Kooperative Brettspiele haben viele Gemeinsamkeiten mit wettbewerbsorientierten Brettspielen. Es gibt ein Brett. Es gibt Spielfiguren. Die einzelnen Spieler/innen sind abwechselnd an der Reihe. Aber kooperative Spiele unterscheiden sich in einem entscheidenden Punkt: Alle sind im selben Team und arbeiten auf ein gemeinsames Ziel hin.

Was soll das bringen? Ist Konkurrenz nicht etwas ganz Normales? Warum sollten Kinder kooperative Spiele spielen, wenn sie eigentlich lernen könnten, ihre Konkurrenzfähigkeit zu verbessern?

Die vielleicht beste Antwort ist, dass kooperative Brettspiele Spaß machen.

Menschen spielen, weil es sie fasziniert, herausfordert und unterhält. Manche Kinder – auch jüngere – bevorzugen kooperative Spiele sogar gegenüber Konkurrenzspielen.

Als Forscher wettbewerbsorientierte und kooperative Spiele gegeneinander testeten, stellten sie fest, dass Vorschulkinder, die wettbewerbsorientierte Spiele spielen sollten, weniger Begeisterung zeigten und sich danach eher negativ verhielten.

Im Gegensatz dazu zeigten Vorschulkinder, die kooperative Spiele spielten, mehr Enthusiasmus und es gab keinen Zuwachs an schlechtem Verhalten nach dem Spiel.

Andere Studien legen nahe, dass kooperatives Spielen die Großzügigkeit fördert.

In einer kürzlich durchgeführten experimentellen Studie haben Forscher Vorschulkinder nach dem Zufallsprinzip verschiedene Spiele spielen lassen, darunter ein kooperatives und ein wettbewerbsorientiertes Spiel.

Nach einer kurzen Partie testeten die Forscher die Großzügigkeit der Kinder, indem sie ihnen die Möglichkeit gaben, einen Preis mit einem jungen Fremden zu teilen. Was geschah?

Das hing von der Spielerfahrung ab. Kinder, die das kooperative Spiel gespielt hatten, teilten mehr.

Kooperative Spiele können helfen, Vertrauen zwischen den Spielern aufzubauen.

Studien deuten darauf hin, dass Kinder, genau wie Erwachsene, ihre Bereitschaft zur Kooperation an das Feedback anpassen, das sie von anderen erhalten. Wenn sie in der Vergangenheit kooperiert haben, werden sie auch in Zukunft eher kooperieren.

Es ist also möglich, dass kooperative Brettspiele Kindern helfen, freundschaftliche Beziehungen aufzubauen.

Doch das ist noch nicht alles. Es gibt überzeugende kognitive Gründe, die für kooperative Brettspiele sprechen.

1. Für Kleinkinder und Kindergartenkinder sind kooperative Brettspiele besser geeignet, um sich zu entwickeln. Kleine Kinder verstehen Konkurrenzspiele nur schwer.

Kleine Kinder sind nicht etwa völlig ahnungslos. Sie kommen ganz gut damit zurecht, solange das Spiel sehr einfach ist und keine strategischen Überlegungen erfordert.

Nehmen wir zum Beispiel an, dass wir die Kinder bitten, ein Spiel zum Turmbau zu spielen.

Die Spielerinnen und Spieler würfeln abwechselnd und wählen dann die entsprechende Anzahl von Bauklötzen, die sie auf ihre Türme stapeln.

Würfelst du eine 6, nimmst du sechs Bauklötze.

Die Bauklötze kommen von einem gemeinsamen Stapel. Der erste Spieler, dessen Turm die vorgegebene Höhe erreicht, gewinnt.

Experimente zeigen, dass sowohl Dreijährige als auch Fünfjährige die Regeln eines solchen Spiels lernen und souverän spielen können.

Doch die Spielenden treffen keine Entscheidungen. Ihr Fortschreiten wird durch Zufall bestimmt und es gibt keine Taktiken.

