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Kann man Kindern beibringen, kritisch zu denken?

by Lara

Kritisches Denken beibringen? Vielleicht fragst du dich, ob die Kinder es von selbst hinbekommen. Schließlich haben schon viele kluge Menschen es geschafft, logisch zu denken, ohne dass sie hierfür ausgebildet wurden. Zudem zeigen Studien, dass Kinder besser lernen, wenn sie erklären müssen, wie sie Probleme lösen. Vielleicht entdecken Kinder die Prinzipien der Logik also spontan, wenn sie ihre Überlegungen mit anderen diskutieren.

Die Forschung deutet allerdings auch auf etwas anderes hin.

Möglicherweise ist der wirksamste Weg, die Fähigkeit des kritischen Denkens zu fördern, diese zu lehren. Und zwar gezielt.

Kritisches Denken fördern

Studien legen nahe, dass Schüler/innen erstaunlich bessere Problemlöser/innen werden, wenn wir ihnen beibringen, wie man

  • Analogien analysiert
  • Kategorien bildet und Gegenstände angemessen klassifiziert
  • Relevante Informationen identifiziert
  • Stichhaltige Schlussfolgerungen schließt und erkennt
  • Thesen prüft
  • Häufige Fehlschlüsse in der Argumentation erkennt
  • Zwischen Beweisen und Interpretationen der Beweise unterscheidet

Hemmt ein solcher Unterricht die Kreativität? Ganz und gar nicht. Beim kritischen Denken geht es um Neugierde, Flexibilität und Aufgeschlossenheit. Wie Robert DeHaan dargelegt hat, ist kreatives Problemlösen von der Fähigkeit zum kritischen Denken abhängig.

Die Wissenschaft geht sogar davon aus, dass ein gezielter Unterricht im kritischen Denken Kinder klüger, unabhängiger und kreativer machen kann.

Beispiele und Tipps für Vermittlung kritischen Denkens

Nachfolgend einige Beispiele – und Tipps von Experten für die Vermittlung kritischer Denkfähigkeiten an Kinder.

Das Unterrichten von kritischem Denken kann den Erfindungsreichtum fördern und den IQ erhöhen.

Richard Herrnstein und seine Kolleg/innen unterrichteten über 400 Siebtklässler/innen gezielt im kritischen Denken – ein Lehrplan, der Hypothesenprüfung, grundlegende Logik, die Bewertung komplexer Argumente, Erfindergeist, Entscheidungsfindung und andere Themen umfasste.

Nach sechzig 45-minütigen Unterrichtsstunden wurden die Kinder anhand verschiedener Aufgaben getestet, darunter der Otis-Lennon School Ability Test und den Raven Progressive Matrices (beide werden zur Messung des IQ verwendet). Die Ergebnisse des Projekts waren außergewöhnlich beeindruckend.

Im Vergleich zu den Schülerinnen und Schülern einer Kontrollgruppe erzielten die Kinder, denen kritisches Denken beigebracht wurde, deutliche und statistisch signifikante Verbesserungen beim Sprachverständnis, beim Erfindergeist und sogar dem IQ.

Die Vermittlung von kritischem Denken im wissenschaftlichen Unterricht kann Kindern demnach helfen, Probleme des Alltags zu lösen.

In einer anderen Studie untersuchten die Forschenden Anat Zohar und Kolleg/innen die analytischen Fähigkeiten von 678 Siebtklässler/innen. Dann wiesen sie nach dem Zufallsprinzip einige Schüler/innen dem Unterricht in kritischem Denken als Teil des Biologieunterrichts zu.

Die Schüler/innen der Versuchsgruppe wurden explizit darin trainiert, logische Denkfehler zu erkennen, Argumente zu analysieren, Hypothesen zu prüfen und zwischen Beweisen und der Interpretation von Beweisen zu unterscheiden.

Die Schüler/innen der Kontrollgruppe lernten Biologie aus demselben Lehrbuch, erhielten aber kein spezielles Training in Bezug auf kritisches Denken.

Am Ende des Programms wurden die Schüler/innen erneut getestet. Die Schüler/innen mit dem Training zum kritischen Denken zeigten eine größere Verbesserung ihrer analytischen Fähigkeiten, und das nicht nur bei Biologieaufgaben. Die Kinder, die mit dem Training im kritischen Denken beschäftigt waren, konnten auch Alltagsprobleme besser lösen.

Wie können Eltern und Lehrkräfte das kritische Denken von Schüler:innen fördern?

Die kurze Antwort lautet, die Grundsätze des rationalen und wissenschaftlichen Denkens deutlich zu machen.

