Ein erschreckend hoher Prozentsatz an Kindern schläft nicht genug und die Wahrscheinlichkeit, dass diese Kinder übergewichtig oder fettleibig werden, steigt. Aber warum? Woher kommt der Zusammenhang zwischen Schlafmangel und Gewichtszunahme? Experimente deuten darauf hin, dass die Antwort mit der Art und Weise zu tun hat, wie Schlafmangel unsere Wahrnehmung von Essen beeinflusst: Bilder von Essen lösen mehr Aktivität in den Belohnungszentren des schlafgestörten Gehirns aus. Müde Kinder schalten möglicherweise auch in den „Zuckermodus“ – sie konsumieren vermehrt gesüßte Getränke und andere Lebensmittel, die den Blutzuckerspiegel schnell ansteigen lassen.

Laut Elternbefragungen gehören etwa 35 % der Kinder in den USA zu den so genannten „Kurzschläfern“, d. h. sie schlafen kürzer als die empfohlene Schlafdauer. Laut Selbsteinschätzung sind die Zahlen bei Teenagern sogar noch höher. In einer aktuellen Studie gaben fast 73 % der amerikanischen High School Schüler an, dass sie weniger als 8 Stunden pro Nacht schliefen. Experten sind der Meinung, dass die meisten Teenager mindestens 8-10 Stunden schlafen sollten.

Zwar ist es weltweit nicht so schlimm, doch zu wenig Schlaf ist bei Teenagern keine Seltenheit. In vielen europäischen Ländern schläft mindestens ein Drittel aller Jugendlichen nachts zu kurz. Und für Kinder, die zu wenig Schlaf bekommen, besteht – egal wo sie leben – Grund zur Sorge. Mangelnder Schlaf wird mit einer Reihe von kognitiven und emotionalen Problemen sowie mit Gesundheitsrisiken in Verbindung gebracht. Zu den gesundheitlichen Risiken gehört auch die Neigung, mehr Süßigkeiten zu essen und übermäßig an Gewicht zuzunehmen.

Doch was genau wissen wir über Ernährung, Schlafmangel und Gewichtszunahme bei Kindern? Sind Kinder schon in jungen Jahren gefährdet? Haben wir Grund zu der Annahme, dass Schlafmangel ungesunde Ernährung, Gewichtszunahme oder Fettleibigkeit verursacht? Wissen die Forscher, wie Schlafmangel zu diesen problematischen Ergebnissen beitragen kann? Und was können wir tun, um Kinder zu schützen?

Nachfolgend ein Überblick über die Erkenntnisse und einige Tipps, wie du den Schlaf deines Kindes verbessern kannst.

Zu wenig Schlaf steht mit Adipositas bei Kindern in Verbindung

Jahrzehntelange Forschung hat diesen Zusammenhang bestätigt. Wer zu kurz schläft, ist eher übergewichtig oder fettleibig.

Das gilt für alle Altersgruppen – vom Säuglings- über das Jugend- bis zum Erwachsenenalter. Das gilt auch für verschiedene Kulturen. In den Vereinigten Staaten, dem Vereinigten Königreich und Kanada weisen Kinder mit unterschiedlichem ethnischen Hintergrund diesen Trend auf. Das gilt auch für Kinder in China, Südafrika und Brasilien.

Wie ausgeprägt ist der Effekt? Das ist schwer zu sagen und hängt wahrscheinlich von vielen zusätzlichen Faktoren ab. Doch in einer Meta-Analyse veröffentlichter Studien fanden Forscher heraus, dass das Risiko, übergewichtig oder adipös zu sein, sich mit jeder Stunde Schlaf pro Nacht um 21 % verringert. Bei einer anderen Meta-Analyse schätzten Forscher, dass die Wahrscheinlichkeit, übergewichtig oder fettleibig zu werden, bei Kurzschläfern zwischen 30% und 220% liegt.

Kurzer Schlaf und ungewöhnlichen Essgewohnheiten

Betrachte zum Beispiel eine Studie mit mehr als 1300 britischen Kindern unter zwei Jahren. Bei diesen Kleinkindern war ein Schlaf von weniger als 10 Stunden pro Tag mit einer höheren Kalorienaufnahme verbunden. Im Vergleich zu Kindern, die zwischen 11 und 12 Stunden schliefen, nahmen die Kurzschläfer im Durchschnitt 50 Kalorien mehr pro Tag zu sich.

Andere Studien – an dänischen Schulkindern zwischen 8 und 11 Jahren – ergaben, dass Kurzschläfer tendenziell mehr Kalorien aus kalorienreichen Lebensmitteln zu sich nehmen, darunter gesüßte Getränke und Lebensmittel mit Zuckerzusatz.

Selbstverständlich handelt es sich bei allen Daten, die wir bisher diskutiert haben, nur um Zusammenhänge. Die Studien können uns nicht sagen, warum ein kurzer Schlaf mit Fettleibigkeit oder einem erhöhten Verzehr von Süßigkeiten verbunden ist. Womöglich gibt es Krankheiten, die Kinder sowohl für kurzen Schlaf als auch für Fettleibigkeit gefährden. In einem solchen Fall sollten wir nicht davon ausgehen, dass weniger Schlaf zu einer Veränderung der Ernährungsgewohnheiten oder einer Gewichtszunahme führt.