Wie wäre es, wenn wir die Regeln ändern und den Spielern die Möglichkeit geben, Bauklötze aus dem Turm des Konkurrenten zu stehlen?

Diese Veränderung ist nicht besonders kompliziert. Die beste Strategie ist für uns alle klar: Bei jeder Gelegenheit solltest du deinem Konkurrenten Bauklötze wegnehmen.

Aber als Forscher dieses Spiel am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie an Kindern testeten, stellten sie fest, dass selbst die Fünfjährigen die Wilderei-Taktik nicht anwendeten. Sie taten es gelegentlich, aber nicht öfter, als man es zufällig erwarten würde.

Auch andere Experimente zeigten ähnliche Ergebnisse.

Wenn es in einem Spiel darauf ankommt, Konkurrenten zu benachteiligen, gelingt das kleinen Kindern oft nicht.

Liegt es daran, dass Kinder schüchtern sind oder versuchen, nett zu sein?

Das ist natürlich möglich, aber es ist auffällig, dass Kinder auch dann keine Strafen verhängen, wenn andere Spieler/innen diese Taktik gegen sie anwenden.

Darüber hinaus ist der Einsatz von Taktiken des Wettkampfs verbunden mit der Fähigkeit eines Kindes, die Perspektive zu wechseln – eine Fähigkeit, die von einem Kind verlangt, dass es versteht, dass seine Überzeugungen sich von denen einer anderen Person unterscheiden.

Kinder, die diese Fähigkeit beherrschen, setzen manchmal absichtlich Wettbewerbstaktiken ein. Kinder, die Schwierigkeiten damit haben, tun dies fast nie.

Und bei den Experimenten zum Turmbau stellten Marco Schmidt und seine Kollegen auch einen Unterschied zwischen Dreijährigen und Fünfjährigen fest.

Die kleineren Kinder hatten Schwierigkeiten, sich auf mehr als einen Aspekt des Spiels zu konzentrieren und sie schienen nicht zu bemerken, wenn ihr Gegner (eine freundliche Puppe) schummelte.

Im Gegensatz dazu waren die Fünfjährigen besser in der Lage, alle Elemente im Auge zu behalten – die Spielregeln, die offensichtlichen Beweggründe ihres Gegners und ihren eigenen Wunsch zu gewinnen.

Bedeutet das, dass Kinder unter fünf Jahren keinen Spaß an einem Wettkampfspiel haben?

Natürlich nicht. Aber es deutet darauf hin, dass sie mit dem Wettbewerbsgedanken nichts anfangen können.

Es gibt einfach zu viel für sie, das sie bedenken müssen – womöglich liegt das an ihren begrenzten Fähigkeiten im Arbeitsgedächtnis. Das ist vermutlich auch der Grund, warum das Wettbewerbsspiel Candy Land bei kleinen Kindern so beliebt ist: Es ist das einfachste Wettbewerbsspiel, bei dem es keine Entscheidungen oder Taktiken gibt.

Eine Lösung des Problems besteht also darin, kleinen Kindern extrem einfache Wettbewerbsspiele anzubieten. Eine andere ist, ihnen kooperative Brettspiele anzubieten.

Ich selbst bevorzuge Letzteres, weil man die Komplexität des Spiels erhöhen kann, ohne dass es für kleine Kinder unmöglich wird, zu spielen. Sobald eine Entscheidung ansteht, können sich die Kindergartenkinder an der Diskussion beteiligen und die Entscheidung gemeinsam treffen.

Dadurch wird das Spiel auch für ältere Spieler/innen interessanter. Und – wie wir gleich sehen werden – können diese Diskussionen einen besonderen pädagogischen Wert haben, sobald die Kinder älter werden.

