.
Falls Kinder unangenehme Geständnisse machen, sollten wir sie für ihre Ehrlichkeit loben.
Außerdem sollten wir nicht versuchen, Kinder durch Drohungen und Strafen zu kontrollieren. Wenn Erwachsene bei der Erziehung hart vorgehen, ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass Kinder Lügen erzählen.

Bildquelle: https://unsplash.com/photos/JrrWC7Qcmhs

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