Um einen Zusammenhang herzustellen, brauchen wir Experimente. Und zum Glück gibt es diese.

Experimentelle Beweise: Kurzer Schlaf führt dazu, dass Teenager nach Lebensmitteln greifen, die den Blutzucker schnell in die Höhe treiben.

Wie können wir mit Hilfe von Experimenten die Ursache herausfinden? Wir benötigen eine Möglichkeit, um die Auswirkungen verschiedener Schlafdauern zu messen, während andere Variablen konstant bleiben. So kann man feststellen, ob Kinder je nach der Zeit, die sie schlafen dürfen, unterschiedlich auf Lebensmittel reagieren.

Dean Beebe und seine Kollegen haben mit diesem Ansatz Pionierarbeit geleistet. Im Jahr 2013 rekrutierten sie 41 Teenager und statteten sie mit Aktigraphen am Handgelenk aus (Geräte, die objektive Schätzwerte für die Schlafdauer liefern). Sieben Tage lang gingen die Jugendlichen ihrem gewohnten Alltag nach und Beebes Team sammelte Daten über ihr natürliches Schlafverhalten. Im Durchschnitt schliefen diese Teenager nur 7 Stunden pro Nacht. Sie waren gewohnheitsmäßige Kurzschläfer!

Der nächste Schritt war die Durchführung des Experiments. Jeder Teenager wurde einem von zwei speziellen Schlafplänen zugewiesen:

  • Der eingeschränkte Zeitplan erlaubte es den Kindern, jede Nacht nur 6,5 Stunden im Bett zu verbringen.
  • Beim gesunden Zeitplan mussten die Kinder jede Nacht 10 Stunden im Bett bleiben.

Die Jugendlichen schliefen weiterhin mit Hilfe von Aktigraphen, so dass die Forscher sicherstellen konnten, dass diese Zeitpläne zu erheblichen Unterschieden zwischen den Gruppen führten. Die Kinder mit dem gesunden Zeitplan schliefen durchschnittlich 2,5 Stunden mehr pro Nacht – ein deutlicher Unterschied.

Die Zeitpläne wurden fünf Tage lang, von Montag bis Freitag, eingehalten. Am sechsten Tag – Samstag – berichteten die Kinder, was sie in den letzten 24 Stunden aßen. Nach ein paar Nächten ohne feste Schlafenszeiten setzten die Kinder das Experiment fort und wechselten zu dem Schlafplan, den sie noch nicht erlebt hatten. So begannen die Teenager, die gerade den eingeschränkten Zeitplan beendet hatten, mit dem gesunden Zeitplan und andersherum. Nach 5 Tagen füllten die Kinder eine zweite, abschließende Bestandsaufnahme bezüglich ihrer Ernährung aus.

Wie war das Ergebnis? Die Jugendlichen schliefen weiterhin mit Aktigraphen am Handgelenk, so dass die Forscher bestätigen konnten, dass die Gesamtschlafdauer je nach Versuchsbedingung variierte. Wenn die Kinder den „gesunden Schlaf“ einhielten, schliefen sie durchschnittlich 8,9 Stunden pro Nacht. Im Gegensatz dazu schliefen die Kinder mit dem eingeschränkten Zeitplan durchschnittlich nur 6,3 Stunden.

Auch bei der Ernährung gab es offenbar einen Unterschied. Es ging weniger darum, dass die Kinder mehr Kalorien zu sich nahmen, wenn sie nur wenig Schlaf bekamen. Vielmehr änderte sich die Auswahl der Nahrungsmittel. Bei zu wenig Schlaf aßen die Kinder mehr Süßigkeiten und Desserts.

Eine Folgestudie zeigte ähnliche Ergebnisse. Und erst kürzlich haben Forscher ein Experiment durchgeführt, bei dem der Zeitpunkt der Snacks untersucht wurde.

In dieser Studie mit 93 Jugendlichen bestätigte das Team nicht nur, dass Kinder mit Schlafmangel mehr Kohlenhydrate, gesüßte Getränke und andere Lebensmittel aßen, die den Blutzucker schnell ansteigen lassen. Sie stellten auch einen Trend beim nächtlichen Verzehr fest: Kinder aßen diese Lebensmittel eher nach 21 Uhr.

Dazu erklärte die Studienleiterin Kara Duraccio in einem Interview an der Brigham Young University:

„Wir vermuten, dass erschöpfte Jugendliche nach einem schnellen Energiezufluss suchen, um durchhalten zu können, bis sie schlafen gehen, daher greifen sie nach Lebensmitteln, die viele Kohlenhydrate und Zucker enthalten.“

Das ist keine unsinnige Strategie, wenn man lange aufbleiben muss, um seine Hausaufgaben zu machen. Gesund ist das allerdings nicht.

Studien deuten zudem darauf hin, dass wir uns bei zu wenig Schlaf stärker belohnt fühlen, wenn wir etwas essen.