2. Kooperative Gesellschaftsspiele ermutigen Kinder dazu, Entscheidungen zu diskutieren und ihre Argumente zu begründen.

Wir schärfen unser Denken, wenn wir anderen unsere Gedankengänge erklären. Eine angemessene Debatte hilft uns, die Stärken und Schwächen unserer Argumente zu erkennen. Sie ermöglicht es den Teilnehmern, die Ideen anderer zu testen und zu gut begründeten Entscheidungen zu kommen.

Wann sind Kinder bereit, diese Fähigkeiten zu erlernen?

In einer Studie fanden Forscher einen auffälligen Unterschied zwischen Dreijährigen und Fünfjährigen. Nur die Fünfjährigen schienen bereit zu sein, ihre Meinung zu ändern, wenn eine Diskussion über die Fakten stattfand.

Forscher fanden auch heraus, dass Kinder im schulfähigen Alter (Fünfjährige und Siebenjährige) gut im kooperativen Denken sind. Wenn zwei Kinder aufgefordert wurden, gegensätzliche Behauptungen zu bewerten, waren sie in der Lage, sich darauf zu einigen, welche Behauptung besser begründet war.

Kinder im Alter von 5 Jahren können also einen Standpunkt einnehmen, zuhören, Argumente abwägen und eine gemeinsame Entscheidung treffen. Und es gibt Grund zur Annahme, dass kooperative Spiele Kinder dazu ermutigen, dies zu tun.

Beispiel: Die Zuordnung von Tieren zu ihren Lebensräumen

Am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie haben Andreas Domberg und seine Kollegen Fünf- und Siebenjährige Kinder gebeten, zwei Versionen eines Zuordnungsspiels zu spielen.

In beiden Versionen mussten die Kinder Lebewesen ihrem jeweiligen Lebensraum zuordnen (z. B. ein Zebra einer Grasebene). Außerdem mussten sich die Spieler/innen über die Zuordnung einig werden – sich also gegenseitig mit Argumenten überzeugen.

Aber in der Wettbewerbsversion des Spiels gab es ein zusätzliches Element: Die Lebensräume wurden unter den Spielern aufgeteilt und jeder Spieler wollte die größte Anzahl von Tieren ergattern.

Dieser Unterschied war wichtig.

In der kooperativen Variante lieferten die Kinder mehr Argumente für ihre Behauptungen und sie berücksichtigten eher beide Sichtweisen eines Sachverhalts.

Im Gegensatz dazu brachten die Kinder, die die wettbewerbsorientierte Variante spielten, nicht nur weniger Argumente vor. Ihre Argumente waren auch einseitiger.

Das könnte eine gute Vorbereitung für eine Karriere in der Werbung oder Politik sein. Aber es lehrt Kinder nicht, kritisch zu denken. Kooperative Brettspiele motivieren Kinder dazu, beide Sichtweisen einer Diskussion zu berücksichtigen und können ihnen so helfen, klarer und konsequenter zu denken.

Amy Strom und Scott Barolo haben zum Beispiel das klassische Spiel Mastermind verwendet, um Studenten etwas über das Prüfen von Annahmen und die Gestaltung von Experimenten beizubringen.

Normalerweise wird dieses Spiel von einem einsamen „Codeknacker“ gespielt, der eine versteckte Farbenfolge entdecken muss.

Strom und Barolo sagen aber, dass sich das Spiel auch als Gruppenaufgabe eignet, bei der die Studenten zusammenarbeiten, um den Code zu knacken. Die Spieler/innen besprechen Taktiken, suchen nach Schwachstellen in den Begründungen anderer und arbeiten zusammen, um den wirksamsten Lösungsweg zu finden.

Um einige Beispiele zu finden, gib in Google einfach einmal „Kooperative Brettspiele für Kinder“ ein und lass dich für das nächste Geschenk für deine Liebsten inspirieren.

Bildquelle: https://www.pexels.com/de-de/foto/frau-madchen-niedlich-spielen-7296490/

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