Philip Abrami und Kolleg/innen haben 117 Studien über die Vermittlung von kritischem Denken ausgewertet. Der Lehransatz mit der stärksten statistischen Bestätigung war der gezielte Unterricht, d.h. den Kindern bestimmte Methoden zum Denken und Lösen von Problemen beizubringen. In Studien, in denen die Lehrkräfte die Schüler/innen aufforderten, Probleme zu lösen, ohne ihnen konkrete Anweisungen zu geben, zeigten die Schüler/innen kaum Verbesserungen.

Es scheint also, dass Kinder am meisten davon profitieren, wenn ihnen die Grundlagen des logischen Denkens beigebracht werden. Und die oben erwähnten Experimente legen nahe, dass Schüler/innen der Mittelstufe nicht zu jung sind, um etwas über Logik, Rationalität und wissenschaftliche Methoden zu lernen.

Falls deine Schule deinem Kind dies nicht vermittelt, ist es vielleicht sinnvoll, sich Lehrmaterial zu besorgen und zu Hause an den Fähigkeiten zum kritischen Denken des Kindes zu arbeiten.

Ich frage mich auch, ob es nötig ist, den „Kräften der Unvernunft“ entgegenzuwirken. Wie ich schon an anderer Stelle bemängelt habe, können Fernsehen, Bücher, „Bildungs“-Software und falsch informierte Autoritätspersonen Kinder vom kritischen Denken abhalten.

Was können wir sonst noch tun?

Neueste Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass unsere Schulen die Fähigkeit zum kritischen Denken auch dadurch verbessern könnten, dass sie den Kindern die Kunst des Debattierens beibringen.

Zu Hause können Eltern diese Empfehlungen von Peter Facione und einem Expertengremium der Amerikanischen Philosophischen Vereinigung (English: American Philosophical Association, kurz APA) berücksichtigen.

Die Tipps der APA für die Vermittlung kritischen Denkens:

  • Fange früh an. Kleine Kinder sind vielleicht noch nicht bereit für Unterrichtseinheiten in klassischer Logik. Aber man kann ihnen beibringen, ihre Schlüsse und ihre Entscheidungen zu begründen. Außerdem kann man ihnen beibringen, die Argumente anderer zu bewerten.
  • Vermeide es, Glaubenssätze durchzusetzen. Bevor wir Kindern sagen, dass sie etwas auf eine bestimmte Art und Weise tun sollen, sollten wir eine nachvollziehbare Begründung liefern.
  • Ermutige Kinder dazu, Fragen zu stellen. Eltern und Lehrer/innen sollten die Neugierde der Kinder fördern. Wenn eine Begründung für ein Kind nicht nachvollziehbar ist, sollte es ermutigt werden, seine Einwände oder Unklarheiten zu äußern.
  • Bitte Kinder, alternative Erklärungen und Lösungen in Betracht zu ziehen. Es ist gut, wenn man die richtige Antwort hat. Aber für viele Problemstellungen gibt es mehr als eine Lösung. Wenn Kinder mehrere Lösungen in Betracht ziehen, werden sie zu flexibleren Denkern.
  • Bringe die Kinder dazu, die Bedeutung zu erklären. Kinder sollten sich darin üben, Dinge in ihre eigenen Worte zu fassen. Dabei sollten sie ermutigt werden, sinnvolle Differenzierungen vorzunehmen.
  • Sprich über Vorurteile. Schon Grundschüler/innen können verstehen, wie Emotionen, Motive und sogar unser Verlangen unser Urteilsvermögen beeinflussen können.
  • Beschränkt das kritische Denken nicht auf rein sachliche oder akademische Themen. Ermutige Kinder dazu, auch über ethische, moralische und politische Fragen nachzudenken.
  • Lass die Kinder schreiben. Diese letzte Empfehlung stammt zwar nicht von Facione oder der APA, ist aber dennoch sehr sinnvoll. Viele Lehrkräfte wissen, dass der Prozess des Schreibens den Schülerinnen und Schülern hilft, ihre Erklärungen zu verdeutlichen und ihre Argumentation zu schärfen. In einer kürzlich durchgeführten Studie teilten Forschende Biologiestudierende in eine von zwei Gruppen ein. Die schreibende Arbeitsgruppe musste schriftliche Erklärungen zu ihrer Laborarbeit abgeben. Die Kontrollgruppe musste stattdessen kurze Quizfragen beantworten. Am Ende des Semesters hatten die Studierenden in der Schreibgruppe ihre analytischen Fähigkeiten deutlich verbessert. Die Schüler/innen der Kontrollgruppe hingegen nicht.

Bildquelle: https://www.pexels.com/de-de/foto/nachdenkliches-afroamerikanisches-kind-mit-notizblock-5905894/

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