Auch hier stammen die Beweise aus experimentellen Studien, in denen Forscher Menschen nach dem Zufallsprinzip verschiedenen Schlafdauern zuweisen und dann testen, ob sich die Reaktionen der Teilnehmer auf Lebensmittel verändern.

In einigen Studien wurden bei diesen Tests auch Gehirnscans durchgeführt, und die Ergebnisse waren sowohl bei Erwachsenen als auch bei Jugendlichen einheitlich. Wenn du den Schlaf einschränkst (z. B. auf nur 5 Stunden pro Nacht bei Jugendlichen), reagiert das Gehirn anders auf Abbildungen von Essen. Teile des Gehirns, die mit Belohnungen zu tun haben, sind aktiver.

Weitere Studien haben sich auf die bewussten Aussagen von Jugendlichen über Essen konzentriert. Wenn Kinder nach dem Zufallsprinzip verschiedenen Schalfplänen zugewiesen werden, kann das die Art und Weise verändern, wie sie Lebensmittel bewerten. Unter Bedingungen der Schlafentzuges beurteilen sie Abbildungen von Lebensmitteln als verlockender.

Schlafmangel und Hormonveränderungen

Löst Schlafmangel Hormonveränderungen aus, die Kinder hungriger machen? Das ist unklar. In einigen experimentellen Studien an Erwachsenen beobachteten Forscher, dass Schlafentzug mit einem Anstieg von Ghrelin verbunden ist, einem Hormon, das den Appetit steigert. Doch es ist unklar, ob dies immer der Fall ist und ob dieser Effekt auch bei Kindern auftritt. Auch wenn kurzer Schlaf die Art und Weise beeinflusst, wie wir auf Essen reagieren, ist unklar, ob dies auf hormonelle Veränderungen zurückzuführen ist, die uns hungriger machen. Es könnte auch einfach daran liegen, dass wir Essen als genussvoller empfinden.

Und wie ist es mit dem Stresshormon Cortisol? Wirkt sich Schlafmangel nicht auf das Körpergewicht aus, indem er den Cortisolspiegel erhöht?

Diese Behauptungen kommen zwar in den Medien vor, doch ich habe keine Studien gefunden, die belegen, dass Schlafmangel bei Kindern zu einer Gewichtszunahme führt, weil der Cortisolspiegel steigt. In einer aktuellen Studie beobachteten Forscher die Entwicklung von mehr als 360 Kindern vom Säuglingsalter an. Sie beobachteten die Veränderungen der Schlafdauer, des Body-Mass-Index und des Cortisolspiegels der Kinder im Laufe der Zeit. Die Schlafdauer war mit dem Body-Mass-Index verknüpft. Der Cortisolspiegel stand dagegen in keinem Zusammenhang damit.

Was können wir tun?

Wir wissen, dass ein kurzer Schlaf das Interesse eines Kindes an zuckerhaltigen Snacks und Getränken verstärkt, also ist es sinnvoll, bei diesen Lebensmitteln wachsam zu sein. Wir sollten auch auf das nächtliche Essen achten. Wie das Team von Kara Duraccio herausfand, neigen Teenager mit Schlafmangel dazu, Lebensmittel mit hoher glykämischer Last zu essen.

Das Wichtigste ist jedoch, den Schlafmangel deines Kindes zu beheben. Zu wenig Schlaf hat viele negative Folgen für die Gesundheit und das Wohlbefinden deines Kindes. Übermäßige Gewichtszunahme ist nur eine davon. Nachfolgend ein paar Tipps, wie du die Schlafgewohnheiten deines Kindes überprüfen – und verbessern – kannst.

1. Achte auf Anzeichen dafür, dass dein Kind zu wenig schläft.

2. Suche nach körperlichen, umweltbedingten und psychologischen Ursachen, die es deinem Kind erschweren, nachts einzuschlafen.

3. Achte auf die nächtliche Bildschirmnutzung.

Es gibt immer mehr Beweise dafür, dass zahlreiche Kinder nachts nicht ausreichend schlafen, da sie vor dem Schlafengehen Handys, Computer und andere elektronische Geräte nutzen. Teilweise sogar, wenn sie schon im Bett sind.

4. Erwäge, die Schlafenszeit deines Kindes zu verlegen.

Hat dein Kind die Angewohnheit, spät einzuschlafen? Studien legen nahe, dass spätes Einschlafen ein Risikofaktor für den Verzehr von Lebensmitteln mit hohem glykämischen Index und für Übergewicht oder Adipositas ist. Es ist daher sinnvoll, die Schlafenszeit deines Kindes auf einen früheren Zeitpunkt am Abend zu verlegen.

Bildquelle: https://www.freepik.com/free-photo/closeup-cute-girl-tempted-while-looking-chocolate-bar-against-turquoise-background_27999088.htm

Write A Comment

Diese Seite verwendet Cookies, um die Nutzerfreundlichkeit zu verbessern. Mit der weiteren Verwendung stimmst du dem zu.

Datenschutzerklärung